Читать книгу Gesammelte Wildwestromane & Geschichten von Karl May - Karl May - Страница 11

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»Uff, uff! Er selbst?«

»Ja, er und sein Sohn Winnetou.«

»Uff, auch dieser! Hätten wir das gewußt, so wären diese beiden Hunde gefangen worden! Sie werden nun eine ganze Menge Krieger versammeln, um uns zu empfangen. Ich muß dies dem Häuptling sagen, damit er halten bleibt und noch mehr Krieger nachkommen läßt. Werden Sam und Old Shatterhand mit mir reiten?«

»Ja.«

»So mögen sie rasch ihre Pferde besteigen!«

»Nur langsam! Ich habe vorher noch sehr notwendig mit dir zu reden.«

»Das magst du mir unterwegs sagen.«

»Nein. Ich werde mit dir reiten, aber nicht zu Tangua, dem Häuptlinge der Kiowas, sondern du wirst mich nach unserem Lager begleiten.«

»Mein Bruder Sam irrt sich da sehr.«

»Nein. Höre, was ich dir sage! Wollt ihr Intschu tschuna, den Häuptling der Apachen, lebendig fangen?«

»Uff!« rief der Kiowa wie elektrisiert, und seine Leute spitzten die Ohren.

»Und seinen Sohn Winnetou dazu?«

»Uff, uff! Ist das denn möglich?«

»Es ist sehr leicht.«

»Ich kenne meinen Bruder Sam, sonst würde ich glauben, auf seiner Zunge wohne jetzt ein Scherz, den ich nicht dulden darf.«

»Pshaw! Ich spreche im Ernste. Ihr könnt den Häuptling und seinen Sohn lebendig fangen.«

»Wann?«

»Ich glaubte, in fünf, sechs oder sieben Tagen; nun aber weiß ich, daß es viel früher geschehen kann.«

»Wo?«

»Bei unserm Lager.«

»Ich weiß nicht, wo es sich befindet.«

»Ihr werdet es sehen, denn ihr werdet uns sehr gern hinbegleiten, wenn ihr gehört habt, was ich euch jetzt sagen will.«

Er erzählte ihnen nun von unserer Sektion, von dem Zwecke derselben, gegen den sie ganz und gar nichts hatten, und dann von dem Zusammentreffen mit den beiden Apachen. Hieran fügte er die Bemerkung:

»Ich wunderte mich, die beiden Häuptlinge allein zu sehen, und nahm an, daß sie sich auf der Büffeljagd befänden und sich für kurze Zeit von ihren Kriegern getrennt hätten. Nun aber weiß ich sehr genau, woran ich bin. Die beiden Apachen sind bei euch gewesen, um zu kundschaften. Und daß sie, die Obersten der Apachen, diesen Ritt selbst gemacht haben, ist ein sicheres Zeichen dafür, daß sie diese Sache für höchst wichtig halten. Nun sind sie heim. Der Ritt Winnetous wird durch die Leiche verzögert; Intschu tschuna ist vorausgeeilt und wird, wenn es sein muß, sein Pferd totreiten, um seine Krieger schnell beisammen zu haben.«

»Darum muß ich unsern Häuptling ebenso schnell davon benachrichtigen!«

»Mein Bruder mag nur warten und mich aussprechen lassen! Die Apachen werden nach zweierlei Rache dürsten, nach Rache an euch und nach Rache an uns, wegen der Ermordung ihres weißen Klekih-petra. Sie werden eine größere Schar gegen euch und eine kleinere gegen uns senden, und bei der letzteren wird sich der Häuptling mit seinem Sohne befinden, um dann mit ihm, wenn er uns überfallen hat, zu der größeren Abteilung zu stoßen. Du reitest jetzt zu deinem Häuptlinge, nachdem ich dir unser Lager gezeigt habe, damit du es später finden kannst, und sagst ihm alles, was ich dir erzählt habe. Darauf kommt ihr mit euren zweihundert Kriegern zu uns, um Intschu tschuna mit seiner kleinen Schar zu erwarten und gefangen zu nehmen. Ihr seid zweihundert Krieger, und er wird nicht mehr als höchstens fünfzig mitbringen. Wir zählen zwanzig weiße Männer und werden euch natürlich helfen; es wird euch also kinderleicht sein, die Apachen zu überwältigen. Wenn ihr dann die beiden Häuptlinge in den Händen habt, ist dies grad so gut, als ob der ganze Stamm euch gehörte, und ihr könnt fordern und verlangen, was ihr wollt. Sieht mein Bruder dies alles ein?«

»Ja. Der Plan meines Bruders Sam ist sehr gut. Wenn der Häuptling ihn erfährt, wird er sich freuen, und wir werden schnell danach handeln.«

»So wollen wir aufbrechen und schnell reiten, damit wir noch vor Nacht das Lager erreichen!«

Wir stiegen auf die Pferde, die nun ausgeruht hatten, und flogen im Galopp davon. Diesmal hüteten wir uns, der Fährte wieder direkt zu folgen; wir ritten geradeaus und ersparten uns also die Umwege.

Ich muß sagen, daß ich von Sams Verhalten gar nicht erbaut war, sondern mich vielmehr über dasselbe ärgerte. Winnetou, der edle Winnetou sollte mit seinem Vater und mit einer Schar von wohl fünfzig Kriegern in eine Falle gelockt werden! Wenn dies gelang, dann waren diese beiden und ihre Apachen verloren. Wie hatte Hawkens dies nur vorschlagen können! Er wußte ja, wie sympathisch mir Winnetou war, denn ich hatte es ihm gesagt, und ich wiederum wußte von ihm, daß er dem jungen Apachenhäuptlinge auch gewogen war.

Alle meine Bemühungen, unterwegs an ihn zu kommen und ihn für auch nur kurze Zeit von den Kiowas abzubringen, waren vergeblich. Ich wollte ihn, ohne daß sie es hörten, von seinem Plane weg-und auf einen andern führen; aber er schien dies zu ahnen und wich nicht von der Seite des Anführers der Kundschafter. Dies machte mich noch zorniger auf ihn, und wenn ich, der ich nicht die geringste Anlage zur Launenhaftigkeit besitze, jemals bei schlechter Laune gewesen bin, so war es an jenem Tage, als wir in der Dämmerung im Lager ankamen. Ich stieg vom Pferde, schirrte es ab und legte mich mißmutig ins Gras, denn ich mußte einsehen, daß ich es jetzt zu einem Meinungsaustausch mit Sam nicht bringen könne. Er hatte alle meine Winke unbeachtet gelassen und erzählte jetzt den Lagergenossen, wie wir den Kiowas begegnet waren und was nun geschehen sollte. Sie waren anfangs über das Erscheinen der Indianer erschrocken gewesen; um so mehr freuten sie sich nun, als sie hörten, daß diese unsere Freunde und Verbündete seien und wir nun wegen der Apachen nicht länger Sorge zu hegen brauchten. Wir konnten, von den zweihundert Kiowas umgeben und beschützt, unsere Arbeit fortsetzen und überzeugt sein, daß der erwartete Ueberfall uns gar nichts schaden werde.

Die Kiowas wurden gastlich behandelt, bekamen tüchtig Bärenfleisch zu essen und ritten dann fort. Sie wollten die ganze Nacht unterwegs sein, um den Ihrigen die Botschaft so bald wie möglich zu bringen. Dann erst, als sie fort waren, kam Sam zu mir, legte sich neben mich hin und sagte in seinem gewöhnlichen überlegenen Tone:

»Ihr macht heut abend gar kein gutes Gesicht, Sir. Muß eine Störung zugrunde liegen, entweder der Verdauung oder der seelischen Eingeweide, hihihihi. Welches von beiden wird wohl das richtige sein. Glaube, das letztere. Nicht?«

»Allerdings!« antwortete ich nicht eben freundlich.

