Читать книгу Die verriegelte Tür hinter dem Paradies. Ein Roman frei nach Heinrich von Kleist - Karis Ziegler - Страница 15
10. Gewonnen - verloren
ОглавлениеWas er geträumt hatte, das nahm das Dunkel dieser Nacht mit sich fort in die versteckten Winkel, in die es sich vor dem neuen Tag aus Stadt und Kammer und aus seinen sich öffnenden Augen zurückzog. Lediglich eines bisher nicht gekannten erfüllenden und süß beglückenden Gefühls war er sich halb bewusst. Warum er gerade heute mit so besondererer Vorfreude an die Schule dachte, konnte er sich gar nicht erklären, bis er sich, während er seine Morgensuppe löffelte, mit einem hellen Schrecken daran erinnerte, dass er dort ja Nomi wiedersehen würde. Vielleicht könnte er in der Pause mit ihr reden, oder könnte es so einrichten, dass sie gemeinsam nachhause gingen. Ganz sicher würde er gleich zu ihr gehen, wenn er von seinem entscheidenden Gespräch am Nachmittag zurück wäre, und ihr berichten, wie es ausgegangen wäre. Ob er sie wohl dazu würde überreden können, ihm wieder etwas vorzusingen?
Bis Herr Mäuthis das Klassenzimmer betrat und den Unterricht begann, war Nomi noch nicht eingetroffen. Dass sie sich aber auch gerade heute verspäten musste! Ungläubig behielt Johannes die Tür im Auge, in der festen Erwartung, sie werde sich jederzeit noch einmal öffnen und Nomi abgehetzt, atemlos und scheu um Entschuldigung bittend zu ihrem Platz huschen. Doch nichts dergleichen geschah, und, auf eine ganz neue, tiefe Art enttäuscht und ernüchtert, so viel bedeutete ihm der Zauber der gestrigen Begegnung und der Wunsch nach dessen Fortsetzung, gab er sich schließlich Mühe, dem Unterricht seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Zwischen der Suche nach möglichen Erklärungen für Nomis Ausbleiben - sie konnte doch in den wenigen Stunden nicht so krank geworden sein? Es war ihr doch wohl nichts zugestoßen? Der Vater hatte ihr doch hoffentlich nicht für einmal so zugesetzt, dass sie nicht aus dem Haus gehen konnte? - und dem Lampenfieber angesichts dessen, was ihm am Nachmittag bevorstand, wurde es ihm jedoch schwer, mehr als nur Bruchstücke des behandelten Stoffes aufzuschnappen.
Auch Karl wusste nicht, als er den in der Pause so beiläufig wie möglich danach fragte, warum Nomi heute nicht in der Schule war. Am Ende beruhigte er sich mit dem Gedanken, es werde bestimmt eine ganz harmlose Erklärung geben, wahrscheinlich habe der Vater sie nicht gehen lassen, weil sie irgendetwas für ihn erledigen sollte, oder vielleicht er selbst krank war und gepflegt werden wollte. Jedenfalls würde er sie später aufsuchen, und dann würde er ja erfahren, was los gewesen war.
Als er sich irgendwann am Nachmittag auf dem Weg zurück nachhause fand - gerade hatte er sich an der letzten Straßenecke von Herrn Mäuthis verabschiedet - war es ihm, als wäre er wie die Figur aus dem Märchen vor Stunden in einen Fluss getaucht, hätte ihn unter Wasser durchschwommen, dabei aber ein ganzes Zeitalter in diesem von den am fremden Element sich brechenden Sonnenstrahlen fremd beleuchteten Reich dort unten verbracht und wäre nun erst, mit neuem, verwandeltem Blick auf seine alte Welt, am anderen Ufer wieder aufgetaucht. Gewandelt hatte sich die Färbung seiner Zukunft, die sich ihm bisher recht genau absehbar präsentiert hatte, jetzt, unter jenem Licht der vergangenen Stunden, jedoch ganz neu, hoffnungsvoll, dabei aber auch beunruhigend vor ihm lag. Mitgebracht von „dort unten“ hatte er die Zusage, er solle das Stipendium bekommen und also nach den großen Ferien auf ein Gymnasium gehen.
