Читать книгу Die Straßen von Rom - Karl-Wilhelm Weeber - Страница 28
Wenn Riesenbauten in Rekordzeit entstehen … – belastet das die Straßen enorm
ОглавлениеEin noch eindrucksvolleres Schauspiel boten gewaltige Kräne, die an Großbaustellen aufgebaut und mit starken Tauen im Umkreis verankert wurden. Dieser Umkreis betrug nach Favros Berechnungen mindestens 40 m um den im Entstehen begriffenen Triumphbogen; ein einziger Kran brauchte eine Grundfläche von 1000 m2.43 Das bedeutete eine empfindliche Verknappung des Verkehrsraums in der City, wo Fläche ohnehin Mangelware war – und damit Einschränkungen in der Mobilität, auch wenn die Installation von Kränen spektakulär war und es publikumswirksam sein mochte, „wenn mitten auf der Straße Baugerüste in die Höhe wachsen“ (so Martial zum Bau des Colosseums).44
Hinzu kamen Flächen, auf denen Baumaterialien gelagert wurden. Marmorblöcke wurden zwar direkt am Tiberufer zurechtgeschnitten und dann einigermaßen passend zur Baustelle befördert, aber ein bestimmter Vorrat an Material war nicht zuletzt wegen der angespannten Verkehrssituation in Rom unabdingbar. Just in time-„Lösungen“, wie die Logistikbranche sie heutzutage anpreist, boten sich bei den vielen Unwägbarkeiten des Transports – auch und gerade des Transports über Meer und Flüsse – nicht an, wenn man Bauunterbrechungen vermeiden wollte. Und in diesem Punkt war man gerade bei den vielen Prestigebauten der öffentlichen Hand, die der Selbstdarstellung der Dynastie und damit auch dem Nachweis der Effizienz kaiserlicher Administration dienten, offensichtlich recht empfindlich.
Baustellen als Verkehrshindernisse: Baukran, dessen Rad durch das Gewicht mehrerer Arbeiter bewegt wird; zwei weitere Arbeiter ziehen an Seilen. Das Motiv steht wohl mit der beruflichen Tätigkeit des Verstorbenen in Beziehung. Relief aus dem Grab der Haterii, Rom, spätes 1. Jh.
Lange Bauzeiten waren jedenfalls nicht Sache der Römer. Der Zentralbau der noch heute imposanten Caracalla-Thermen entstand in vier bis fünf Jahren, für die Fertigstellung des Flavischen Amphitheaters, des Colosseums, benötigte man ein Jahrzehnt – für eine Epoche, die nur Muskelkraft kannte, sind das phantastisch kurze Bauzeiten. Der Bogen des Septimius Severus, ein 21 m hohes und 23 m breites Monument mit einer 4 m tiefen Gründung und überaus reichem Reliefschmuck, wurde in einer einjährigen Bauzeit vollendet45 – und das in einer Lage auf dem Forum Romanum, die komplizierter kaum sein konnte.
Für viele andere Großbauten, die im Herzen Roms entstanden, sind ebenfalls vergleichsweise kurze Bauzeiten anzusetzen. Das wäre ohne ein vieltausendköpfiges Heer von Bauarbeitern nicht möglich gewesen. Nach modernen Schätzungen waren um die 5 % aller Beschäftigten in Rom in der Baubranche tätig, je nach Auftragslage – etwa nach dem großen Brand des Jahres 64 – auch erheblich mehr.46 Ein Großteil dieser Arbeiter „belastete“ die Straßen Roms in der morgendlichen und abendlichen Rushhour, wenn sie zu ihrer Arbeitsstelle eilten bzw. sich auf den Heimweg machten – und natürlich mit anderen Berufstätigen „konkurrierten“, die ebenso unterwegs waren.
Es konnte nicht ausbleiben, dass die Großbaustellen der City immer wieder zu kurzzeitigen oder auch zu längeren Straßensperrungen führten, die ihrerseits Fußgängerstaus produzierten und Umwege erforderlich machten – das alles, wie es scheint, ohne ordnende Hand, ohne ein Gesamtkonzept oder gar einen Masterplan. Da regierte der Zufall – und oft genug das „Recht“ des Stärkeren, und der Gesamteindruck war schlicht chaotisch. Darin sind sich die Quellen ja einig, und auch wenn man manche satirische Überzeichnung in Rechnung stellt, werden sie in ihrer Grundaussage bestätigt: „Die chaotischen Straßen der Dichter scheinen tatsächlich die Realität Roms im Lichte der historischen, archäologischen und kunstgeschichtlichen Beweissituation hinsichtlich des Verkehrs zu sein“, resümiert Elizabeth Macaulay-Lewis.47