»So taut Euer Herz auf, und sagt mir, woran es ist! Werde Euch kurieren.«

»Sollte mir lieb sein, wenn Ihr das könntet, Sam; zweifle aber daran.«

»Ich kann es, ich kann es; darauf dürft Ihr Euch verlassen.«

»So sagt einmal, Sam, wie Euch Winnetou gefallen hat?«

»Ausgezeichnet. Euch doch auch!«

»Und Ihr wollt ihn in das Verderben stürzen! Wie hängt das zusammen?«

»Ins Verderben? Ich ihn? Das ist dem Sohne meines Vaters gar nicht eingefallen.«

»Aber er soll gefangen werden!«

»Allerdings.«

»Und das wird sein Verderben sein!«

»Glaubt doch nicht an Gespenster, Sir! Winnetou gefällt mir so, daß ich, wenn er sich in einer Gefahr befände, sofort und gern mein Leben wagen würde, ihn aus derselben zu befreien.«

»Warum aber lockt Ihr ihn da in die Falle?«

»Um uns vor ihm und seinen Apachen zu retten.«

»Und dann?«

»Dann, hm! Ihr möchtet Euch wohl zu gern dieses jungen Apachen annehmen, Sir?«

»Ich möchte nicht bloß, sondern ich werde es wirklich tun! Wenn er gefangen wird, werde ich ihn befreien. Und wenn etwa gar die Waffen gegen ihn gebraucht werden sollen, so stelle ich mich auf seine Seite und kämpfe für ihn. Das will ich Euch offen und ehrlich sagen.«

»So? Das werdet Ihr tun? Wirklich?«

»Ja; ich habe es einem Sterbenden in die Hand versprochen, und ein solches Gelöbnis ist mir, der ich selbst ein einfaches, gewöhnliches Versprechen nie breche, so heilig wie ein Eid.«

»Freut mich, freut mich sehr. Stimmen da ganz genau überein, wir beide.«

»Aber,« drängte ich nun ungeduldig, »so sagt mir doch, wie diese Eure schönen Reden mit Euern bösen Vorsätzen in Einklang gebracht werden können!«

»Das also möchtet Ihr wissen? Hm, ja, Euer alter Sam Hawkens hat gar wohl bemerkt, daß Ihr unterwegs gern mit ihm reden wolltet. Durfte aber nicht sein; hätte mir meinen ganzen, schönen Plan zu Schanden machen können. Bin ein ganz anderer Kerl und meine es auch ganz anders, als es scheint. Will nur nicht jeden in meine Karte gucken lassen, hihihihi! Euch kann ich es mitteilen; werdet mir mithelfen, und Dick Stone und Will Parker auch, wenn ich mich nicht irre. Also: Wie ich Intschu tschuna beurteile, ist er nicht etwa mit Winnetou einstweilen bloß auf Kundschaft gewesen, sondern hat inzwischen rüsten und seine Krieger ausrücken lassen. Die sind jedenfalls schon ein tüchtiges Stück vorgedrungen, und da er, wie auch Winnetou, die ganze Nacht hindurch reitet, vermute ich, daß er schon morgen früh oder Vormittag auf sie trifft, sonst würde er sein Pferd nicht so anstrengen. Uebermorgen abend kann er dann schon wieder hier sein. Da seht Ihr, in welcher Gefahr wir uns befinden und wie nahe sie uns ist. Wie gut also, daß wir ihm nachgeritten sind! Ich hätte ihn auf keinen Fall so bald zurückerwartet. Und wie gut, daß wir die Kiowas getroffen und von ihnen alles erfahren haben! Die holen ihre zweihundert Reiter her und «

»Ich werde Winnetou vor den Kiowas warnen,« fiel ich ihm in die Rede.

»Um des Himmels willen nicht!« rief er aus. »Das würde uns nur schaden, denn die Apachen entkämen und wir behielten sie dann trotz der Kiowas auf dem Nacken. Nein, sie müssen wirklich gefangen genommen werden und ihren Tod vor Augen sehen. Wenn wir sie dann heimlich befreien, so müssen sie uns dankbar sein und ihre Rache aufgeben. Höchstens werden sie nur Rattlern von uns fordern und den würde ich ihnen nicht verweigern. Was sagt Ihr nun, Ihr zorniger Gentleman?«

Ich reichte ihm die Hand und antwortete:

»Ich bin vollständig beruhigt, mein lieber Sam; das habt Ihr sehr gut ausgedacht!«

»Nicht wahr? Der Sam Hawkens soll zwar, wie ein gewisser jemand gesagt hat, Feldmäuse fressen, aber er hat auch seine guten Seiten, hihihihi! Also, Ihr seid mir wieder gut?«

»Ja, alter Sam.«

»So legt Euch auf die Ohren und schlaft bald ein. Morgen gibt es viel zu tun. Ich will nun Stone und Parker unterrichten, damit auch sie wissen, woran sie sind.«

War er nicht ein lieber, guter Kerl, dieser alte Sam Hawkens? Uebrigens wenn ich “alt” sage, so ist das nicht ganz wörtlich zu nehmen. Er zählte gar nicht viel über vierzig Jahre; aber der Bartwald, welcher sein Gesicht fast ganz bedeckte, die schreckliche Nase, welche wie ein Aussichtsturm aus demselben hervorragte, und der wie aus steifen Brettern zusammengenagelte Lederrock, welchen er trug, ließen ihn viel älter erscheinen, als er war.

Ueberhaupt wird eine Bemerkung über das Wort old, alt, hier am Platze sein. Auch wir Deutschen bedienen uns dieses Wortes nicht bloß zur Bezeichnung des Alters, sondern oft auch als sogenanntes Kosewort. Eine “alte, gute Haut”, ein “alter, guter Kerl” braucht gar nicht alt zu sein; man hört im Gegenteile oft sehr jugendliche Personen so nennen. Und auch noch eine andere Bedeutung hat dieses Wort. Es kommen im gewöhnlichen Verkehre Ausdrücke vor wie: ein alter Lüdrian, ein alter Brummbär, ein alter Wortfänger, ein alter Faselhans. Hier dient “alt” als Bekräftigungs-oder gar als Steigerungswort. Die Eigenschaft, welche durch das Hauptwort ausgedrückt wird, soll noch besonders bestätigt oder als in höherem Grade vorhanden hervorgehoben werden.

Grad so wird auch im wilden Westen das Wort Old gebraucht. Einer der berühmtesten Prairiejäger war Old Firehand. Nahm er seine Büchse einmal in die Hand, so war das Feuer derselben stets todbringend; daher der Kriegsname Feuerhand. Das vorangesetzte Old sollte diese Treffsicherheit besonders hervorheben. Auch dem Namen Shatterhand, den ich bekommen hatte, wurde später stets dieses Old beigegeben.

Nachdem Sam sich entfernt hatte, versuchte ich, zu schlafen, doch brachte ich es lange nicht dazu. Die Lagergenossen waren ganz glücklich über das bevorstehende Eintreffen der Kiowas und behandelten dasselbe in einem so lauten Gespräche, daß es eine Kunst war, dabei einzuschlafen; auch ließen mich meine eigenen Gedanken nicht zur Ruhe kommen. Hawkens hatte so zuversichtlich von seinem Plane gesprochen, als ob ein Mißlingen desselben vollständig ausgeschlossen sei; ich aber vermochte es nicht, mich dieser Meinung beizugesellen. Wir wollten Winnetou und seinen Vater befreien. Ob auch die andern gefangenen Apachen, das war nicht gesagt worden. Sollten sie in den Händen der Kiowas bleiben, während ihre beiden Häuptlinge gerettet wurden? Das kam mir wie ein Unrecht vor. Aber die Befreiung sämtlicher Apachen konnte uns vier Männern wohl schwer oder gar nicht gelingen, besonders da es so heimlich geschehen mußte, daß kein Verdacht auf uns fallen konnte. Und auf welche Weise würden die Apachen in die Hände der Kiowas geraten? So fragte ich mich. Ohne Kampf wohl nicht, und da war vorauszusehen, daß gerade die beiden, welche wir retten wollten, sich am tapfersten wehren und also der Todesgefahr am meisten ausgesetzt sein würden. Wie konnten wir das verhindern? Wenn sie sich nicht überwältigen, nicht gefangen nehmen ließen, so würden sie, wie vorauszusehen war, von den Kiowas getötet; dies durfte aber auf keinen Fall geschehen.