Zwischen diesem Ein- und Wiederauftauchen lag das so gefürchtete Vorstellungsgespräch bei seinem künftigen Gönner in dessen Wohnhaus in einem der Villenviertel am Rande der Stadt, wohin sie, Herr Mäuthis und er, gemeinsam gegangen waren: Hastiges Mittagessen zuhause, Mutters Versuche, ihn ein bisschen fein zu machen mithilfe seines Sonntagsanzuges, den sie aus Sachen seines Vaters auf Zuwachs geschneidert hatte, und des nassen Kamms, beim Abschied unter letzten Ermahnungen und Ratschlägen noch schnell durch die Haare gezogen; die gründlich geputzten und polierten Schuhe, die er seit dem Ende der kalten Jahreszeit nicht mehr angehabt hatte und die ihm schon wieder zu klein gewordenen waren, hatte er kurz entschlossen wieder ausgezogen und in der Hand getragen. Die Straßenbahnfahrt, von Herrn Mäuthis spendiert, seine erste richtige, mit Fahrschein im Wageninneren, hatte sie polternd, schüttelnd, quietschend und klingelnd durch das betriebsame Gewimmel der Geschäftsstraßen und Plätze getragen, bis es in den reinen Wohnvierteln jenseits der Innenstadt wieder ruhiger wurde und die Bahn auf den schimmernd das Kopfsteinpflaster durchziehenden Schienen unter dem dämmrigen Tunnel der Baumwipfel fuhr. Der Gang durch das Viertel, das so vornehm-distanziert in mittäglicher Ruhe lag, die Häuser fast versteckt inmitten der Gärten mit ihren stattlichen Bäumen. Seine Aufregung, die ihm das Herz so lästig bis in den Hals hinauf schlagen ließ, dass er auf Mäuthis’ Versuche, ihm durch freundliche und ablenkende Konversation seine Angst zu nehmen, nur ungesprächig einsilbig reagieren konnte. Das Haus mit dem Namensschild „R. Wissmann, Fabrikant“, bei dem sein Lehrer schließlich stehen blieb und die Gartentür öffnete, und dessen Zusammenspiel von klaren, geraden Linien und runder Verspieltheit aus Türmchen, Erkern, Fensterbögen, dazu seine Einbettung in den üppigen, aber gepflegten Garten ihn mit einer Aura von Verlässlichkeit, Protektion und Respektabilität beeindruckte; drinnen dann die gleiche Harmonie aus kühler Reinlichkeit und Klarheit der hellen Wände, Steinfußböden und -treppen und der Wärme, Behaglichkeit und Üppigkeit dicker Läufer, Vorhänge und maßvoll verteilter Dekorationsgegenstände. Die kleine, die Anspannung etwas auflockernde Szene, als er bemerkte, gerade noch bevor Herr Mäuthis an der Haustür läutete, dass er seine Schuhe noch immer in der Hand statt an den Füßen trug, und sich lachend auf die Steinstufen setzte, um die Füße hineinzuzwängen. Die „Prüfung“ selbst, die dann doch keine gewesen war, die freundliche, wohlwollende, dabei fast höflich-respektvolle Art, mit der Herr Wissmann den zwölfjährigen Straßenbuben behandelte und ihm damit sehr bald, nachdem sie sein Arbeitszimmer betreten hatten, das Lampenfieber zu nehmen gewusst hatte. Ganz anders als befürchtet war dieses Gespräch verlaufen, denn statt Schulwissen abzuprüfen und mit Strenge und von oben herab Ermahnungen und Zurechtweisungen abzugeben, hatte er den Jungen ermuntert, frei und unverstellt über seine Lebensumstände, seine Familienverhältnisse, die Dinge, die ihn interessierten, ihm etwas bedeuteten oder Freude machten, über seine Lieblingsfächer und seine Berufswünsche zu erzählen. Bald hatte Johannes fast vergessen, mit wem er da sprach und worum es ging und ließ sich, wie es ihm so oft passierte, von seinen Begeisterungen hinreißen, redete frisch drauflos und brachte so all seine unbestimmten, zwischen realitätsbewusster Selbstbeschränkung und heimlichen Wunschphantasien, zwischen dem Ehrgeiz, größeren Wohlstand zu erreichen und „mitreden zu können“ einerseits und Fernweh, Neugier und Erkenntnissehnsucht andererseits pendelnden Vorstellungen zutage. Später dann die - wie es ihm schien - zäh sich hinziehenden Stunden, wartend, allein in einem Zimmer, das nach dem hinteren Garten zu lag, während Herr Wissmann sich mit Herrn Mäuthis über seine Entscheidung besprach: der angenehme, nicht zu große Raum, der hell wirkte, obwohl das Licht durch das Laub vor dem Fenster grünlich abgedämpft hereinfiel; die Esszimmermöbel aus dunklem, staubfrei poliertem Holz, denen mithilfe weißer Deckchen und Vasen mit großen bunten Sträußen die Wirkung von Schwere und behäbiger Düsternis genommen war; das große Stück Marmorkuchen - mit Schokoladenüberzug! - und die Tasse Kakao vor ihm auf dem Tisch, von dem schürzen- und häubchenbekleideten Dienstmädchen serviert, das ihnen die Haustür geöffnet und ihn später auf Geheiß ihres Herrn in dieses Zimmer gebracht hatte, seine Unfähigkeit, von der gastfreundlichen Bewirtung Gebrauch zu machen, weshalb ihm der Kuchen später beim Abschied sauber eingepackt mitgegeben worden war; hin- und hergehen im Zimmer, aus dem Fenster schauen, die Familienfotos an der Wand betrachten; seine Zweifel, ob er sich