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Spott, Humor und Witz – Neue Stars auf der Bühne der Schulliteratur

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Neben den drei Alleinstellungsmerkmalen – Übersetzen, Kulturkunde und Grammatik – gibt es eine Reihe anderer guter Gründe, Latein zu lernen – nicht zuletzt die lateinische Literatur. Sie umfasst nicht nur die Autoren der Antike, so dass zunehmend auch literarische Passagen mittel- und neulateinischer Literatur in den modernen Lateinunterricht einfließen (S. 276ff.). Allerdings stehen die „Klassiker“ der Antike durchaus noch im Vordergrund, werden sie doch auch von vielen Autoren der späteren Latinität als mehr oder minder unerreichbare Vorbilder oder jedenfalls als Gradmesser literarischer Qualität angesehen und bewundert. Im Unterschied zu früheren Zeiten ist der Umfang der Autorenlektüre im Lateinunterricht zurückgegangen. Das liegt an den reduzierten Stundentafeln, aber auch daran, dass viele Schüler, wenn sie das Latinum sicher haben, sich weiteren Sprachen zuwenden und das Lateinische abwählen bzw. aus organisatorischen Gründen abwählen müssen.

Deshalb wäre es auch unredlich, Latein vorrangig von der Autorenlektüre her zu begründen, sozusagen nach der Devise per aspera ad astra, „durch raues Gelände zu den Sternen“. Die sogenannte Spracherwerbsphase, die für viele Lerner zeitlich das Gros ihres Lateinunterrichts ausmacht, ist alles andere als eine bloße Ansparphase, in der „nur“ das Fundament für die Fähigkeit geschaffen wird, Originaltexte zu lesen. Sie ist auch in sich sinnvoll und gut begründbar. Alle drei Alleinstellungsmerkmale, die wir vorhin als zentrale Fachleistungen skizziert haben, werden in dieser Phase „bedient“. Wäre das nicht so, könnte man nicht guten Gewissens für einen Lateinunterricht eintreten, bei dem die ersten drei Jahre wenig mehr als die Vorbereitung der (bei vielen Schülern eben nur) restlichen anderthalb Jahre wären.

Aber selbstverständlich wird nach wie vor auch „große“ römische Literatur im Lateinunterricht gelesen – Weltliteratur, um es ganz deutlich zu sagen, nicht etwa irgendwelche mediokren Autoren, sondern Schriftsteller, die aufgrund ihrer „Klassizität“ – ob man diesen Begriff nun mag oder nicht – seit 2000 Jahren unzählige andere Literaten und Künstler nachhaltig beeinflusst und Europas Geistesleben bestimmt haben. Ovids „Metamorphosen“ und Senecas philosophische Briefe, Ciceros Reden und Vergils Nationalepos, die Aeneis, gehören nach wie vor mit guten Gründen zu den literarischen Höhepunkten, wenngleich Seneca und Vergil im Latinums-Horizont kaum Berücksichtigung finden.

In diesem Buch haben wir indes den Akzent auf literarische Newcomer gelegt, die seit einigen Jahrzehnten in den Kanon der Schulschriftsteller aufgestiegen sind. Latein und Humor? Für viele passt das nicht recht zusammen. Ein Vorurteil, das mit dem modernen Lateinunterricht, seinen Methoden und seinen Texten eigentlich längst überwunden sein sollte (auch wenn es hier und da noch „Widerstandsnester“ gibt). Aber Klischees sind zählebig, daher unsere Konzentration auf die leichte Muse: Petrons Schelmenroman (S. 40ff.), Martials Spottepigramme (S. 30ff.) und Ovids berühmte „Liebeskunst“ (S. 49ff.). Und wie passt Caesars Bellum Gallicum, dieser alte Hut – manch einer wird sagen: dieser Uralt-Langweiler –, in dieses literaturdidaktische Novitäten-Kabinett? Weil er, im Hinblick auf seine literarische Meisterschaft und geschickte manipulative Leserlenkung gelesen, alles andere als ein Langweiler ist. Und weil man ihn zudem als hochmodernen Autor lesen kann, der uns in mancher Hinsicht die Augen über uns selbst zu öffnen vermag. Das glauben Sie nicht? Wir haben uns bemüht, es anschaulich zu beweisen: Kriegsreport war gestern, Grundtext europäischen Selbstverständnisses ist heute. Entdecken Sie einen klassischen Langweiler neu (S. 62ff.).

Ein Hinweis an die Latein-Skeptiker: Sollten Sie grundsätzlich der Meinung sein, dass Literaturunterricht Zeitverschwendung oder zu wenig zeitgemäß sei, dann müssten Sie konsequenterweise auch Goethe und Schiller, Shakespeare und Molière aus den Lehrplänen streichen. Auch sie sind literarische Klassiker – aber dass sie zeitgemäßer wären als Ovid, Martial und Cicero, nur weil sie ein paar Jahrhunderte jünger sind, das ist bei allem Verständnis für die „Ausmistung“ von Lehrplänen nun wirklich kein Argument, sondern eher ein Indiz für peinliche Ignoranz. Seit wann entscheidet das Alter eines literarischen Kunstwerkes über seine Relevanz? Wenn also „Entrümpelung“ von Lehrplänen im Hinblick auf Literatur, dann doch bitte mit einem nachvollziehbaren Maßstab, der das Alter eines literarischen Meisterwerks außen vor lässt. Sonst könnten wir gleich die Vergabe zeitgenössischer Literaturpreise als ausschlaggebendes Kriterium für die literaturdidaktische Bedeutung der Preisträger definieren – wobei Goethe und Shakespeare ähnlich alt aussähen wie Cicero und Ovid.

Latein - da geht noch was!

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