Ich sann lange darüber nach und wälzte mich hin und her, ohne einen Ausweg zu finden. Der einzige Gedanke, welcher mich schließlich einigermaßen beruhigte, war der, daß der kleine, listige Sam wohl Rettung finden werde. Auf alle Fälle aber nahm ich mir vor, für die beiden Häuptlinge einzutreten und sie nötigenfalls sogar mit meinem Körper zu decken. Dann schlief ich endlich ein.

Am nächsten Morgen beteiligte ich mich mit doppeltem Eifer an der Arbeit, weil ich gestern bei derselben gefehlt hatte. Da jeder sich Mühe gab, so rückten wir viel schneller vorwärts als sonst. Rattler hielt sich fern von uns. Er bummelte beschäftigungslos hin und her, wurde aber von seinen “Westmännern” ganz freundlich behandelt, als ob gar nichts vorgekommen wäre. Dies brachte mich zu der Ueberzeugung, daß wir, falls es noch einmal zu einem Konflikt mit ihm kommen sollte, wenig auf sie rechnen könnten. Am Abende hatten wir, obgleich das Terrain heut schwieriger als während der letzten Tage gewesen war, eine fast doppelt so lange Strecke als sonst vermessen. Darum wurden wir sehr ermüdet und legten uns nach dem Abendessen zeitig schlafen. Das Lager war natürlich weiter vorgeschoben worden.

Am nächsten Tage waren wir ebenso fleißig, bis es zu Mittag eine Störung gab, es stellten sich nämlich die Kiowas ein. Ihre Kundschafter hatten sich von dem Lagerplatze, an welchem sie bei uns gewesen waren, leicht zu uns finden können, weil die Spuren, welche wir zurückgelassen hatten, mehr als deutlich waren.

Diese Indianer zeigten kräftige, kriegerische Gestalten; sie waren sehr gut beritten und alle ohne Ausnahme mit Gewehr, Messern und Tomahawks bewaffnet. Ich zählte über zweihundert Mann. Ihr Anführer war von wirklich imposantem Wuchse, hatte strenge, finstere Gesichtszüge und ein paar Raubtieraugen, denen nichts Gutes zuzutrauen war. Es sprach die offenbarste Raub-und Kampfeslust aus ihnen. Er hieß Tangua, ein Wort, welches wörtlich Häuptling bedeutet. Daraus war zu schließen, daß er als Häuptling jedenfalls keinen Vergleich zu scheuen brauche. Wenn ich sein Gesicht und seine Augen sah, so wollte es mir um Intschu tschuna und Winnetou, falls sie wirklich in seine Hände geraten sollten, angst und bange werden.

Er kam als unser Freund und Verbündeter, verhielt sich aber keineswegs sehr freundlich gegen uns. Sein Auftreten war, um mich eines Vergleiches zu bedienen, dasjenige eines Tigers, der sich mit einem Leoparden zur Jagd vereint, um ihn nach derselben auch mit aufzufressen. Er hatte sich mit dem “Fuchse”, dem Anführer seiner Kundschafter, an der Spitze der roten Schar befunden und stieg, als er bei uns anlangte, nicht etwa ab, um uns zu begrüßen, sondern machte eine befehlende Armbewegung, auf welche wir von seinen Leuten umzingelt wurden. Dann ritt er zu unserm Wagen und hob die Plane auf, um hineinzublicken. Der Inhalt schien ihn anzuziehen, denn er stieg vom Pferde und in den Wagen, um das, was sich auf und in demselben befand, zu untersuchen.

»Oho!« meinte da Sam Hawkens, welcher an meiner Seite stand. »Der scheint uns und unser Eigentum als gute Beute zu betrachten, ehe er überhaupt ein Wort mit uns gesprochen hat, wenn ich mich nicht irre. Wenn er etwa glaubt, daß Sam Hawkens so dumm ist, sich den Bock als Gärtner zu bestellen, so irrt er sich. Das werde ich ihm gleich zeigen.«

»Keine Unvorsichtigkeit, Sam!« bat ich. »Diese zweihundert Kerls sind uns überlegen.«

»An Zahl, ja, an Witz aber jedenfalls nicht, hihihihi!« antwortete er.

»Aber sie haben uns umzingelt!«

»Well, das sehe ich auch. Oder denkt Ihr, daß ich keine Augen habe? Wir haben uns da, wie es scheint, keine guten Helfershelfer kommen lassen. Daß er uns eingeschlossen hat, läßt vermuten, daß er uns mitsamt den Apachen in die Tasche stecken oder gar auffressen will. Dieser Bissen sollte ihm aber schwer im Magen liegen; das versichere ich Euch. Kommt mit hin zum Wagen, damit Ihr hört, wie Sam Hawkens mit solchen Spitzbuben redet! Bin ein guter Bekannter von Tangua und er weiß, wenn er mich auch nicht schon gesehen hätte, ganz genau, daß ich mich hier befinde. Sein Verhalten ist also nicht nur ärgerlich für mich, sondern Verdacht erregend für uns alle. Seht nur die martialischen Gesichter, welche seine Kerls auf uns machen! Werde ihnen gleich zeigen, daß Sam Hawkens hier am Platze ist. Also kommt!«

Wir hatten unsere Gewehre in den Händen und gingen zu dem Wagen, in welchem Tangua herumstöberte. Mir war nicht ganz wohl dabei. Dort angekommen, fragte Sam in warnendem Tone:

»Hat der berühmte Häuptling der Kiowas Lust, in einigen Augenblicken in die ewigen Jagdgründe zu gehen?«

Der Gefragte, welcher uns den Rücken zukehrte, richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf, drehte sich zu uns herum und antwortete grob:

»Warum stören mich die Bleichgesichter mit dieser albernen Frage? Tangua wird einst in den ewigen Jagdgründen als großer Häuptling herrschen; aber es muß noch eine lange Zeit vergehen, ehe er den Weg dorthin macht.«

»Diese Zeit wird vielleicht nur eine Minute sein.«

»Warum?«

»Steig herab vom Wagen, so werde ich es dir sagen; aber mach ja schnell!«

»Ich bleibe hier!«

»Gut, so flieg in die Luft!«

Sam wendete sich nach diesen Worten ab und tat so, als ob er sich entfernen wolle. Da aber kam der Häuptling mit einem raschen Sprunge vom Wagen herunter, faßte ihn am Arme und rief:

»In die Luft fliegen? Warum redet Sam Hawkens solche Worte?«

»Um dich zu warnen.«

»Vor was?«

»Vor dem Tod, der dich ergriffen hätte, wenn du nur noch einige Augenblicke da oben geblieben wärest.«

»Uff! Der Tod ist auf dem Wagen?«

»Ja.«

»Wo? Zeige ihn mir!«

»Später vielleicht. Haben dir deine Kundschafter nicht gesagt, weshalb wir uns hier befinden?«

»Ich habe es von ihnen erfahren. Ihr wollt einen Weg für das Feuerroß der Bleichgesichter bauen.«

»Richtig! So ein Weg geht über Flüsse und Abgründe und durch Felsen, welche wir auseinander sprengen. Ich denke, daß du das wissen wirst.«

»Ich weiß es. Aber was hat das mit dem Tode zu tun, der mich bedroht haben soll?«

»Sehr viel, und weit mehr als du ahnst. Hast du vielleicht gehört, womit wir die Felsen sprengen, welche dem Pfade unseres Feuerrosses im Wege stehen? Etwa mit dem Pulver, mit welchem ihr aus euern Gewehren schießet?«