in dem gerade stattgefundenen Gespräch nicht doch als völlig unwürdig erwiesen hatte? Dann endlich zurück im Arbeitszimmer, die Zusage und dazu die Erläuterungen aller möglicher praktischer Details und Konsequenzen, die den Jungen im Moment nur verwirrten und überforderten, so vereinnahmt war er von dem Bewusstsein der Umwälzung, die da gerade mit seinem Leben geschah, und die seiner Meinung nach überflüssigen Ermahnungen - wie sollte er sich wohl nicht dankbar erweisen und nicht sein Bestes tun, um das in ihn gesetzte Vertrauen nicht zu enttäuschen? Eine Ausnahme sollte mit ihm gemacht werden, ein Abweichen von dem üblichen Prinzip der Stiftung, indem er statt auf eine Mittelschule zu gehen mit dem Ziel, die ehrbare, aber eng umrissene Laufbahn eines kleineren oder mittleren Verwaltungsbeamten anzusteuern, das Gymnasium besuchen und die allgemeine Hochschulreife erwerben durfte, damit seinen nach Herrn Mäuthis’ Einschätzung vielversprechenden, aber noch ungerichteten Begabungen eine freie Entwicklung ermöglicht würde; wie er später erfuhr, hatte er deshalb so lange warten müssen, weil sein Lehrer eine Weile gebraucht hatte, bis er Herrn Wissmann von diesem Experiment mit ungewisser Zielrichtung und nicht sofort erkennbarer praktischer Verwertbarkeit hatte überzeugen können.
Beim Abschied schließlich war ihm noch eingefallen zu fragen, warum Herr Wissman „so etwas eigentlich tue“? Er könne doch auch ebenso gut seinen Reichtum ganz für sich und seine eigene Familie behalten, und niemand fände etwas dabei? Wenn er die Erklärung auch nicht vollständig begriff, so beeindruckte sie ihn doch und prägte sich ihm dauerhaft ein: Drei Generationen, seit sein Großvater vielleicht ähnlich arm, wie es Johannes und seine Leute jetzt seien, in die Stadt gekommen war, hätten an dem Auf- und Ausbau der Firma gearbeitet und das Vermögen vergrößert, bis es zu dem jetzigen Wohlstand angewachsen sei und vielen Menschen ein Auskommen biete. Sein eigener Sohn allerdings zeige nun Tendenzen, selbst nichts mehr für Erhalt und womöglich Erweiterung des Betriebes tun, sondern vielmehr aus dem Erreichten ein luxuriöses, bequemes Leben führen zu wollen. Ihm, dem Vater, war es daraufhin wichtig gewesen, wenigstens einen Teil des Vermögens so zu sichern, dass es für des Filius Verschwendungssucht unzugänglich wäre. Und mit so einer Stiftung zur Förderung begabter Kinder aus den armen Schichten hatte er gehofft, die Vergangenheit seiner eigenen bescheidenen Herkunft, die Potentiale der Gegenwart und die Zukunft zum Wohle der Einzelnen und der Allgemeinheit am besten zusammenbinden zu können.
Nun saß er zuhause auf der steinernen Schwelle vor der Tür, den Kopf in die eine Hand gestützt; mit der anderen griff er geistesabwesend nach den Kieselsteinen, die in der Ecke daneben aufgeschüttet lagen, warf einen nach dem anderen vor sich hin, sah und sah nicht zu, wie sie sich an Grasbüscheln oder anderen Steinen fingen und liegen blieben, hörte und hörte nicht auf das klickende Geräusch, das sie dabei machten, und wartete, dass er endlich sein Mitteilungsbedürfnis befriedigen und so diesen eigenartigen Schwebezustand abschütteln könnte. Seine Mutter war von ihren Besorgungen noch nicht zurück gewesen, als er heimgekommen war. Daraufhin hatte er sich gleich aufgemacht, um Nomi zu treffen und dann eben ihr als erstes vom Ausgang der Unternehmung zu berichten. Er war hinunter gegangen zu der Stelle am Kanal, wo sie gestern zusammengesessen hatten, aber sie war nicht da. Natürlich, sagte er sich, es war ja schließlich auch gestern das erste Mal und reiner Zufall gewesen, dass er sie dort angetroffen hatte. Er ging wieder zurück, dabei schaute er sich suchend um, sah aber niemanden, mit dem er jetzt hätte reden wollen. Rudolph, Elsa, Karl und die anderen gingen wohl jeder für sich ihren verschiedenen Verpflichtungen oder Vergnügungen nach, waren jedenfalls nicht hier in der Nähe zu sehen; und er war froh darüber, denn er hätte weder Lust gehabt, mit ihnen über seine neuen Pläne zu sprechen noch über irgendwelche Belanglosigkeiten, während dieses Thema doch so sehr seine Gedanken besetzte. Ausschließlich seiner Mutter und Nomi hätte er jetzt davon erzählen mögen, und die waren beide nicht greifbar. So saß er also vor der Tür und überließ sich dem Gefühl, zwischen widerstreitenden inneren Reaktionen in der Schwebe gehalten zu sein: Stolz auf die Auszeichnung, Freude über das in ihn gesetzte Vertrauen, Einschüchterung angesichts der Aufgabe, dem gerecht werden zu müssen, Ehrgeiz, dieses trotz allem zu meistern, kurz, Hochstimmung und Kleinmut, Ehrgefühl und Ehrfurcht hielten sich die Waage, und nur vom Zwiegespräch erhoffte er sich, dass die Pendel in eine bestimmte Richtung ausschlagen und den Bann, die innere Lähmung lösen werde.
