Читать книгу Der Shaolin - Karl-Heinz Jonas - Страница 3
Prolog
ОглавлениеLi Nings Eltern waren bereits kurz nach seiner Geburt ums Leben gekommen. Da es sonst niemanden gab, der sich seiner hätte annehmen können, nahm ihn der Bruder seiner Mutter, ein Mönch, mit in sein Kloster, um ihn dort aufwachsen zu lassen.
Im Kloster von Shaolin lebten ausschließlich Männer. Doch da Li Ning seine Mutter niemals kennengelernt hatte, die damit einhergehende intensive Beziehung also auch nicht vermisste, bereitete ihm diese Tatsache keinerlei Schwierigkeiten, zumal sich die Mönche rührend um ihn kümmerten. Alle gaben sich große Mühe, ihn das Fehlen seiner Eltern nicht spüren zu lassen.
So wuchs er auch ohne Eltern in Liebe und Geborgenheit auf. Er lernte alles, was ein zukünftiger Mönch des Klosters von Shaolin wissen und können musste. Dazu gehörten Lesen und Schreiben ebenso wie die Naturwissenschaften und – selbstverständlich – Religion. Ihn wurde gelehrt, dass das Leben in jeglicher Form seinen Platz in der Natur besitzt und deshalb akzeptiert und erhalten werden muss. Und Li Ning nahm sich vor, immer danach zu handeln.
Die Mönche von Shaolin waren aufgrund ihrer Jahrhunderte lang geheim gehaltenen Kampfkunst, des Kung Fu, bereits zur Legende geworden.
Das Kung Fu, eine perfekte Art des Zusammenspiels von Körper und Geist, beinhaltete in erster Linie den Einsatz des eigenen Körpers zur Abwehr von Angriffen sowohl imaginärer als auch realistischer Gegner, aber auch als Waffe. Dabei werden nahezu alle Körperteile eingesetzt. Doch auch die Handhabung von Hieb- und Stichwaffen wurde im Verlauf von Jahrhunderten zu einem festen Bestandteil des Kung Fu und von den Mönchen ebenfalls zur Perfektion geführt.
Da die Mönche von Shaolin im Kampf sowohl mit als auch ohne Waffen allen chinesischen Soldaten weit überlegen waren, wurden sie immer wieder vom allmächtigen Herrscher des gesamten Reiches der Mitte, dem Kaiser, um Beistand gebeten. Und nie wurden sie besiegt!
Irgendwann begannen auch andere Klöster, sich für das Kung Fu zu interessieren, und die Mönche von Shaolin verweigerten ihren Glaubensbrüdern den Einblick in die Geheimnisse ihrer Kampfkunst nicht länger.
Als Li Ning das Jugendalter erreicht hatte, bereitete ihm der Kung Fu–Unterricht mehr und mehr Freude, ja das harte Training begeisterte ihn geradezu. Aus diesem Grund war er immer mit vollem Einsatz dabei.
Hong Shu, der Meister des Shaolin-Klosters, bemerkte recht bald, mit welchem Eifer Li Ning bei der Sache war. Auch blieb ihm nicht verborgen, welch ungewöhnliche Voraussetzungen der Junge besaß. Seine Bewegungen waren schon jetzt schneller als die der meisten Erwachsenen. Er hatte ein ausgeprägtes Bewegungsgefühl und erlernte auch komplizierteste Bewegungsabläufe scheinbar spielend. Sein Körper schien schmerzunempfindlich zu sein, und er war sehr ehrgeizig! Techniken, ob einfacher oder anspruchsvoller Art, übte er so lange, bis sowohl der Meister als auch er selbst mit der Ausführung zufrieden waren. Da war es nicht verwunderlich, dass Li Ning schon bald zum Lieblingsschüler Hong Shus wurde.
Niemand neidete es ihm. Als Li Ning achtzehn Jahre zählte gab es im Kloster von Shaolin, mit Ausnahme des Meisters selbst, niemanden mehr, der ihm im Kampf ebenbürtig war.