»Nein. Die Bleichgesichter haben eine andere Erfindung gemacht, mit welcher sie ganze Berge zersprengen können.«

»Richtig! Und diese Erfindung haben wir hier auf diesem Wagen. Sie ist zwar gut eingepackt, aber wer nicht weiß, wie so ein Paket angefaßt werden soll, der ist verloren, sobald er es berührt, denn es zerplatzt in seiner Hand und zerschmettert ihn in tausend kleine Stücke.«

»Uff, uff!« rief er aus, nun sichtlich erschrocken. »Bin ich diesen Paketen nahe gewesen?«

»So nahe, daß du, wenn du nicht herabgesprungen wärest, dich jetzt in diesem Augenblicke schon in den ewigen Jagdgründen befändest. Aber was wäre da von dir zu sehen? Keine Medizin, keine Skalplocke, nichts, gar nichts als nur kleine Fleisch-und Knochenstücke. Wie könntest du in solcher Gestalt als großer Häuptling in den ewigen Jagdgründen herrschen? Deine Ueberreste wären dort von den Geisterrossen vollends zermalmt und zertreten worden.«

Ein Indianer, welcher ohne Skalplocke und Medizin in die ewigen Jagdgründe gelangt, wird dort von den verstorbenen Helden mit Verachtung empfangen und hat, während sie in allen indianischen Genüssen schwelgen, sich vor den Augen dieser Glücklichen zu verbergen. Das ist der Glaube der Roten. Welches Unglück erst, in kleinen, auseinander geschmetterten Stücken dort anzukommen! Man sah trotz der dunkeln Farbe, daß dem Häuptlinge vor Schreck das Blut aus dem Gesichte wich, und er rief aus:

»Uff! Wie gut, daß du es mir noch zur rechten Zeit gesagt hast! Aber warum verwahrt ihr diese Erfindung auf dem Wagen, auf dem sich doch viele andere und so nützliche Dinge befinden?«

»Sollen wir diese wichtigen Pakete etwa auf die Erde legen, wo sie verderben und bei der geringsten Berührung das größte Unheil anrichten können? Ich sage dir, sie sind selbst auf dem Wagen da gefährlich genug. Wenn so ein Paket platzt, fliegt alles in die Luft, was sich in der Nähe befindet.«

»Auch die Menschen?«

»Natürlich auch die Menschen und die Tiere in einem Umkreise, welcher zehnmal hundert Pferdelängen beträgt.«

»Da muß ich meinen Kriegern sagen, daß keiner von ihnen sich diesem gefährlichen Wagen nähern soll.«

»Tue das; ich bitte dich darum, damit wir nicht alle zusammen wegen einer Unvorsichtigkeit zu Grunde gehen müssen! Du siehst, wie besorgt ich für euch bin, weil ich denke, daß die Krieger der Kiowas unsere Freunde sind. Es scheint aber, daß ich mich geirrt habe. Wenn Freunde sich treffen, so begrüßen sie sich und rauchen die Pfeife des Friedens miteinander. Willst du das heute etwa unterlassen?«

»Du hast doch schon mit dem Fuchse, meinem Späher, die Pfeife geraucht!«

»Nur ich und der weiße Krieger, der hier neben mir steht, die andern aber nicht. Willst du diese nicht auch begrüßen, so muß ich annehmen, daß eure Freundschaft für uns keine aufrichtige ist.«

Tangua sah eine Weile sinnend vor sich nieder und antwortete dann mit einer Ausrede:

»Wir befinden uns auf einem Kriegszuge und haben also nicht den Kinnikinnik des Friedens bei uns.«

»Der Mund des Häuptlings der Kiowas redet anders als sein Herz denkt. Ich sehe den Beutel des Kinnikinnik da an deinem Gürtel hängen, und er scheint voll zu sein. Wir brauchen ihn nicht, denn wir haben selbst Tabak genug bei uns. Es brauchen sich ja nicht alle am Calumet zu beteiligen; du rauchest für dich und deine Krieger, und ich rauche für mich und die hier anwesenden Weißen; dann gilt der Freundschaftsbund für alle Männer, welche sich hier befinden.«

»Warum sollen wir beide rauchen, die wir doch schon Brüder sind! Sam Hawkens mag annehmen, wir hätten das Calumet für alle geraucht.«

»Ganz wie du willst! Aber dann werden wir tun, was uns beliebt, und du wirst die Apachen nicht in deine Gewalt bekommen.«

»Willst du sie etwa warnen?« fragte Tangua, indem seine Augen gefährlich aufblitzten.

»Nein; das fällt mir nicht ein, den sie sind unsere Feinde und wollen uns töten. Aber ich werde dir nicht sagen, auf welche Weise du sie fangen kannst.«

»Dazu brauche ich dich nicht; ich weiß es selbst.«

»Oho! Ist dir bekannt, wann und aus welcher Richtung sie kommen und wo wir auf sie treffen können?«

»Ich werde es erfahren, denn ich sende ihnen Kundschafter entgegen.«

»Das wirst du nicht tun, denn du bist klug genug, dir zu sagen, daß die Apachen die Spuren deiner Kundschafter finden und sich auf den Kampf vorbereiten würden. Sie würden jeden Schritt mit größter Vorsicht tun, und da fragt es sich sehr, ob du sie in deine Hände bekämst, während sie nach dem Plane, den ich ausführen will, ganz unvorbereitet von euch eingeschlossen und gefangen genommen werden können, wenn ich mich nicht irre.«

Ich sah, daß diese Darlegung ihren Eindruck nicht verfehlte. Tangua erklärte nach einer kurzen Pause des Nachdenkens:

»Ich werde mit meinen Kriegern sprechen.«

Darauf entfernte er sich von uns. Er ging zu dem Fuchse, winkte noch einige Rote zu sich hin, und dann sahen wir, wie sie sich berieten.

»Damit, daß er erst mit den Kerlen reden will, gibt er zu, daß er in Beziehung auf uns nichts Gutes im Schilde führte,« sagte Sam.

»Das ist schlecht von ihm, da Ihr sein Freund seid und ihm nichts getan habt,« antwortete ich.

»Freund? Was nennt Ihr Freund bei diesen Kiowas! Sie sind Spitzbuben und leben nur vom Raube. Man ist nur so lange ihr Freund, als sie einem nichts nehmen können. Hier aber haben wir einen Wagen voll Viktualien und sonstigen Dingen, welche für die Roten großen Wert besitzen. Das haben die Kundschafter ihrem Anführer gesagt, und von diesem Augenblicke an war es beschlossene Sache, daß wir ausgeraubt werden sollten.«

»Und nun?«

»Nun? Hm, nun sind wir sicher.«

»Wenn es wahr wäre, sollte es mich freuen.«

»Ich denke, daß es wahr ist. Ich kenne diese Leute. Brillanter Gedanke von mir, diesem Kerl weiszumachen, daß wir so eine Art Giantpowder hier auf dem Wagen haben, hihihihi! Er sah alles, was sich darauf befand, schon als gute, sichere Prise an; sein erster Schritt war ja gleich hinauf. Jetzt bin ich überzeugt, daß kein Roter es wagen wird, etwas davon anzurühren. Ja, ich hoffe sogar, daß uns diese Furcht auch noch späterhin von Nutzen sein wird. Werde mir eine Büchse mit Oelsardinen einstecken und ihnen weismachen, daß sie einen Sprengstoff enthalte. Ihr habt ja auch schon eine bei Euch, mit den Papieren drin. Könnt Euch das für zukünftige Fälle merken.«

»Schön! Will hoffen, daß es dann auch die beabsichtigte Wirkung hat. Was meint Ihr nun aber hinsichtlich der Friedenspfeife?«

