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Kapitel 8

Freitag, 12. September 2014; 21:27 Uhr

Konstanze wartete vor der Villa der Familie Ellerson, während Sabrina einen Parkplatz suchte. Die Party schien bereits in vollem Gange, das ganze Haus war hell erleuchtet und sowohl von drinnen als auch vom hinteren Gartenbereich drangen Stimmen zu Konstanze herüber. Eigentlich wollte sie nicht auf diese Party, aber Sabrina hatte sie so lange mit ihren Überredungskünsten bearbeitet, bis sie entnervt zugestimmt hatte. Immerhin würde sie den Abend in der Nähe von Nils verbringen.

Nils! Allein der Gedanke an ihn ließ Konstanzes Puls ansteigen und ein ganzer Schwarm Bienen summte in ihrem Bauch. Schon vom ersten Tag an, als sie die mondäne Erscheinung dieses Jungen in der Uni erblickt hatte, war es um sie geschehen. Sei nicht albern Konstanze, dachte sie wehmütig, er nimmt doch überhaupt keine Notiz von dir. Seufzend betrachtete sie das Anwesen der Familie Ellerson. Nein, das war eindeutig nicht ihre Welt.

»Puh, das war gar nicht so einfach noch einen Parkplatz zu finden.« Sabrina überquerte die Straße und steuerte direkt auf Konstanze zu.

»Wo stehst du?«

»Drei Straßen weiter habe ich noch eine Lücke gefunden, ist zum Glück nicht zu weit.«

»Schau mal da drüben.«

»Was meinst du?«

»Na der Typ dort. Das ist der Kerl, der vorgestern vor deiner Wohnung rumstand und mich verfolgt hat.«

»Oh nein, Konny! Geht das schon wieder los? Du liest eindeutig zu viel von diesem Agentenkram.« Sabrina zog eine Grimasse und legte ihren Arm um Konstanzes Schultern. »Lass uns reingehen, Süße.«

Konstanze zuckte leicht zusammen. Sie hatten weder heute Morgen in der Uni noch eben auf der Fahrt hierher über den Kuss von vorgestern Abend gesprochen, was ihr ganz recht war. Es wäre ihr ohnehin viel zu peinlich gewesen. Jetzt spukte ihr obendrein noch dieser mysteriöse Mann im Kopf herum. Was wollte er von ihr? Drehte sie jetzt völlig durch und ihre Freundin hatte recht damit, dass sie im Moment einfach etwas überdreht war? Sie schob diese dunklen Gedanken beiseite und trat mit Sabrina an die Haustür.

Konstanze war heute zum ersten Mal im Haus der Ellersons. Kaum hatte Sabrina geklingelt, wurde die Tür auch schon aufgerissen. Ein großer schlaksiger Kerl mit dunklen Augen und verwuscheltem Haar stand den Mädchen gegenüber. Konstanze kannte ihn nicht. »Hi Benny«, sagte Sabrina und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Kommt rein, Mädels und fühlt euch wie zu Hause.« Mit einem breiten Grinsen ließ er hinter ihnen die Tür ins Schloss fallen. Konstanze war sprachlos und überwältigt. Sie standen in einer Eingangshalle, nicht protzig groß, dafür strahlend hell erleuchtet. Unzählige kleine Deckenstrahler spiegelten sich im glänzenden weißen Marmor des Fußbodens. In der Mitte des Raumes lag ein eleganter Teppich mit orientalischem Muster. Konstanze hatte keine Ahnung von Teppichen, aber dieser hier sah verdammt teuer aus. Die Haustür ging auf und noch mehr feierwütige Studenten stolperten lachend in das Haus von Nils Eltern. »Möchtest du nach unten oder in den Garten?« Hilflos sah Konstanze Sabrina an. »Keine Ahnung. Was ist denn unten?«

»Ach richtig, du warst ja noch nie hier. Unten ist der interessante Bereich«, Sabrina grinste vielsagend, »Partyraum, Sauna und das Schwimmbad.«

»Wie, ein Schwimmbad?« Konstanze riss erstaunt die Augen auf.