Auf die Gefahr hin, dem schrecklichen Herrn Beatritsch zu begegnen, beschloss er nach einer Weile zu schauen, ob Nomi vielleicht bei sich zuhause wäre. Er ging durch die Toreinfahrt bei Gulachs und durch den Hof nach hinten zu dem Schuppen, in den er gestern Abend Nomis Wäschekorb getragen hatte. Sie musste wohl da sein, denn die Tür stand offen, und vielleicht war sie sogar allein, denn Stimmen hörte man nicht. Er trat zum Eingang hin, den fröhlichen Gruß schon auf den Lippen, da stockten ihm Stimme, Herz und Atem in enttäuschtem Schrecken: die Hütte war leer, nichts mehr war darin zu erkennen davon, dass sie eben noch bewohnt gewesen war - kahler, kalter, festgestampfter grauer Boden, lediglich ein paar Holzsplitter und Fetzen lagen vor dem kleinen gusseisernen Ofen herum, der den einzigen festen, unverrückbaren Einrichtungsgegenstand der notdürftigen Behausung darstellte. Er war wie angewurzelt stehen geblieben und hatte in den winzigen Raum gestarrt, als könne er sich getäuscht haben und könnten die Matratzenlager, die wackligen Stühle, der windschiefe Tisch und der halbkaputte Truhenkorb, die er gestern noch hier gesehen hatte, doch plötzlich aus dem Dämmer wieder auftauchen.
Was mochte das bedeuten? - Natürlich wusste er das eigentlich ganz genau, erst gestern hatte Nomi ihm ja von den vielen Umzügen erzählt, die sie mit ihrem Vater schon hinter sich hatte. Er konnte, jedenfalls wollte, es aber einfach nicht glauben, dass sie so mir nichts, dir nichts verschwunden war, ohne sich auch nur zu verabschieden. Schließlich wandte er sich zum Gehen und traf in der Hofeinfahrt auf Karl, der ihn verwundert fragte, was er denn hier mache?
„Ich hab Nomi gesucht“, gab Johannes zur Antwort. „Weißt du, wo sie ist? Der Schuppen ist ja verlassen!“
„Bah, Nomi!“, erwiderte Karl mit verächtlich verzogener Miene. „Die und ihr sauberer Vater sind abgehauen. Heute Morgen hat meine Mutter sie gerade noch um die Ecke biegen sehen mit ihrem klapprigen Leiterwagen, vollgepackt mit ihren paar Lumpen und Möbeln, und die hätten sie uns eigentlich dalassen müssen, denn sie haben uns schon jede Menge Miete geschuldet!“
„Aber warum? Weißt du, warum sie so plötzlich weggegangen sind?“
„Na klar weiß ich das;“ Karl lachte gehässig auf. „Wenn sie das groß angekündigt hätten, hätte mein Vater sie sicher nicht ziehen lassen, ohne ihre Schulden zu bezahlen. Außerdem bin ich sicher, dass der Alte irgendwas verbrochen hat.“
„Dann weißt du natürlich auch nicht, wo sie jetzt ist...“
„Nee, und will ich auch gar nicht wissen. Wozu soll ich mich für das Gesindel interessieren? Mal abgesehen von der Miete, die wir sowieso nicht mehr gekriegt hätten, können wir nur froh sein, dass die weg sind. Aber du scheinst ja einen Narren gefressen zu haben an dem Lausepack!“
„Nomi ist kein Lausepack, lass dir das gesagt sein!“, herrschte Johannes ihn zornig an. „Der Vater vielleicht, aber sie...“ Er brach ab und ließ Karl grußlos stehen, merkte er doch, dass er die Enttäuschung in seiner Stimme nicht mehr länger kontrollieren konnte.
Er lief hinunter zum Kanal, zu seinem Baum und dann weiter zu dem Platz zwischen den Büschen am Ufer, wo sie gestern gesungen hatte, setzte sich, stützte den Kopf in die Hände und blickte starr auf die dunkelgrünen, hie und da von kleinen Sonnenblitzen aufgehellten trägen Wellen hinunter. Eine wilde, verzweifelte Trauer erfüllte ihn bis zum Bersten, ein unauflösbarer Widerspruch zwischen der Einsicht in die Unabänderlichkeit der Situation und der heftigen inneren Auflehnung dagegen.