»Da war freilich ausgemacht, daß sie nicht geraucht werden sollte; nun aber denke ich, daß die Kerle sich anders besinnen werden. Mein Argument hat dem Häuptlinge eingeleuchtet und wird auch die andern überzeugen. Aber trauen dürfen wir ihnen trotzdem später nicht.«

»Da seht Ihr, Sam, daß ich vorgestern doch einigermaßen recht hatte. Ihr wolltet Euern Plan mit Hilfe der Kiowas ausführen und habt dadurch Euch und uns in ihre Gewalt gebracht. Ich bin neugierig, was daraus werden wird!«

»Nichts anderes als das, was ich erwarte; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Der Häuptling wollte uns freilich ausrauben und dann die Apachen auf eigene Faust empfangen. Nun aber muß er einsehen, daß sie zu schlau sind, sich in seiner Weise fangen und niedermetzeln zu lassen. Wie ich ihm selbst gesagt habe, würden sie die Spuren seiner Kundschafter, die er ihnen entgegenschicken müßte, entdecken, und dann könnte er warten, bis sie ihm wie blinde Prairiehühner in die Hände liefen. Jetzt sind sie fertig und er kommt. Nun wird es sich entscheiden.«

Die Entscheidung sahen wir schon, ehe er sich uns ganz genähert hatte, denn auf einige Zurufe des “Fuchses” zog sich der Kreis der Roten, von dem wir umgeben gewesen waren, auseinander und die Reiter stiegen von ihren Pferden. Wir waren also nicht mehr umzingelt. Tangua zeigte jetzt eine weniger finstere Miene als vorher:

»Ich habe mich mit meinen Kriegern beraten,« sagte er. »Sie sind mit mir einverstanden, daß ich das Calumet mit meinem Bruder Sam rauche; das soll dann für alle gelten.«

»Das habe ich erwartet, denn du bist nicht nur ein tapferer, sondern auch ein kluger Mann. Die Krieger der Kiowas mögen einen Halbkreis bilden und Zeugen sein, daß wir miteinander den Rauch des Friedens und der Freundschaft austauschen.«

So geschah es. Tangua und Sam Hawkens rauchten das Calumet unter den bereits kurz beschriebenen Zeremonien, und dann gingen wir Weißen alle von einem Roten zum andern, um ihm die Hand zu geben. Hierauf konnten wir annehmen, daß sie wenigstens für heut und die nächsten Tage keine feindseligen Absichten mehr gegen uns hegten. Wie und was sie später denken und tun würden, das konnten wir freilich nicht wissen.

Wenn ich gesagt habe, das Calumet oder die Friedenspfeife rauchen, so bediene ich mich des bei uns gebräuchlichen Ausdruckes. Der Indianer sagt nämlich nicht Tabak rauchen, sondern Tabak trinken. Er trinkt ihn eigentlich auch, denn wenn er nach indianischer Weise raucht, so schluckt er den Rauch hinunter, sammelt ihn im Magen an und gibt ihn dann in einzelnen, langsamen Stößen wieder von sich.

Hierin stimmt er eigentümlicherweise mit dem Türken überein, welcher auch nicht “Tabak rauchen” sagt. Tabak heißt im Türkischen tütün, Tabak oder Pfeife rauchen “tütün” oder “tschibuk itschmek”; itschmek aber heißt nicht rauchen, sondern trinken.

In wie hohem Ansehen übrigens die Tabakspfeife bei den Indianern steht, erhellt aus dem Umstande, daß sie z. B. in der Sprache der Jemesindianer und in allen Apachendialekten mit demselben Worte bezeichnet wird, das auch für Häuptling steht. Im Jemes heißt Häuptling Fui und Tabakspfeife Fuitschasch, im Apache Häuptling Natan und Tabakspfeife Natan-tsé. Dieses Tsé als Endung bedeutet Stein und zeigt ebensowohl auf irdene, gebrannte Pfeifen als auch auf solche hin, deren Kopf aus Stein gefertigt ist. Der Kopf einer jeden Pfeife, welche als Calumet benutzt wird, soll aus dem heiligen Ton geschnitten sein, dessen Fundort in Dakota liegt.

Nach der Herstellung dieses, wenigstens einstweiligen, guten Einvernehmens verlangte Tangua das Abhalten einer großen Beratung, an welcher alle Weißen teilnehmen sollten. Dies war mir unlieb, denn es hielt uns von der Arbeit ab, die doch so notwendig war. Darum bat ich Sam, dahin zu wirken, daß diese Beratung für den Abend aufgehoben werde, denn ich hatte gelesen und gehört, daß, wenn die Roten sich einmal bei einem solchen Palaver befinden, dieses, wenn keine Gefahr zum Schlusse desselben treibt, fast kein Ende zu nehmen pflegt. Hawkens sprach mit dem Häuptlinge und berichtete mir dann:

»Er geht als echter Indsman nicht von seinem Willen ab. Die Apachen sind noch lange nicht zu erwarten, und so verlangt er eine Sitzung, in welcher ich meinen Plan entwickeln und nach welcher jedenfalls tüchtig gegessen werden soll. Vorrat haben wir ja, und die Kiowas haben auch gedörrtes Fleisch genug auf ihren Packpferden mitgebracht. Glücklicherweise habe ich so viel erreicht, daß nur ich, Dick Stone und Will Parker teilzunehmen brauchen; ihr Andern sollt an eure Arbeit gehen dürfen.«

»Dürfen? Als ob wir dazu die Erlaubnis der Indsmen nötig hätten! Ich werde mich so gegen sie verhalten, daß sie erkennen, ich betrachte mich als vollständig unabhängig von ihnen.«

»Macht mir keinen Strich durch die Rechnung, Sir! Tut lieber so, als ob Ihr so etwas gar nicht merktet! Wir dürfen sie nicht gegen uns aufbringen, wenn alles gut gehen soll.«

»Aber ich möchte an der Beratung auch teilnehmen!«

»Ist gar nicht nötig.«

»Nicht? Ich denke das Gegenteil. Ich muß doch auch wissen, was beschlossen wird!«

»Das werdet Ihr dann sofort erfahren.«

»Aber wenn Ihr Euch etwas vornehmt, was ich nicht gutheißen kann?«

»Gutheißen? Ihr? Seht doch einmal dieses Greenhorn an! Bildet sich wahrscheinlich ein, das, was Sam Hawkens beschließt, erst genehmigen zu müssen! Soll Euch wohl auch erst um die Erlaubnis bitten, wenn ich es für gut halte, mir meine Fingernägel zu beschneiden oder meine Stiefel auszubessern?«

»So war es natürlich nicht gemeint. Ich möchte nur sicher sein, daß nichts beschlossen wird, bei dessen Ausführung das Leben unserer beiden Apachen gefährdet ist.«

»Was das betrifft, so könnt Ihr Euch auf Euren alten Sam Hawkens verlassen. Ich gebe Euch mein Wort, daß sie mit vollständig heiler Haut davonkommen werden. Ist Euch das genug?«

»Ja. Euer Wort halte ich in Ehren, denn ich denke, wenn Ihr es einmal gegeben habt, so werdet Ihr auch darauf sehen, daß es in Erfüllung geht.«

»Well! Macht Euch also an Eure Arbeit, und seid überzeugt, daß die Sache auch ohne Euch die Richtung nimmt, die sie nehmen würde, wenn Ihr Eure Nase auch mit hineinstecken könntet!«

Ich mußte mich fügen, denn es lag mir alles daran, unsere Vermessungen noch vor dem Zusammenstoße mit den Apachen zu Ende zu führen. Wir machten uns also mit abermaligem Eifer über unsere Strecke her und kamen außerordentlich schnell vorwärts, denn Bancroft und seine drei anderen Untergebenen strengten alle ihre Kräfte an. Dies hatte seinen Grund in einer Vorstellung, die ich ihnen gemacht hatte.

