Читать книгу Ehrenwerte Killer: 3 Top Krimis - Karl Plepelits - Страница 19
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ОглавлениеRoberto verließ das Haus, überquerte die Fahrbahn und betrat den Parkplatz. Der Bonneville von Rufus Maretti gewährte ihm zur Straße hin volle Deckung. Niemand war in der Nähe, der ihn beobachtete. Roberto öffnete mit dem Pontiac-Schlüssel den Kofferraum und sah darin, was er erwartet hatte.
Roberto fasste den Toten an.
Die Leichenstarre war längst eingetreten. Maretti blutete nicht mehr. Das ausgetretene Blut hatte sich in einer Vertiefung des Kofferraums gesammelt und vermutlich Stunden gebraucht, um sich einen Weg ins Freie zu bahnen.
Roberto schloss den Kofferraum ab, säuberte die Schlüssel von seinen Prints und legte sie in den Handschuhkasten des Pontiac. Dann kletterte er in den Monza und fuhr zum Washington Park.
Das Haus Columbia Drive 118 wies mit seinen schmalen, eleganten und ungewöhnlich hohen Fenstern zum Washington Park. Es gehörte zu den wenigen freistehenden Villengebäuden, die sich in dieser dicht besiedelten Gegend den Luxus eines eigenen Gartens leisten konnten.
Der im Kolonialstil gehaltene Mitteltrakt mit seinen weißen, hohen Säulen atmete eine fast offiziell anmutende Vornehmheit, aber das kleine Namensschild an der Gartenpforte machte klar, dass hier ein Privatmann wohnte.
Roberto betätigte den Klingelknopf. In der Sprechanlage knackte es. „Bitte?“, tönte eine Stimme aus dem Lautsprecher.
„Briggs“, sagte Roberto. „Ich möchte zu Mr. Aldrich, bitte. Ich komme von Archie Wingate.“
„Gedulden Sie sich bitte einen Augenblick, Sir. Ich erkundige mich, ob Mr. Aldrich zu sprechen ist.“
Nach knapp einer Minute erhielt Roberto die Aufforderung, einzutreten. Er durchquerte den makellos gepflegten Vorgarten. Am Hauseingang erwartete ihn der Butler. Ein kahlköpfiger Mann, der ohne seine würdevolle Dienstkleidung völlig nichtssagend ausgesehen haben würde.
Der Butler führte Roberto durch eine hohe, kühle Halle in einen großen Salon. Dort stand ein Mann an der Terrassentür und kehrte Roberto den Rücken zu.
„Mr. Aldrich?“, fragte Roberto, der hörte, wie die Tür leise hinter ihm ins Schloss gedrückt wurde. Der Raum war so elegant möbliert, wie man es in einem Haus dieses Formates erwarten durfte. Die Möbel entstammten der Regency-Epoche und sahen nicht so aus, als ob sie kopiert worden wären.
Der Mann am Fenster wandte sich um.
Roberto schätzte ihn auf fünfundvierzig.
Raymond Aldrich war schlank und ziemlich groß, er hatte ein schmales Gesicht mit Adlerprofil und dazu passenden, sehr stechenden Augen. Es war das Gesicht eines Mannes, der nicht mit sich spaßen lässt. Roberto bedauerte plötzlich, vor diesem Besuch nicht ein paar Erkundigungen über den Hausbewohner eingezogen zu haben. Roberto wusste nicht einmal, wovon Raymond Aldrich lebte. Alles sprach dafür, dass er es gewohnt war, sich dieser Umgebung und ihrer Aufwendigkeit mit gelassener Routine zu bedienen.
„Briggs, Briggs?“, fragte der Hausbesitzer. „Den Namen höre ich zum ersten Mal.“
„Dann haben Sie mich empfangen, weil ich ihn im Zusammenhang mit Archie Wingate nannte“, sagte Roberto, dem auffiel, dass Aldrich keine Anstalten traf, ihm einen Platz anzubieten.
„So ist es“, sagte Aldrich.
Roberto schwieg. Er hätte eine Menge sagen können, aber nach Lage der Dinge hielt er es für sinnvoller, sein Gegenüber aus der Reserve zu locken.
„Sie hatten eine italienische Mutter?“, fragte Aldrich.
„Ja, Sir.“
Aldrich schüttelte seufzend den Kopf. „Ich bewundere sie. Die italienischen Mütter, meine ich. Sie sind tüchtig, fabelhafte Köchinnen, sie sind treu und loyal, ihr Familiensinn ist nicht zu übertreffen. Und doch züchten sie statt guter Bürger den Abschaum der Menschheit heran – Leute wie Sie, Mafiosi und Gangster, die zu einer Plage unseres Landes geworden sind.“
„Ich glaube nicht, dass es an den Müttern liegt, Sir“, sagte Roberto.