Warum? warum nur war das jetzt so geschehen? Sie hatten sich doch gerade erst zaghaft angefreundet! Wie eine liebe, geliebte Schwester hätte sie sein sollen, und er ihr großer, beschützender Bruder - ach was, das drückte ja nicht mal zur Hälfte aus, was diese Freundschaft hätte sein können. Gerade, was dies nicht ausdrückte, der andere, viel umfassendere Teil - das Mysterium ihrer Person, das ihm dasselbe bedeutete wie das Geheimnis der Welt, des Lebens, zu dem sie ihm als das Portal, die rätselhafte Zugangslosung erschien; und dazu ihr seltenes, dafür so verzauberndes Lächeln, die fremdartige, zartgliedrige Hübschheit, die tiefe Sternennacht ihrer dunklen Augen, das eigentümlich Wilde, Einzelgängerische und zugleich Sanfte ihrer Persönlichkeit - sollte das gleich schon wieder verloren sein? Wie er sich danach sehnte, dass sie wieder neben ihm säße, dass sie zusammen den Abend hereinsinken sähen, vom unerträglich süßen Gesang der Amsel, der weichen Abendluft und der goldenen Abendsonne umfangen; dass er ihr von seinem heutigen Erfolg, von seinen Zweifeln erzählen könnte, dass sie ihm erneut Mut zuspräche. Was er heute erreicht, oder wofür ihm heute der Weg geebnet worden war, erschien ihm nun, ohne es mit ihr teilen zu können, an Bedeutung verloren zu haben, als hätte es seinen Glanz eingebüßt und die Freude darüber einen schmerzlichen Mitklang bekommen. Das war doch einfach nicht hinzunehmen! Eine rebellische Hoffnung stieg in ihm auf, er werde sie wiederfinden, und wenn er Viertel um Viertel der riesigen Stadt durchkämmen müsste! Gleichzeitig war ihm völlig klar, wie illusorisch dieser Vorsatz war, dass nichts als ein absolut unwahrscheinlicher Zufall ein Wiedersehen herbeiführen könnte. Am Ende war ja nicht einmal sicher, dass sie überhaupt noch in der Stadt war, es gab schließlich keinen Grund anzunehmen, dass sie nicht ganz weggezogen wären.
Er blieb lange, lange sitzen, nicht zuletzt in der verrückten Hoffnung, Nomi werde doch plötzlich noch auftauchen...
Als der innere Aufruhr in reine Niedergeschlagenheit ausgeklungen war, ging er endlich nach Hause. Jetzt fiel ihm auch ein, dass seine Mutter ja längst zurückgekehrt sein müsse und sich sicher schon Sorgen machte, warum er so lange ausblieb. Er sehnte sich nach der mütterlichen Liebe und Wärme, wenn er auch zum ersten Mal in seinem Leben vage spürte, dass der Trost, den sie ihm würde spenden können, nicht weit genug reichen werde.
Dass er deprimiert war und geweint hatte, sah man ihm so sehr an, dass die Mutter schon glaubte, das Vorstellungsgespräch sei nicht gut ausgegangen, und beim besten Willen nicht ganz verhindern konnte, dass sich ein Gefühl der Erleichterung in ihr Bedauern für den Sohn mischte. Es brauchte einen guten Teil des Abends unter dem tickenden Küchenwecker, bis die Mutter alles erfahren, was der Tag gebracht und alles verstanden hatte, was den Jungen bewegte.
„Groß wird er mir, der Hannes“, dachte sie betrübt, während sie ihn, doch immer noch wie die Mutter das Kind, den Arm um ihn gelegt, zu trösten suchte.
Mit offenen Augen starrte Johannes in die Dunkelheit der Schlafkammer, nach wie vor damit beschäftigt, den Kampf der gewünschten gegen die vorgefundene Wirklichkeit auszufechten und mit der Niederlage der ersteren zu hadern. Die Freude, die er sich für heute versprochen hatte und die ihm unmittelbar vereitelt worden war, malte er sich nun umso schöner aus und umso bitterer wurde ihm die Enttäuschung: Wie er, an das gestrige Gespräch anknüpfend, zu Nomi gegangen wäre, um ihr gleich zu erzählen, dass sie soweit recht behalten habe und ihm das Stipendium tatsächlich zugesprochen worden sei; wie sich darüber ihr Gesicht aufgehellt hätte; und dann hätte sie ihm sicher seine Versagensängste ausgeredet, und sie hätten zusammen sich ausgedacht, wie alles werden würde. Das unglaubliche Stück Marmorkuchen fiel ihm wieder ein, das er dort bekommen und extra für sie, gleichsam als Unterpfand und greifbares Beweisstück, aufgehoben hatte; er hatte sich so darauf gefreut, es ihr, der immer Hungrigen, zu schenken, sah vor sich, wie sie zunächst bescheiden abgelehnt hätte und dann aber, vielleicht mithilfe einer Notlüge seinerseits, er habe selbst schon so ein Stück essen dürfen, sich hätte überreden lassen. Wie er sie dazu gebracht hätte, ihm wieder so ein schönes Zigeunerlied vorzusingen...