Wenn wir nicht allen Fleiß aufwandten, so kamen die Apachen, ehe wir fertig waren, und dann konnte es uns von ihnen oder auch den Kiowas schlimm ergehen. Führten wir unser Werk aber vor ihrer Ankunft zu Ende, so war es uns vielleicht möglich, uns aus dem Staube zu machen und unsere Personen und Zeichnungen in Sicherheit zu bringen. Das hatte ich ihnen vorgestellt, und darum arbeiteten sie mit einem Fleiße und einer Ausdauer, die vorher niemals bei ihnen zu bemerken gewesen waren. Mein Zweck war also erreicht. Im stillen aber dachte ich gar nicht daran, mich in dieser Weise aus dem Staube zu machen. Mir lag Winnetou am Herzen. Die Andern mochten tun, was sie wollten, ich aber war entschlossen, nicht eher fortzugehen, als bis ich überzeugt sein konnte, daß keine Gefahr mehr für ihn vorhanden sei.

Meine Arbeit war eigentlich eine doppelte. Ich hatte zu messen und auch Buch zu führen und die Zeichnungen herzustellen. Das letztere tat ich im Duplikate. Ein Exemplar bekam der Oberingenieur als unser Vorgesetzter und eines fertigte ich mir heimlich an, um es für den Fall der Not aufzuheben. Unsere Lage war eine so gefährliche, daß diese Vorsicht als ganz gerechtfertigt erschien.

Die Beratung dauerte wirklich, wie ich es erwartet hatte, bis zum Abende; sie war grad zu Ende, als wir von der Dunkelheit gezwungen wurden, aufzuhören. Die Kiowas befanden sich in der vortrefflichsten Stimmung, denn Sam Hawkens hatte den Fehler oder auch die Klugheit begangen, ihnen unsern ganzen Rest von Brandy auszuhändigen. Sich da vorher der Einwilligung Rattlers zu versichern, war ihm wohl nicht eingefallen. Es brannten mehrere Feuer, um welche die schmausenden Roten saßen; dabei grasten die Pferde, und weiter draußen im Dunkeln standen die Posten, welche von dem Häuptlinge ausgestellt worden waren.

Ich setzte mich zu Sam und seinen unzertrennlichen Gefährten Parker und Stone, aß mein Abendbrot und ließ die Augen über das Lager schweifen, welches mir, dem Neulinge, einen mir bisher unbekannten Anblick bot. Kriegerisch genug sah es aus. Indem ich eines der roten Gesichter nach dem andern betrachtete, sah ich keines, welches ich einem Feinde gegenüber einer mitleidigen Regung für fähig gehalten hätte. Unser Brandy hatte nur so weit gereicht, daß auf jeden nur fünf oder sechs Schluck gekommen waren; ich bemerkte also keinen Betrunkenen, aber das Feuerwasser hatte, weil sie es so selten haben konnten, doch immerhin eine aufregende Wirkung geäußert. Die Indsmen waren in ihren Bewegungen weit lebhafter und in ihrem Gespräche lauter, als sie es gewöhnlich zu sein pflegen.

Natürlich erkundigte ich mich bei Sam nach dem Resultate der Beratung.

»Ihr könnt zufrieden sein,« meinte er; »Euern beiden Lieblingen wird nichts geschehen.«

»Aber wenn sie sich wehren?«

»Kommen gar nicht dazu; werden überwältigt und gefesselt, ehe sie auf den Gedanken kommen können, daß so etwas möglich ist.«

»So? Wie denkt Ihr Euch denn eigentlich die Sache, alter Sam?«

»Sehr einfach. Die Apachen kommen auf einem ganz bestimmten Wege. Könnt Ihr den vielleicht erraten, Sir?«

»Ja. Sie werden natürlich zunächst dorthin gehen, wo sie uns getroffen haben und dann unsern Spuren weiter folgen.«

»Richtig! Ihr seid wirklich nicht so dumm, wie es, wenn man Euer Gesicht betrachtet, den Anschein hat. Also das erste, was wir wissen müssen, ist uns bekannt, nämlich die Richtung, aus welcher wir sie zu erwarten haben. Das zweitwichtigste ist die Zeit, wann sie kommen.«

»Das kann man nicht genau berechnen, aber doch vermuten.«

»Ja, wer Grütze genug im Kopfe hat, der kann so etwas schon vermuten; aber mit einer bloßen Vermutung ist uns nicht gedient. Wer in einer Lage, wie die unserige ist, nach Vermutungen handelt, trägt ganz gewiß sein Fell zu Markte. Gewißheit ist’s, volle Gewißheit, die wir haben müssen.«

»Die können wir nur dadurch erhalten, daß wir ihnen Kundschafter entgegenschicken, und das habt Ihr ja verpönt, lieber Sam. Ihr seid doch der Ansicht gewesen, daß die Spuren der Späher uns verraten würden.«

»Der roten Späher; merkt Euch wohl, der roten, Sir! Daß wir hier sind, das wissen die Apachen, und wenn sie auf die Fährte eines weißen Mannes treffen, kann das in ihnen kein Mißtrauen erwecken. Fänden sie aber die Stapfen von Indianern, so wäre das etwas ganz anderes; sie würden gewarnt sein und sich ungeheuer in acht nehmen. Da Ihr so ein ausnehmend gescheiter Kopf seid, könnt Ihr Euch ja denken, was sie vermuten würden.«

»Daß Kiowas in der Nähe sind?«

»Ja, habt’s wirklich erraten! Wenn ich meine alte Perücke nicht gar so sehr schonen müßte, würde ich vor allerhand Hochachtung jetzt den Hut vor Euch abnehmen. Denkt Euch hiermit, daß es geschehen ist!«

»Danke, Sam! Ich will hoffen, daß diese Hochachtung sich nicht im Sande verläuft. Doch weiter! Ihr meint also, daß wir den Apachen nicht rote, sondern weiße Späher entgegenschicken werden?«

»Ja, aber nicht mehrere, sondern nur einen.«

»Ist das nicht zu wenig?«

»Nein, denn dieser eine ist ein Kerl, auf den man sich verlassen kann; heißt nämlich Sam Hawkens, wenn ich mich nicht irre, und pflegt Feldmäuse zu fressen, hihihihi! Kennt Ihr diesen Mann vielleicht, Sir?«

»Ja,« nickte ich. »Wenn der allerdings die Sache übernimmt, so können wir ohne Sorge sein. Er wird sich von den Apachen nicht erwischen lassen.«

»Nein, erwischen nicht, aber sehen.«

»Was? Sie sollen Euch sehen?«

»Ja.«

»Da fangen oder töten sie Euch!«

»Fällt ihnen gar nicht ein; sind viel zu klug dazu. Ich richte es so ein, daß sie mich sehen müssen, damit sie nicht auf den Gedanken kommen, daß Andere zu uns gestoßen sind. Und wenn ich so recht gemütlich vor ihren Augen umherspaziere, so werden sie meinen, wir fühlen uns so sicher wie im Schoße Abrahams. Tun werden sie mir nichts, gar nichts, weil ihr Verdacht schöpfen müßtet, wenn ich nicht ins Lager zurückkehrte. Nach ihrer Ansicht bin ich ihnen ja später sicher genug.«

»Aber, Sam, ist es nicht möglich, daß sie Euch sehen, aber Ihr nicht sie?«

»Sir,« brauste er im Scherze auf, »wenn Ihr mir eine solche moralische Ohrfeige gebt, so ist es aus zwischen uns beiden! Ich und sie nicht sehen! Die Aeuglein von Sam Hawkens sind zwar klein, aber scharf. Die Apachen werden zwar nicht in hellen Haufen angerückt kommen, sondern einige Kundschafter voraussenden; aber die können mir nicht entgehen, denn ich werde mich so aufstellen, daß ich sie sehen muß. Wißt Ihr, es gibt Oertlichkeiten, wo selbst der feinste Scout keine Deckung findet und heraus auf eine offene Stelle muß. Solche Orte sucht man sich aus, wenn man Kundschafter beobachten will. Sobald ich sie gesehen habe, melde ich sie Euch, damit Ihr, wenn sie dann das Lager umschleichen, Euch recht unbefangen zeigen mögt.«