Raymond Aldrich löste sich vom Fenster. Er kam langsam auf Roberto zu. „Woran sonst? Diese braven Töchter ihres Glaubens sollten doch wissen, welche Explosivität in ihren kleinen Lieblingen steckt. Warum tun sie nichts, um diese schwarze Kraft in die richtigen Kanäle zu lenken?“
„Es liegt nicht allein an den Müttern. Wollen Sie ihnen vorwerfen, dass sie der Macht der Zärtlichkeit vertrauen?“, fragte Roberto.
„Ich hatte Sie mir anders vorgestellt.“
„Nämlich?“
„Ich weiß nicht genau. Sind Sie wirklich allein gekommen?“
„Ja.“
„Wingate muss sich seiner Sache sehr sicher sein.“
„Das ist er immer.“
„Sagen Sie ihm, dass er das Geld nicht vor morgen Abend haben kann.“
Roberto verzog keine Miene. „Sie kennen Wingate“, sagte er. „Er legt Wert auf plausible und vertretbare Begründungen.“
„Eigentlich wollte ich überhaupt nicht zahlen“, sagte Aldrich. „Warum auch? Niemand garantiert mir, dass sich das Ganze nicht wiederholen wird. Hätte ich gewusst, wozu Cindy fähig ist, wäre ich zurückhaltender gewesen, das dürfen Sie mir glauben. Im Lichte dessen, was Cindy mir angetan hat, kann ich nicht länger bedauern, dass sie auf diese Weise enden musste.“
„Zahlen Sie zum ersten Male?“ Aldrich runzelte die Augenbrauen. Roberto begriff, dass seine neugierige Frage demaskierenden Charakter hatte und ihn als Nichteingeweihten bloßstellte. Aldrich hob das Kinn. „Sie stellen merkwürdige Fragen.“
„Ich sollte Ihnen sagen, dass ich auf Ihrer Seite stehe“, meinte Roberto.
„Was soll dieser dumme Trick?“
„Ich arbeite nicht für Wingate. Ich arbeite gegen ihn“, erklärte Roberto. „Ich habe mir lediglich erlaubt, seinen Namen als 'Sesam öffne dich' zu benutzen.“
„Ich verstehe“, höhnte Aldrich. „Sie wollen mir auf den Zahn fühlen.“
„Ich wiederhole, dass ich nicht von ihm geschickt worden bin.“
„Woher haben Sie meine Adresse?“ Roberto zog das Kärtchen aus seiner Tasche. Aldrich nahm es entgegen. „Wer hat das geschrieben?“
„Wingate, vermute ich. Das Kärtchen war für einen Mann namens Louis Black bestimmt.“
Aldrich wurde blass. „Sagten Sie Louis Black?“
„Sie wissen, wer er ist?“
Aldrich gab Roberto das Kärtchen zurück. Er setzte sich, fuhr sich mit einem Finger zwischen Hals und Kragen und meinte leise: „Ich wohne lange genug in dieser Stadt, um gewisse Namen zu kennen. Gute wie schlechte. Black gehört nicht in diese Kategorien. Er hat seine eigenen. Sie sind so schwarz wie sein Name.“
„Die Karte kann nur eine Bedeutung haben“, meinte Roberto. „Black hatte den Auftrag, Sie zu besuchen.“
„Ich wage nicht daran zu denken, was dabei herauskommen könnte“, meinte Aldrich. „Wenn Black einen Besuchsort verlässt, pflegt er nicht selten einen Toten zurückzulassen. Sie wissen das, nehme ich an.“
„Ja, ich weiß es.“
Aldrich starrte in Robertos Gesicht. „Ich kann nicht ausschließen, dass Ihr Kommen dem Zweck dient, mich einzuschüchtern. Ich soll glauben, dass Black die Sache in die Hand genommen hat. Man will mich damit zur Zahlung animieren.“
„So umständlich würde Wingate nicht vorgehen, glaube ich“, sagte Roberto.
„Sie haben recht“, meinte Aldrich und biss sich auf die Unterlippe. Er schwitzte. Die Angst, die sich in seinem Gesicht zeigte, wollte nicht so recht zu seiner stolzen, aristokratischen Erscheinung passen. Roberto zählte zwei und zwei zusammen und kam dabei zu einem überraschenden Ergebnis.
„Wingate erpresst Sie. Es hängt auf irgendeine Weise mit Cindy zusammen. Sie haben versucht, sich zur Wehr zu setzen. Sie haben sich jemand verkauft und auf Wingate schießen lassen.“
Aldrich zuckte zusammen. „Was sagen Sie da? Ich bin doch nicht verrückt! Ich wünsche Wingate die Pest und den Tod an den Hals, aber ich würde mir niemals einfallen lassen, ihn zu attackieren. Das wäre Selbstmord. Außerdem verstieße es gegen meine ethischen Prinzipien“, fügte er ziemlich lahm und wenig überzeugend hinzu.