Und weiter spann er, malte sich die Freundschaft aus, die zwischen ihnen beiden entstanden wäre - wie sie alles hätten miteinander teilen mögen, einander alles erzählen können, wie wunderbar sie sich, jeder mit seinen eigenen Stärken und Schwächen, ergänzt und geholfen hätten -, und er empfand diesen Entzug einer möglichen Zukunft, als hätte man ihm genommen, was er schon besessen hätte: ein ziehend schmerzender Mangel von etwas Erfüllendem, eine Leere, wo etwas Existenzielles sein sollte - sie fehlte ihm, als wären sie schon seit langen Jahren unzertrennliche Freunde gewesen.
Ob eigentlich sie selbst wohl ebenso traurig darüber war, schon wieder weggerissen worden zu sein, oder ob es ihr längst gleichgültig war, wo und unter welchen Menschen sie lebte? Ob denn überhaupt auch ihr diese Begegnung mit ihm etwas Besonderes bedeutet hatte? Aber er dachte daran, wie isoliert und auf sich gestellt sie durch ihren Alltag gehen musste, daran, welch großen Unterschied schon allein in praktischen Dingen er gemacht hätte - hatte er sie nicht im Geiste schon immer wieder zuhause am Tisch mitessen, seine Mutter ihr mit Rat und Tat bei ihren Haushaltspflichten helfen oder sie beide gemeinsam an den Schulaufgaben sitzen sehen? Er dachte aber auch an den langen Blick, den sie getauscht und gar nicht anders gekonnt hatten - nein, es war schier unmöglich, dass nicht auch sie diese beginnende Freundschaft empfunden hatte!
So wälzte er sich hellwach, die Gedankenmühle in seinem Kopf unablässig kreisend, und das Thema, das ihm in dieser Nacht ohnehin den Schlaf geraubt hätte, trat dabei ganz in den Hintergrund. Der Vorstellung von Latein- oder Griechischunterricht, höherer Mathematik, neuen Lehrern, neuen Schulkameraden stand er nun, angesichts von Nomis Verschwinden, merkwürdig distanziert, aber auch entmutigt und kraftlos gegenüber, wie wichtig es ihm auch bis vor so kurzem noch gewesen war. Ohne ihre freudige, freundschaftliche Anerkennung, ohne ihre Begleitung und Ermutigung schien ihm jede Anstrengung dafür sinnlos. Sie hatte an ihn und diesen seinen Weg geglaubt - und nun war sie nicht mehr da, und am liebsten hätte er sich in einen Winkel seines alten erwartbaren und unspektakulären Lebens verkrochen. Morgen würde er Herrn Mäuthis sagen, er habe es sich anders überlegt, er traue sich das doch nicht zu... Er seufzte tief auf und warf sich wieder auf die andere Seite - nein, bei der Vorstellung wurde er auch wieder nicht froh. Er konnte doch seinen Lehrer, der es so gut mit ihm meinte, nicht enttäuschen! Also schön, dann würde er es eben durchziehen! Aber die rechte Freude war nicht mehr dabei. - Nein, so war es wieder nicht richtig! Hatte er nicht gesagt, Nomi glaube an ihn? Und sollte er sie jetzt Lügen strafen? Ganz im Gegenteil: nun doch gerade! Auf eine nur diffus verstandene Art spürte er, dass er es für sie tun würde, egal, ob er sie je wiedersehen würde oder nicht. Mit Inbrunst schwor er sich, als Dienst an der Freundschaft, die das Licht der Welt nicht erblicken durfte, aber, das wäre ja noch schöner! im Verborgenen durchaus am Leben war und bleiben würde, werde er sich ins Zeug legen und Erfolg haben.
Nun endlich begann er auch, von seinen eigenen Wünschen, seinem eigenen Kummer absehend, sich einfach Sorgen zu machen: Wo war sie jetzt, wie ging es ihr? War sie nicht nun wieder ganz schutz- und freundlos der Willkür, der trunksüchtigen, kriminellen Brutalität ihres Vaters ausgeliefert? Unruhig und über seine Hilflosigkeit verzweifelt drehte er sich von einer Seite auf die andere.