»Dann sehen sie aber doch die Kiowas und werden dies ihrem Häuptling melden!«

»Wen sehen sie? Die Kiowas? Mensch, Greenhorn und ehrenwerter Jüngling, glaubt Ihr denn, daß das Gehirn von Sam Hawkens aus Watte oder Löschpapier bestehe, he? Ich werde dann schon dafür gesorgt haben, daß die Kiowas nicht zu sehen sind, auch keine Spur von ihnen, nicht die allergeringste Spur, verstanden! Diese unsere sehr lieben Freunde, die Kiowas, werden sich sehr gut verstecken, um im geeigneten Augenblicke hervorzubrechen. Die Kundschafter der Apachen dürfen natürlich nur diejenigen Personen sehen, welche im Lager waren, als Winnetou mit seinem Vater in demselben war.«

»Ah, das ist freilich etwas Anderes!«

»Nicht wahr! Die Kundschafter der Apachen mögen uns also ganz ruhig umschleichen und die Gewißheit gewinnen, daß wir nichts Böses ahnen. Wenn sie sich dann entfernen, schleiche ich ihnen nach, um die Ankunft der ganzen Schar zu erspähen. Die wird natürlich nicht am Tage kommen, sondern des Nachts, und sich unserm Lager so weit nähern, wie möglich ist. Dann fallen die wackern Apachen über uns her.«

»Und nehmen uns gefangen oder ermorden uns gar, wenigstens einige von uns!«

»Hört, Sir, Ihr könnt mir wirklich leid tun! Ihr wollt ein studierter Mann sein und wißt doch nicht einmal, daß man ausreißen muß, wenn man sich nicht fangen lassen will! Das weiß heutzutage jeder Hase, ja sogar jenes kleine, schwarze und bissige Insekt, welches sechshundertmal höher springt, als seine Körperlänge beträgt. Und Ihr, Ihr wißt das nicht! Hm, steht das denn nicht in den vielen Büchern, die Ihr gelesen habt?«

»Nein, denn ein wackerer Westmann soll nicht so hoch springen, wie das Insekt, von welchem Ihr redet, sechshundertmal höher als er ist. Ihr meint also, daß wir uns in Sicherheit bringen?«

»Ja. Wir brennen natürlich ein Lagerfeuer an, damit sie uns recht deutlich sehen können. So lange dieses leuchtet, bleiben die Apachen sicherlich versteckt. Wir lassen es niederbrennen und machen uns, sobald es dunkel ist, davon, um die Kiowas leise und schnell herbeizuholen. Jetzt werfen sich die Apachen auf unser Lager und finden keinen Menschen, hihihihi! Sie sind natürlich ganz erstaunt und brennen das Feuer wieder an, um nach uns zu suchen. Da sehen wir sie so deutlich, wie sie uns vorher gesehen haben, und nun wird der Spieß umgedreht: sie sind es, welche überfallen werden. Welcher Schreck für sie! Das ist ein Coup, von dem man noch lange Zeit erzählen wird. Und dabei wird man sagen: Sam Hawkens war’s, der sich das ausgesonnen hat, wenn ich mich nicht irre.«

»Ja, das wäre wohl recht gut, wenn es grad so und nicht anders würde, als wie Ihr es Euch denkt.«

»Es wird nicht anders; will schon dafür sorgen.«

»Und aber dann? Dann lassen wir die Apachen heimlich frei?«

»Wenigstens Intschu tschuna und Winnetou.«

»Die andern nicht?«

»So viel von ihnen, wie wir können, ohne daß wir uns verraten.«

»Wie wird es dann den übrigen ergehen?«

»Gar nicht sehr schlimm, Sir; das kann ich Euch versichern. Die Kiowas werden im ersten Augenblicke weniger an diese denken als daran, die Flüchtlinge wieder einzufangen. Und sollten sie sich wirklich blutgierig zeigen, so ist Sam Hawkens auch noch da. Ueberhaupt, was nachher zu geschehen hat, darüber wollen wir uns die Köpfe nicht zerbrechen; wenigstens Ihr könnt von dem Eurigen eine bessere Anwendung machen. Was später kommt, das wird sich eben auch erst später zeigen. Jetzt haben wir uns vor allen Dingen nach einem Platze umzusehen, der für die Ausführung unseres Vorhabens paßt, denn nicht jeder Ort ist zu so etwas geeignet. Das werde ich morgen früh besorgen. Gesprochen haben wir heute genug; von morgen an werden wir handeln.«

Er hatte recht. Reden und weiter Pläne schmieden war jetzt überflüssig; wir konnten hier jetzt nichts anders tun, als die Ereignisse abwarten.

Die heutige Nacht war ziemlich ungemütlich. Es erhob sich ein Wind, der nach und nach zum Sturme wurde, und gegen Morgen trat eine Kühle ein, welche für diese Gegend eine Seltenheit war. Wir befanden uns ungefähr auf der Breite von Damaskus und wurden doch von der Kälte aufgeweckt. Sam Hawkens prüfte den Himmel und meinte dann:

»Heut wird in dieser Gegend wahrscheinlich etwas geschehen, was hier sehr selten vorkommt; es wird nämlich regnen, wenn ich mich nicht irre. Und das ist sehr vorteilhaft für unsern Plan.«

»Wieso?« fragte ich.

»Könnt Euch das nicht denken? Schauet doch umher, wie das Gras niedergelagert ist! Wenn die Apachen da vorüberkommen, müssen sie doch gleich sehen, daß hier mehr Menschen und Tiere gewesen sind, als wir eigentlich zählen. Kommt aber ein Regen, so richtet sich das Gras rasch wieder auf, während die Spuren dieses Lagers sonst noch nach drei oder vier Tagen zu sehen wären. Ich werde mich mit den Roten so rasch wie möglich davonmachen.«

»Um eine Stelle zum Ueberfalle zu suchen?«

»Ja. Könnte die Kiowas zwar einstweilen hier lassen und sie dann holen, aber je eher sie fortgehen, desto eher verschwinden die Spuren. Ihr könnt inzwischen weiter arbeiten.«

Er teilte dem Häuptling seine Absicht mit, und dieser ging auf dieselbe ein. Nach kurzer Zeit ritten die Indianer mit Sam und seinen beiden Gefährten fort. Es versteht sich ganz von selbst, daß der Platz, welchen er sich auswählen wollte, an der Linie liegen mußte, welcher wir als Feldmesser zu folgen hatten. Das Gegenteil hätte uns Zeit gekostet und den Apachen auffallen müssen.

Wir folgten den Vorangerittenen langsam, so wie unsere Arbeit nach und nach vorwärts schritt. Gegen Mittag erfüllte sich Sams Vorhersage; es regnete, und zwar in einer Weise, wie es nur in jenen Breiten regnen kann, nämlich wenn es überhaupt da einmal regnet. Es schien wie ein See vom Himmel herabzustürzen.

Mitten in diesem Wassergusse kam Sam mit Dick und Will zurück. Wir sahen sie nicht eher, als bis sie sich uns auf vielleicht zwölf oder fünfzehn Schritte genähert hatten, so dicht fiel der Regen. Sie hatten einen passenden Ort gefunden. Parker und Stone sollten uns denselben zeigen; Hawkens aber ging, nachdem er sich mit Proviant versehen hatte, trotz des Unwetters fort, um sein Späheramt anzutreten. Er wollte seine Aufgabe zu Fuße lösen, weil er sich da besser verstecken konnte, als wenn er sein Maultier mitgenommen hätte. Als er hinter dem dichten Vorhange des Regens verschwand, hatte ich das Gefühl, als ob die Katastrophe sich uns nun im Eilschritte nähere.