»Komm mit.« Sabrina bahnte sich geschickt einen Weg durch eine Traube Partygäste und hatte im nächsten Moment eine Treppe erreicht. Konstanze konnte ihr nur mit Mühe folgen. Gemeinsam gingen sie die Stufen nach unten. Auch hier im Keller gab es weißen Marmor auf dem Fußboden und edel vertäfelte Wände. Sie folgten einem schmalen Flur und erreichten über ein paar Treppenstufen einen kleinen Vorraum. Konstanze blickte auf ein schwarzes Eisentor, das mit winzigen Fischen verziert war. Hinter diesem Tor lag ein hell gefliester Raum mit zahlreichen Mosaiken an der Wand. Vermutlich griechische Bademotive, dachte Konstanze. Am oberen Bereich der Wandfliesen verlief um den gesamten Raum herum ein typisch griechisches Muster, ein Mäanderband. Darüber hatte sie erst kürzlich etwas gelesen. »Wow, ist das beeindruckend.«

Sabrina bestätigte dies mit einem Augenzwinkern und legte ihre Hand auf Konstanzes Schulter. Peinlich berührt drehte diese sich einen Schritt zur Seite und versuchte, von sich abzulenken.

»Hast du Anne eigentlich schon gesehen? Die wollte doch auch kommen.«

»Ich habe vorhin versucht, sie anzurufen. Ging aber niemand ans Telefon. Sie springt hier sicher schon irgendwo herum. Komm rein.«

Sabrina zog sie durch das Eisentor ins Schwimmbad. Am Boden des großen, geschwungenen Wasserbeckens konnte Konstanze nun auch ein Mosaik erkennen. Es zeigte zwei Wasserschlangen, die sich um einander geschlungen hatten.

»Das hat bestimmt ein Vermögen gekostet«, staunte sie.

»Sicher nur einen Wochenverdienst seines Vaters.« Sabrina hatte ihre Schuhe ausgezogen und tauchte nun einen Fuß ins Wasser.

Die schmale Stirnseite des Raumes bildete eine riesige Fensterfront, durch die man bei Tageslicht sicher in den Garten schauen konnte. Offenbar war das Grundstücksgelände so angelegt, dass es in diesem Bereich ebenerdig mit dem Kellergeschoss war. Zwischen dem Wasserbecken und den Fenstern stand eine verschnörkelte Steinbank und daneben ein ausladendes Pflanzgefäß mit einer Zwergkiefer. Ein atemberaubend schöner Anblick. Konstanze stellte sich vor, wie sie gemeinsam mit Nils in diesem Wasserbecken schwimmen und sich amüsieren würde. Wo war er eigentlich?

»Hast du Nils schon gesehen?«, fragte sie ihre Freundin.

»Du kannst es wohl nicht abwarten«, frotzelte Sabrina. »Er taucht bestimmt noch auf. Es ist ja seine Party.«

»Ist ja auch egal.« Konstanze versuchte, möglichst gleichgültig zu wirken.

»Magst du schwimmen?«

»Ich habe doch gar kein Badezeug dabei.«

»Das macht doch nichts. Ich schau mir gern auch deinen reizvollen nackten Körper an.« Sabrina zog neckisch ihre linke Augenbraue hoch, während Konstanze dunkelrot anlief.

»Oh nein, dafür bin ich nicht abgefüllt genug.« Auch mit Badeanzug hätte sie sich vermutlich nicht getraut. So spärlich bekleidet fühlte sie sich unwohl.

»Na, dann arbeite ich mal dran, deine Hemmungen abzubauen.« Sabrina gab ihrer Freundin einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Komm mit.«

Konstanze folgte ihr durch das Getümmel von Partygängern.

Wie viel Leute mochten wohl heute Abend hier sein? Einige hatte Konstanze schon an der Uni gesehen, viele waren ihr jedoch gänzlich unbekannt. Sabrina und Konstanze betraten den Partyraum des Hauses. Der gleiche weiße Marmor auf dem Boden, die Wände waren schneeweiß verputzt. Edle Wandfresken in warmen Terracottatönen stellten auch hier griechische Alltagsszenen dar. Der gleiche rötliche Farbton fand sich in den samtigen Bezügen der Sitzbänke und Barhocker wieder. Alles war perfekt aufeinander abgestimmt. Nils hatte sogar einen Barkeeper engagiert. Auf jeden Fall sah der Mann, der an der Bar den Cocktail-Shaker in der Luft herumwirbelte sehr professionell aus. Sabrina steuerte direkt den Tresen an und schenkte dem adretten Mann ihr umwerfendes Lächeln. »Je einen Martini für mich und diese reizende Lady.«

Sie zog Konstanze zu sich heran und ließ ihre Hand wie zufällig auf deren Hintern liegen, was in ihr erneutes Unbehagen hervorrief. Verstohlen schaute sie sich um und hoffte, dass niemand der Anwesenden es bemerkt hatte.

