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Das Gegenbeispiel Tunesien
ОглавлениеAuch aus den ersten Wahlen in Tunesien ging die islamistische Ennahda-Partei als der große Sieger hervor. In Europa und bei den Säkularen in der arabischen Welt ging die Angst um, dass nach Ägypten nun ein zweites arabisches Land infolge des Aufstandes in die Hände der Islamisten fällt. Demokratisch gewählt, war Ennahda jetzt zwar die größte, aber nicht die einzige Partei, die nun in der verfassunggebenden Versammlung am neuen Grundgesetz Tunesiens arbeiten konnte.
Dabei ließen die Tunesier erst einmal die Moschee im Dorf. Denn wenn die erste tunesische Wahl irgendetwas gezeigt hatte, dann, dass beide, die Islamisten in Form einer Partei und die Liberalen in Form von mehreren Parteien, zwei wichtige Strömungen in diesem Land darstellten, die einander nicht ignorieren konnten. Vorgezeichnet war aber dennoch ein ausgiebiger Streit über die Rolle von Religion und Staat in der Verfassung. Schließlich war es das erste Mal, dass sich beide gesellschaftlich relevanten Seiten in einer Demokratie offen mit dieser Frage auseinandersetzen mussten – ohne einen Diktator, der die Richtung vorgibt. Dabei waren die Islamisten der Ennahda-Partei keine Taliban, sondern eine relativ moderate islamistische Bewegung, die die Gesellschaft nicht mit militanten Mitteln, sondern über den Weg durch die Institutionen nach ihren konservativen Vorstellungen verändern wollten, und sie schlugen auch nach den Wahlen keine polarisierenden Töne an. Ihr Spielraum war ohnehin begrenzt. Die tunesischen Frauen waren und sind selbstbewusst und präsent genug, um sich ihre Rechte nicht einfach wieder wegnehmen zu lassen. Ausländische Investitionen und der Fremdenverkehr, von dem so viele Arbeitsplätze im Land abhängen, gaben den Islamisten nicht die Möglichkeit, selbst wenn sie gewollt hätten, einen islamistisch geprägten Staat in Tunesien zu gründen. Etwas, das übrigens langfristig auch für die Muslimbrüder in Ägypten gegolten hätte. Ennahda bildete 2011 zunächst eine Regierungskoalition mit zwei kleineren säkularen Parteien. Das reichte vorerst, um das Land nicht, wie Ägypten, entgleisen zu lassen.