Und doch würde er sie suchen! Er konnte doch nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen! Er musste doch bloß sich jeden Tag ein Viertel, oder wenigstens ein paar Straßenzüge vornehmen und es dabei möglichst logisch und systematisch anfangen, dann wäre er in ein paar Wochen durch - das musste doch zu schaffen sein! „Egal: Wenn sie die Stadt nicht ganz verlassen haben, dann finde ich sie auch!“
Erst mit diesen beiden festen Vorsätzen kam er endlich so weit zur Ruhe, dass er doch noch einschlafen konnte.
Am nächsten Tag in der Schule kreisten viele der Pausengespräche unter den Klassenkameraden um Nomis Verschwinden. Karl war sich wohltuend wichtig vorgekommen, eine Neuigkeit als selbst Betroffener zum Erzählen zu haben, und entsprechend genussvoll verbreitete er sich auch über das Unrecht, das seiner Familie hier zugefügt worden war. Besondere Würze an Spannung erhielt das Ganze noch durch das Gerücht, der Vater habe zuvor einen Einbruch oder einen Raub begangen und sei viel eher deshalb so Hals über Kopf aufgebrochen und nicht so sehr, um Gulachs um die ausstehende Miete zu prellen. Dabei hatte Nomi selbst nur ein paar vereinzelte Fürsprecher, die sie davor in Schutz nahmen, mit ihrem Vater in einen Topf geworfen zu werden, und die sie eher dafür bedauerten, an einen solchen Schurken gekettet zu sein. Die meisten hielten sie einfach für ihres Vaters Komplizin und beteiligten sich eifrig an Karls Empörung und Rudolphs inbrünstigen Schimpftiraden. Beide hatten ein offensichtliches Vergnügen an dieser vermeintlichen Bestätigung ihrer von Anfang an vertretenen Ansicht und triumphierten lautstark.
Johannes bekam gleich noch seinen Teil ab, indem die beiden und noch eine Handvoll anderer nicht an Hohn und Spott für seine Parteilichkeit sparten.
Agnes und Elsa waren es vor allem, die auf Nomis Seite waren und den Jungs Widerworte gaben. „Mir tut sie bloß leid“, sagte Agnes, „und außerdem kann man sich auch wirklich Sorgen machen, was mit ihr wird. Jetzt hat sie ja vielleicht überhaupt niemanden mehr in der Nähe, der ihr helfen würde, wenn’s mal ganz schlimm kommt!“ - „Und ich find’s einfach schade, dass sie nicht mehr da ist“, ließ Elsa sich hören. „Sie war irgendwie... irgendwie was Besonderes, finde ich.“
Fritz hielt sich aus diesen Diskussionen ganz heraus. Er stand stumm und unglücklich dabei und schaute immer wieder verunsichert auf Johannes, besonders, als man dem eine besondere Zuneigung für das verschollene Mädchen nachsagte und sich darüber köstlich amüsierte. Er bewunderte ihn dafür, wie er sich gar nicht provozieren, aber ebenso wenig sich in seiner Meinung erschüttern ließ. Aber Fritz litt auch mehr denn je unter dem Gefühl der Eifersucht, das sich schon eine Weile in ihm breit gemacht hatte, seit er mit der Intuition des Abhängigen die Anziehungskraft bemerkt hatte, die Nomi auf den Freund ausübte. Das, zusammen mit den Gerüchten, dieser werde die Schule wechseln, ließ ihn sich auf ohnmächtige Weise verlassen fühlen und war dafür verantwortlich, dass seine eigene Einstellung zu dem fremden Mädchen sich gewandelt hatte: von einer anfänglichen Verwandtschaftlichkeit, die auf der gemeinsamen Erfahrung von Ausgrenzung und Gewalt beruhte, schlug diese um in ein hilfloses Neidgefühl. Das lag nicht nur an der Beobachtung von Johannes’ Faszination sondern auch daran, dass er an Nomi eine Souveränität und Kraft wahrnahm, ihre Leiden zu tragen, die ihm vollkommen abgingen. Und so kam es, dass er schließlich dem Menschen, mit dem ihn eine leidensgenossenschaftliche Solidarität hätte verbinden können, mit stiller Abneigung gegenüberstand und er nun nicht unglücklich über dessen Entfernung aus seiner Welt war. Nur als er sah, wie traurig Johannes deswegen war, und wie eingenommen von den Gedanken daran, kamen ihm Zweifel, ob die abwesende Nomi ihn ihm am Ende sogar noch vollständiger streitig machen würde als die anwesende.
Nach ein paar Tagen waren Herrn Mäuthis‘ Bemühungen, durch Nachfragen an anderen Schulen und bei der Polizei etwas über Nomis Verbleib herauszufinden, gescheitert. Bei der Polizei hatte man ihm glatt ins Gesicht gelacht: Ob er denn eine ungefähre Vorstellung davon habe, wie viel Tausende misshandelter Kinder, wie viele Schulschwänzer und wie viele Mietnomaden es in diesen Zeiten gebe, die, nachdem sie ihre Vermieter um ihre Mieten geprellt hätten, unauffindbar in irgendeinem anderen Winkel der zahllosen unübersichtlichen Elendsviertel verschwänden - ob er denn im Ernst von der Polizei erwarte, dass sie nach jedem einzelnen dieser Leute suche? – Daraufhin beschloss Johannes, nicht mehr länger damit zu warten, seine selbstauferlegte Sisyphusaufgabe in Angriff zu nehmen und sich auf eigene Faust auf die Suche zu begeben.
