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Motivieren statt pauken, Einsicht statt „Dressur“
ОглавлениеSind das die kleinen Erholungen vom sonst üblichen Paukunterricht, das karge Zuckerbrot als klitzekleine Kompensation für die knallharte Lernpeitsche, die ansonsten im Lateinunterricht geschwungen wird? Bei manchen Zeitgenossen hat das Lateinische ja immer noch das Image des mehr oder minder erbarmungslosen Paukfachs. Das ist ganz überwiegend – für jeden Lateinunterricht kann ich die Hand nicht ins Feuer legen – ein Schreckensklischee, das nichts mit der Realität zu tun hat. Man könnte sogar sagen: totaler Quatsch, selbst wenn man unter „Pauken“ etwas anderes versteht, als es eigentlich bedeutet. Die negative Färbung ergibt sich dadurch, dass man Pauken als sinnentleertes Lernen begreift. Pauken heißt: Kenntnisse in sich hineinschaufeln, deren Sinn und Zweck man nicht erkennt – und das Ganze möglichst noch in einer demotivierend-öden Form.
Dass Vokabellernen eine vergnügungssteuerpflichtige Tätigkeit wäre, hat wohl noch niemand empfunden. Aber es ist notwendig, und das lässt sich einsichtig machen. Und es lässt sich durch Lernspiele, durch Hilfen und Eselsbrücken, vor allem auch durch Erkenntnisse gewissermaßen am Wegesrand des Lernens versüßen: Fremd- und Lehnwörter im Deutschen, englische und französische Vokabeln, die aus einem lateinischen Ursprungsbegriff hervorgegangen sind, Verknüpfungen mit bereits bekanntem Wortschatz. All das schützt vor sturem Vokabellernen. Neue Vokabeln sind, bevor sie zum Lernen aufgegeben werden, grundsätzlich im Klassenverband zu besprechen und damit vorzuentlasten. Einfach „zu morgen Vokabeln L. 10“ aufzugeben ist pädagogisch out. Oder besser: ex.
Beim Formenlernen fallen manche dieser Lernhilfen weg. Aber es gibt andere: Systematisierungen, „Gesetzmäßigkeiten“ und auch hier motivierende Übungen, die das Lernen vorbereiten und das Gelernte festigen. Schauen Sie einfach mal nach, welch reichhaltiges, methodisch abwechslungsreiches und altersgemäßes Übungsmaterial die Latein-Lehrwerke dafür anbieten, welche computergestützten Lernprogramme es dazu gibt, die auf die digitale Generation zugeschnitten sind. Und lassen Sie sich erzählen, wie engagierte Lateinlehrerinnen und -lehrer sich bemühen, dieses harte kognitive Brot methodisch einigermaßen lecker aufzubereiten. Auch hier gilt: Nicht jeder alte Zopf ist mittlerweile abgeschnitten, aber die Faktoren Lernmotivation und Schülernähe sind im Lateinunterricht angekommen. Was man, um einmal der Versuchung zur Polemik nachzugeben, von so manch einem Mathematik- und Physikunterricht nicht behaupten kann.
Aber das pauschale Herumgehacke gerade auf Latein-Lehrkräften ist wirklich unfair. Ich will im Hinblick auf frühere Zeiten nichts beschönigen – obwohl es immer hervorragende, mitreißende, Schüler nachhaltig beeinflussende Lehrerpersönlichkeiten gerade unter den Altphilologen gegeben hat –, aber wir haben kollektiv eine ganze Menge hinzugelernt. Mag sein, dass noch nicht jeder Latein-Unterrichtende im Gelobten Land der Motivation angekommen ist, aber der Typus des „klassischen“ Lateinlehrers – oder besser seine Karikatur –, der die Sachorientierung weit über die Schülerorientierung gestellt hat, gehört der Vergangenheit an.