„Ich habe Black auf Eis gelegt. Ich kann ihm einen Mord nachweisen und dafür sorgen, dass er für immer aus dem Verkehr gezogen wird“, sagte Roberto. „Aber ehe ich das tue, wünsche ich mich des Mannas als Faustpfand zu bedienen. Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis. Wenn ich Black vernichte, ist das für Wingate wie der Verlust eines Werkzeuges. Er würde keine Mühe haben, sich ein neues zu beschaffen. Mir geht es nicht um Black, sondern um Wingate.“
„Ich weiß nicht warum – aber ich fange an, Ihnen zu glauben“, sagte Aldrich langsam und offenkundig über sich selbst verwundert.
„Das ist gut. Es bringt uns voran. Wir sitzen in einem Boot, nehme ich an“, erwiderte Roberto.
„Nicht so hastig“, bremste Aldrich den Besucher und wies auf den Sessel, der ihm gegenüberstand. „Setzen Sie sich. Ich kann mit Ihrem Namen nichts anfangen. Wer sind Sie? Für wen arbeiten Sie?“
Roberto setzte sich. „Es tut mir leid, Ihnen darauf keine präzise Antwort geben zu können. Ich arbeite unter einem Decknamen und habe den Auftrag, Wingates kriminelle Praktiken zu untersuchen und den Mann, der sie verübt, aus dem Verkehr zu ziehen.“
„Sie sind verrückt“, entfuhr es Aldrich. „Das schafft einer allein nicht!“
„Ich bin nicht allein.“ Roberto lächelte.
Aldrich biss sich auf die Unterlippe.
Er tat das ziemlich häufig und dokumentierte damit, wie ängstlich und entschlossen er war. Dann erklärte er: „Ich muss es wagen. Ich habe nichts zu verlieren. Ich setze auf Sie.“ Er blickte Roberto ins Gesicht. „Ich werde erpresst, stimmt. Von Wingate. Er macht keinen Hehl daraus. Er hat Fotos, die Cindy und mich in sehr eindeutigen Situationen zeigen. Er will dafür einhunderttausend Dollar haben.“
„Wann hat er das Geld gefordert?“
„Lange vor Cindys Tod, schon vor vierzehn Tagen“, sagte Aldrich. „Ich habe ihn ausgelacht. Ich bin Witwer, wissen Sie. Natürlich wäre es meinem Image nicht dienlich, wenn Kopien der Bilder in meinen Kreisen auftauchten, aber die Leute würden darüber eher lachen als wirklich schockiert sein. Ich war entschlossen, nicht zu zahlen. Das ist jetzt anders geworden. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, warum.“
„Ich verstehe“, sagte Roberto, dem plötzlich aufging, welche teuflischen Perspektiven sich Wingate mit Cindys Tod eröffnet hatten. „Wingate will es so aussehen lassen, als wären Sie von Cindy erpresst worden – und als hätte sie deshalb sterben müssen.“
„Genau“, nickte Aldrich. „Polizisten denken einfach und geradlinig. Cindys Tod wird sie dazu verleiten, den Mann zu verdächtigen, den sie in eine so fatale Situation gebracht hat.“
„Man kann Ihnen das Verbrechen nicht beweisen“, sagte Roberto.
„Natürlich nicht – aber was soll ich machen, wenn Wingate solche 'Beweise' konstruiert? Ich bin ihm nicht gewachsen, nicht auf diesem Gebiet“, sagte Aldrich bitter. „Deshalb zahle ich.“
„Dabei wird es nicht bleiben.“
„Ich denke, Sie wollen mir helfen?“, fragte Aldrich.
Roberto rieb sich das Kinn. „Ich bin schon dabei“, versicherte er. „Haben Sie auf Wingate geschossen, oder jemand beauftragt, es zu tun?“
„Nein.“
„Ich frage mich, wer es getan haben könnte – und warum“, sagte Roberto.
Der Butler tauchte auf.
„Zwei Herren, Sir“, meldete er. „Sie kommen gleichfalls von Mr. Wingate.“
„Haben Sie ihnen gesagt, dass ich bereits Besuch habe?“, fragte Aldrich.
„Nein, Sir.“
„Gut. Sie dürfen es nicht erfahren. Halten Sie die Männer noch eine Minute hin ...“
„Ja, Sir“, erklärte der Butler und zog sich zurück.
Aldrich blickte sich gehetzt um. Dann wies er auf eine Tür, die ins Nebenzimmer führte. „Stellen Sie sich dahinter“, bat er. „Hören Sie sich an, was mir die Männer zu sagen haben.“