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Cicero als Spaßbremse? – Eine verzerrte Wahrnehmung

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An einem anderen Ort würde man Humor nicht unbedingt erwarten. Und gerade dort hatte er bei den Römern ein festes Zuhause: vor Gericht. Das ridiculum, „Scherzhafte“, war im Rhetorikunterricht Teil des Lernstoffes für angehende Anwälte; der künftige Gerichtsredner sollte nach Möglichkeit Schlagfertigkeit und Witz erlernen, zumindest aber sich mit einem Repertoire an amüsanten historischen Beispielen vertraut machen. Kein rhetorisches Handbuch des Altertums verzichtet auf eine ausführliche Behandlung des ridiculum und seiner Psychologie bei den Zuhörern.

Alle bedeutenden Redner haben sich an die entsprechenden Empfehlungen der Theoretiker gehalten. Satirische Seitenhiebe, ironische Anspielungen und humorvolle Pointen finden sich in allen Cicero-Reden, und zwar in großer Zahl. Sie sind allerdings häufig so voraussetzungsreich und in eine bestimmte Situation eingebunden, dass der moderne Leser leicht darüber hinwegliest. Das sal, „Salz“, „humorvolle Würze“, des ciceronischen ridiculum droht fade zu werden, wenn der Kontext unklar bleibt, zumal rhetorischer Witz meistens espritvoll und sophisticated daherkommt. So besagt es auch die Theorie der Redekunst: Der Anwalt soll ebenso wenig wie der Politiker, der vor einer Volksmenge spricht, den Spaßvogel oder den Comedian geben, sondern urbanitas unter Beweis stellen, „städtische Kultiviertheit mit Sinn für den eher feinen Humor“ – was nicht heißt, dass nicht auch Cicero und andere prominente Redner ab und zu das Florett des feinsinnig-ironischen Humors gegen den derben Säbel des polternden oder sogar pöbelnden Humors eingetauscht hätten.

Selbstverständlich kannten auch die Römer Witze-Sammlungen. Aus der Spätantike ist ein solches Witzbuch aus der Feder eines Philogelos, „Lachfreundes“, überliefert, allerdings auf Griechisch. Man könnte diese Witze indes auch ins Lateinische übersetzen und hätte damit ein Dokument des römischen Humors der Kaiserzeit rekonstruiert. Neben solchen ausgesprochenen Witzbüchern waren auch Sammlungen witziger Aussprüche und Anekdoten berühmter Gestalten der griechischen und römischen Geschichte ausgesprochen populär. Ihrer bedienten sich Gerichtsredner gerne, um ihre Plädoyers aufzulockern, mit sal zu würzen und die Geschworenen und Zuhörer für sich einzunehmen. In römischen Gerichtssälen ging es ausgesprochen lebhaft und laut zu. Und es wurde ordentlich gelacht – sicher mehr und lauter als in den deutschen Gerichten unserer Tage.

Bei vielen hat Cicero eher das Image einer Spaßbremse. Das hat er sich zum Teil selbst zuzuschreiben durch die manchmal unerträgliche Selbstbeweihräucherung, mit der er Leser vor den Kopf stößt. Und mit dem Mangel an Selbstironie, wenn er auf seine eigenen Verdienste um den Staat zu sprechen kommt. Aber es gibt tatsächlich auch den anderen Cicero, der locker und spaßig sein kann, der Witze erzählt – und das bezeichnenderweise auch in seiner bekanntesten Abhandlung über die Rhetorik, den drei Büchern de oratore („Der Redner“).

Sie sind skeptisch? Bitte, hier ein „O-Ton“ Ciceros: „Hübsch ist auch eine Wendung, mit der man den, der einen Witz gemacht hat, mit seinem eigenen Witz lächerlich macht. Als z.B. der frühere Konsul Q. Opimius, der als junger Mann einen ziemlich schlechten Ruf gehabt hatte, den lockeren Egilius, der ziemlich weichlich wirkte, ohne es zu sein, fragte: ‚Wie steht’s, meine Egilia? Wann kommst du mit Spinnrocken und Wolle zu mir‘, erwiderte Egilius: ‚Um Himmels willen! Das wage ich nicht: Meine Mutter hat mir doch verboten, Damen von zweifelhaftem Ruf aufzusuchen‘“ (Cic. de or. II 277).

Kurz vorher gibt Cicero eine andere amüsante Anekdote zu Protokoll. „Als Nasica den Dichter Ennius einmal aufsuchte, teilte ihm eine Sklavin an der Tür mit, ihr Herr sei nicht zu Hause. Nasica war klar, dass sie das im Auftrag ihres Herrn gesagt hatte und dass der in Wirklichkeit daheim war. Ein paar Tage später kam Ennius zu Nasica. An der Tür fragte er nach ihm. Nasica selbst antwortete, er sei nicht zu Hause. ‚Wie‘, erwiderte Ennius, ‚erkenne ich da nicht deine Stimme?‘ Darauf Nasica: ‚Du bist ein unverschämter Kerl! Als ich neulich nach dir fragte, habe ich deiner Sklavin geglaubt, dass du nicht zu Hause seist. Du aber willst das nicht einmal mir selbst glauben?‘“ (Cic. de or. II 276).

Was haben wir, um es spöttisch zu formulieren, auf den letzten Seiten gelernt? Dass Latein und Humor nicht nur zusammenpassen, sondern auch aus kultur- und literaturgeschichtlicher Sicht zusammengehören. Und dass sich die alten Römer doch höchst verwundert die Augen gerieben hätten, wenn man sie mit dem Vorurteil ihrer Humorlosigkeit konfrontiert hätte.

Latein - da geht noch was!

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