»Kommt sofort, ihr zwei Hübschen.« Der Barkeeper zauberte gekonnt zwei Gläser hervor und ließ in jedes eine Olive gleiten. Dann füllte er Eis und Martini in den Shaker, schüttelte ihn kurz und kräftig und seihte ihn dann in die beiden Gläser ab. Mit einem charmanten Lächeln schob er die Drinks zu den beiden Frauen rüber. Konstanze griff nach ihrem Glas und wandte sich um.

In diesem Moment betrat Nils den Raum. Ihr stockte der Atem und sie befürchtete, ihr Herz würde stehen bleiben. Es schien ihr, als wäre der Raum gerade ein Stück heller geworden. Die Gäste, die ihn bemerkten, drehten sich alle zu ihm hin und begrüßten ihn. Er übte eine enorme Anziehungskraft auf andere aus und war sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Nils genoss diesen Moment der Aufmerksamkeit. Er sah verdammt gut und sexy aus. Seine hellblonden Haare zeugten von seiner skandinavischen Abstammung und mit seinen stahlblauen Augen zog er jede Frau und auch so manchen Mann in seinen Bann. Konstanzes Knie wurden weich wie Butter und sie musste ein paar Mal kräftig schlucken, um den dicken Kloß in ihrem Hals zu beseitigen. »Hi Nils«, sagte sie leise, als er sich ganz dicht an ihr vorbei schob. Aber Nils reagierte nicht, sondern ging direkt auf Sabrina zu. »Da ist ja meine Partyattraktion.« Nils küsste Sabrina links und rechts auf die Wange und gab ihr anschließend noch einen Klaps auf den Hintern. »Nicht so frech, Großer.« Nils beugte sich dicht an Sabrinas Gesicht und raunte ihr etwas ins Ohr. Nickend drehte sie sich zu Konstanze um. »Bin gleich wieder da, Süße.«

»Klar, kein Problem«, antwortete Konstanze noch, obwohl Sabrina längst außer Hörweite war. Es war ein Problem. Konstanze fühlte sich verwundbar so allein auf dieser Party. Krampfhaft hielt sie sich an ihrem Glas fest und versuchte locker auszusehen. Ihr Blick fiel in den hinteren Bereich des Partyraumes. Hier brannte ein gemütliches Feuer in einem modernen, offenen Kamin. Sie schlängelte sich durch den Raum und ging die drei Stufen in den Loungebereich hinab. Die Sitzplätze waren alle belegt. Konstanze stellte sich in die Nähe des Feuers. Von hier aus hatte sie den Raum gut im Blick, ohne selbst im Mittelpunkt zu stehen. Sie fühlte sich gleich wohler. Die angenehme Wärme des prasselnden Feuers im Rücken gab ihr ein Gefühl der Geborgenheit. Konstanze nippte gedankenverloren an ihrem Martini. In ihrem Kopf dröhnten die tiefen Bässe der viel zu lauten Disco-Musik wieder und mischten sich mit dem Gemurmel der Gespräche. Es hörte sich an, als ob ein ganzer Bienenschwarm in ihrem Kopf surrte. Die meisten hier hatten schon reichlich Alkohol getrunken und einige sicher auch Drogen genommen.

»Grübel nicht so viel, Konstanze!« Sabrina kam quer durch den Partyraum auf sie zu und lachte sie an. »Du solltest viel öfter lachen. Komm lass uns Spaß haben und tanzen!» Sabrina nahm ihr das Martiniglas aus der Hand und stellte es auf einen kleinen Tisch. Sie zog Konstanze in die Mitte des Raumes und begann sich sexy und aufreizend zu bewegen. Wie macht sie das nur, fragte sich Konstanze, sie ist immer so unbekümmert und genießt das Leben. Dabei hat sie gerade erst ihre Mutter verloren. Konstanze schob diese Gedanken beiseite und ließ sich mitreißen von den stampfenden Discorhythmen. Kleine Schweißperlen rannen über ihr Gesicht, während sie mit keuchendem Atem immer wilder tanzte. Plötzlich spürte sie die durchbohrenden Blicke von Nils auf ihrem Körper. Er hatte sich genüsslich auf das Sofa gesetzt und beobachtete amüsiert die beiden Mädchen beim Tanzen. Seine Augen wanderten immer wieder über die weichen und warmen Rundungen von Konstanzes Körper, hinüber zu den anmutigen Bewegungen von Sabrina. Konstanze wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken.

Die Musik wechselte in einen ruhigen Song und Sabrina ergriff sofort die Gelegenheit und schlang ihre Arme um den Nacken ihrer Freundin. »Jetzt kannst du mir nicht davonlaufen«, sagte sie lächelnd zu ihr und zog sie näher zu sich heran. Während sie ihre Hände langsam immer tiefer gleiten ließ, beugte sich Sabrina ganz nah an Konstanzes Gesicht und hauchte ihr ins Ohr. »Du siehst heute Abend umwerfend aus, meine Dolcezza.« Konstanze spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss.