Inzwischen hatten die versprochenen Nachhilfestunden bei Herrn Mäuthis schon begonnen. Er hatte dafür plädiert, schon vor den großen Ferien damit anzufangen, um nur ja keine Zeit zu verlieren und so viel wie möglich von dem versäumten Stoff der ersten beiden Gymnasialjahre aufzuholen. Zum Glück hatte er, seinem eigenen Wissensdurst sei Dank, alles wahrgenommen, was einem Volksschullehrer an Aus- und Weiterbildung angeboten wurde, so dass er, in seinem Berufsstand durchaus keine Selbstverständlichkeit, unter anderem auch Latein gelernt hatte und zumindest die Anfangsgründe problemlos unterrichten konnte.
So ging Johannes denn an zwei oder drei Nachmittagen in der Woche, wenn er seine übrigen Pflichten erledigt hatte, um auf den Fersen seiner künftigen Schulkameraden neues Gebiet zu betreten und die ersten Schritte in Wissensfeldern zu tun, von denen er bislang allenfalls nur ganz entfernt gehört und sich kaum eine klare Vorstellung gemacht hatte.
Immer aber, wenn ihm zwischen all seinen alten und neuen Aktivitäten ein zusammenhängendes Stück Zeit blieb, machte er sich auf und durchstreifte nach einem vorher zurechtgelegten System verschiedene Gegenden der Stadt; lief bis in die letzten, düstersten, feucht-kühl-übelriechendsten Winkel der letzten Hinterhöfe, fragte die Leute, die er antraf, ob sie etwas von einem solchen neu aufgetauchten Vater-Tochter-Paar wüssten, wie es Nomi und Herr Beatritsch darstellten. Ab und zu kam es vor, dass er von fern eine Mädchenfigur erspähte und sich mit heftigem Hoffnungserschrecken fast sicher war, sie endlich gefunden zu haben. Immer aber stellte sich im Näherkommen bald heraus, dass sie mit Nomi, außer dass sie klein, schmächtig, dunkelhaarig und schäbig gekleidet waren, nicht auch nur die geringste Ähnlichkeit hatten.
Solche Fehlschläge ließen von Mal zu Mal mehr seine Energie für die aussichtslose Unternehmung erlahmen, bis er irgendwann bemerkte, dass er schon tagelang nicht mehr losgezogen war und sich stattdessen regelmäßig durch andere Beschäftigungen davon abhalten ließ. Da zuckte er resigniert die Achseln und fand sich mit der Schlussfolgerung ab, dass es ja sowieso zu nichts führen würde, und die gezielten Expeditionen ganz einstellte. Den auf Schritt und Tritt suchenden, prüfenden Blick allerdings, bei jedem Gang durch die Straßen der Stadt, behielt er noch lange, lange bei. Denn die Traurigkeit über den Verlust verging keineswegs zusammen mit der Motivation zur Suche, wenn sie auch mit der Zeit in tiefere Schichten seines Bewusstseins sank, wie Meeressand, der mit jedem Windstoß, jedem Regen mehr in den Lücken und Ritzen zwischen Fels und grobem Gestein verrieselt, bis er kaum noch zu sehen ist, aber doch Grund und Fundament für jeden Schritt bildet, der darüber hin geht.
Das Erlebnis jedoch der Berührung mit einem anderen Menschen, dieser andere Mensch ein Mädchen, und gerade dieses Mädchen mit genau dieser Mischung von Eigenschaften, in der Hilfsbedürftigkeit und Überlegenheit sich zu eben der einzigartigen Persönlichkeit verbanden, die wiederum etwas genauso Einzigartiges in ihm zutiefst angesprochen und zum Klingen gebracht hatte, diese Ahnung einer möglichen Menschenliebe, tief und rund, schrieb sich unmerklich, aber unauslöschlich ein in das unverwechselbare Muster seines Lebens, und blieb mit der ganz bestimmten Tönung von Licht, Klang und Aroma, die jenen Nachmittagsstunden am Wasserlauf eigen gewesen war, in ihm bewahrt. Als sie Jahre später im Religionsunterricht das Hohelied König Salomons lasen („Schön bist du, meine Freundin, ja, du bist schön. Hinter dem Schleier deine Augen...“), war es das beinahe ins Vergessen herabgesunkene Bild von Nomi am Flussufer, das ihm die Beschreibungen der schönen Shulamith vor sein inneres Auge riefen.