So ungewöhnlich der Wasserguß gewesen war, fast wie ein Wolkenbruch, so schnell hörte er wieder auf. Die Schleusen des Himmels schlossen sich mit einem Male, und dann strahlte die Sonne ebenso warm wie gestern auf uns nieder. Wir hatten die Arbeit unterbrochen und nahmen sie nun wieder auf.

Wir befanden uns auf einer ebenen, nicht zu großen und von drei Seiten mit Wald umgebenen Savanne, auf welcher es von Zeit zu Zeit ein Buschwerk gab. Dies war für uns ein sehr günstiges Terrain, und so kam es, daß wir rasche Fortschritte machten. Hierbei machte ich die Bemerkung, daß Sam Hawkens heut früh die Wirkung des Regens ganz richtig vorhergesagt hatte: die Kiowas waren vor uns genau da geritten, wo wir uns jetzt befanden, und doch war keine Spur von den Huftritten ihrer Pferde zu sehen. Wenn die Apachen uns folgten, konnten sie unmöglich ahnen, daß wir zweihundert Verbündete in unserer Nähe hatten.

Als es zu dunkeln begann und wir unsere Arbeit einstellten, erfuhren wir von Stone und Parker, daß wir uns in der Nähe des voraussichtlichen Kampfplatzes befänden. Ich hätte ihn gern in Augenschein genommen, dazu war es aber heut zu spät.

Am andern Morgen erreichten wir schon nach kurzer Arbeitszeit einen Bach, der ein ziemlich großes, teichartiges Becken bildete, welches wahrscheinlich stets mit Wasser gefüllt war, während das Bett des Baches wohl meist halb trocken lag. Infolge des gestrigen Regens aber war er bis an die Ränder angefüllt. Zu diesem Teiche führte eine schmale, freie Savannenzunge, welche rechts und links von Bäumen und Sträuchern eingesäumt wurde. In das Wasser ragte eine Halbinsel hinein, auf welcher es auch Sträucher und Bäume gab; sie war da, wo sie mit dem Lande zusammenhing, schmal und verbreitete sich dann so, daß sie eine fast kreisrunde Gestalt annahm. Sie konnte mit einer Kasserole verglichen werden, welche mit ihrem Griffe am Lande hing. Jenseits des Teiches stieg eine sanfte Höhe an, welche dichter Wald bedeckte.

»Dies ist die Stelle, für welche sich unser Sam entschlossen hat,« sagte Stone, indem er mit Kennermiene um sich blickte. »Sie kann für das, was wir vorhaben, auch wirklich gar nicht besser passen.«

Das veranlaßte mich natürlich, mich nach allen Seiten umzusehen.

»Wo sind denn die Kiowas, Mr. Stone?« fragte ich ihn.

»Versteckt, sehr gut versteckt,« antwortete er. »Ihr könnt Euch die größte Mühe geben und werdet doch keine Spur von ihnen wahrnehmen, obgleich ich weiß, daß sie uns sehr gut sehen und scharf beobachten können.«

»Also wo?«

»Wartet nur, Sir! Erst muß ich Euch erklären, warum Sam, der Pfiffige, diesen Platz gewählt hat. Die Savanne, über welche wir jetzt gekommen sind, ist mit vielen einzelnen Büschen bestanden. Das macht es den Kundschaftern der Apachen leicht, uns unbemerkt zu folgen, weil sie durch diese Sträucher Deckung finden. Seht ferner die offene Graszunge, welche hierher führt. Ein Lagerfeuer, welches wir hier anbrennen, leuchtet über diese Zunge weg und in die Savanne hinein, über welche die Feinde kommen; es wird die Apachen also anlocken, und diese können sich uns ganz bequem nähern, wenn sie sich zwischen den Bäumen und Sträuchern halten, welche zu beiden Seiten dieser Zunge stehen. Ich sage euch, Mesch’schurs, wir konnten, um von den Roten überfallen zu werden, gar keinen bessern Platz finden!«

Sein langes, hageres, wetterhartes Gesicht glänzte dabei förmlich vor äußerster Zufriedenheit; der Oberingenieur aber stimmte gar nicht in dieses Entzücken ein; er meinte, indem er den Kopf schüttelte:

»Was seid ihr doch für Menschen, Mr. Stone! Freut sich dieser Mann darüber, daß er so schön überfallen werden kann! Ich sage euch, ich freue mich so wenig darüber, daß ich mich aus dem Staube machen werde!«

»Um dann desto sicherer in die Hände der Apachen zu fallen! Laßt Euch doch nicht solches Zeug in den Sinn kommen, Mr. Bancroft! Natürlich muß ich mich über diesen Ort freuen, denn wenn er es den Apachen erleichtert, uns zu fangen, so haben wir es nachher noch viel leichter, sie zu fassen. Seht doch einmal über das Wasser hinüber! Droben auf der Höhe, also mitten im Walde, stecken die Kiowas. Ihre Späher sitzen auf den höchsten Bäumen und haben uns sicher kommen sehen. Ebenso werden sie bemerken, wenn die Apachen kommen, denn sie können von dort oben aus weit über die Savanne blicken.«

»Aber,« fiel der Oberingenieur ein, »was kann es uns, wenn wir überfallen werden, nützen, daß die Kiowas sich jenseits des Wassers da drüben im Walde befinden!«

»Da stecken sie nur einstweilen, denn sie können doch nicht hier sein, weil sie von den Spähern der Apachen entdeckt würden. Sind diese aber fort, so kommen sie herab und herüber zu uns und verstecken sich auf der Halbinsel, wo sie nicht bemerkt werden können.«

»Können die Kundschafter der Apachen nicht auch dorthin?«

»Sie könnten wohl, aber wir lassen sie nicht.«

»Da müßtet Ihr sie also verjagen, und doch sollen wir nicht merken lassen, daß wir von ihrer Gegenwart wissen. Wie reimt Ihr das zusammen, Mr. Stone?«

»Sehr leicht. Wir dürfen allerdings nicht tun, als ob wir sie suchen, und können ihnen also nicht verbieten, die Halbinsel zu betreten. Aber diese ist da, wo sie mit dem Ufer zusammenhängt, nur dreißig Schritte breit, und diese Breite verbarrikadieren wir mit unsern Pferden.«

»Pferde als Barrikade? Ist das möglich?«

»Jawohl. Wir binden die Pferde dort an die Bäume; dann könnt Ihr sicher sein, daß kein Indianer sich nähert, da die Pferde ihn durch ihr Schnauben verraten würden. Also wir lassen die Späher ruhig kommen und sich umsehen; die Halbinsel betreten sie nicht. Wenn sie fort sind, um ihre Krieger zu holen, rücken die Kiowas heran und verstecken sich auf der Halbinsel. Dann schleichen sich die Apachen alle herbei und warten, bis wir uns schlafen legen.«

»Wenn sie aber nicht so lange warten?« fiel ich ihm in die Rede. »Da können wir uns doch nicht zurückziehen!«

»Das wäre auch nicht gefährlich,« antwortete er, »denn die Kiowas würden uns sofort zu Hilfe kommen.«

»Aber das würde nicht ohne Blutvergießen ablaufen, und grad das wollen wir vermeiden.«

»Ja, Sir, hier im Westen darf es auf einen Tropfen Blut nicht ankommen. Aber habt nur keine Sorge! Grad ganz dasselbe wird die Apachen abhalten, uns anzugreifen, während wir noch wach sind. Sie müssen sich doch sagen, daß wir uns verteidigen würden, und wenn wir auch nur zwanzig Köpfe zählen, so würden doch sicher mehrere von ihnen fallen, ehe es ihnen glückte, uns unschädlich zu machen. Nein, die schonen ihr Blut und Leben ebenso wie wir das unserige. Darum werden sie warten, bis wir uns schlafen gelegt haben, und dann lassen wir schnell das Feuer ausgehen und retirieren nach der Insel.«

»Und was tun wir bis dahin? Können wir arbeiten?«

Gesammelte Wildwestromane & Geschichten von Karl May

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