»Danke«, sagte sie verlegen und blickte an Sabrina vorbei.

Kann sie diese Annäherungsversuche nicht einmal sein lassen, dachte sie genervt. Ich muss ihr dringend deutlich machen, dass ich mir keine Beziehung mit einer Frau vorstellen kann.

»Ich mag es, wenn sich deine Nippel hart unter deinem Oberteil abzeichnen.« Erschrocken blickte Konstanzes an sich herunter und dann peinlich berührt in Sabrinas Gesicht. »Hab dich nicht so, du siehst wirklich sexy aus«, versuchte Sabrina ihre Freundin zu beruhigen. Zum Glück wurde das langsame Lied in diesem Moment durch ein schnelleres und lauteres abgelöst.

»Jetzt brauche ich aber eine Pause und einen Drink«, sagte Konstanze nach etwa zehn Minuten. Sie ging atemlos zurück zu ihrem Glas und streifte dabei wie zufällig die Beine von Nils. Habe ich ihn gerade angelächelt?, wunderte sie sich über ihren Mut. Das muss das Adrenalin sein.

Während sie das Martiniglas an ihre Lippen führte, schloss sie ihre Augen. Die Luft war stickig und rauchgeschwängert, roch nach Schweiß und Marihuana. Hastig trank sie einige Schlucke ihres Martinis. Ein kleiner Tropfen perlte an ihrem Kinn herunter. »Komm wieder tanzen, Konny!« Sabrina tänzelte mit kreisenden Hüften auf sie zu. »Ich brauche eine kurze Pau …« Noch ehe Konstanze den Satz beendet hatte, zog Nils Sabrina zu sich herum und begann wild und aufreizend mit ihr zu tanzen. Sie ging voll und ganz auf ihn ein, schlang ihre Arme um seinen Hals und presste die Hüften eng an seine. Eifersüchtig drehte sich Konstanze zur Seite. Sowas wollte ihre Freundin sein. Pah!

Warum tanzte sie dann in so eindeutiger Weise mit Nils. Sie kannte doch Konstanzes Gefühle für ihn. Quälende Eifersucht legte sich eiskalt wie eine stählerne Faust um ihr Herz. Inzwischen war ein winziges Fleckchen der Sitzecke frei geworden, auf das sich Konstanze frustriert gleiten ließ. Gebannt blickte sie in die züngelnden Flammen des Kamins und fragte sich ob Sabrina Drogen genommen hatte. Nils hatte ganz sicher welche konsumiert, denn sie hatte davon gehört, dass es auf seinen Partys immer Drogen gab. Sie drehte sich kurz zu Sabrina um, aber weder sie noch Nils waren zu sehen. Anscheinend hatten sie gemeinsam den Raum verlassen.

Ein seltsam schweres Gefühl breitete sich in Konstanzes Magengegend aus. Die Hitze des Feuers brannte auf ihrer Haut und plötzlich wurde ihr schwindelig. Hastig stand sie auf und drängte zum Ausgang des Partyraums. Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich an den zahlreichen tanzenden Körpern vorbei war und den schmalen Flur erreicht hatte. Sie ging die Treppen nach oben, um an die frische Luft zu kommen. Als sie durch die Glastür hinaus in den Garten trat, kam ihr wohltuende kühle Luft entgegen. Konstanze atmete tief durch und spürte, wie der Sauerstoff in jede ihrer Körperzellen strömte. Schnell ging es ihr besser. Auf der gegenüberliegenden Seite des Gartens konnte sie einen Teich erkennen. Sie ging hinüber und setzte sich auf eine Bank. Es war eine sternenklare Nacht. Von hier war die Musik nur sehr gedämpft zu hören. Es waren auch kaum noch Gäste draußen im Garten. Zu kalt. Während Konstanze auf die im Mondlicht funkelnde Wasseroberfläche schaute, rannen heiße Tränen über ihre Wangen. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. Sie schmeckten salzig. Verdammt, warum bin ich mit auf diese dämliche Party gegangen? Mit ihrem Ärmel trocknete sie sich das Gesicht und holte dann ihr Handy aus der Tasche. Sie tippte eine kurze Nachricht und schickte sie an Sabrina. Anschließend wählte sie eine in der Kurzwahl gespeicherte Nummer und hielt den Hörer an ihr Ohr. »Ich möchte bitte ein Taxi bestellen.«

Blutrune

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