Читать книгу Latein - da geht noch was! - Karl-Wilhelm Weeber - Страница 30
ZU GAST BEIM KÖNIG DER ANGEBER – PETRONS VERGNÜGLICHES AUFSTEIGER-SOZIOGRAMM
Оглавление„Was meinst du, mein Freund? Du baust mir doch das Grabmal so, wie ich es bei dir in Auftrag gegeben habe? (…) Bilde mich dort ab, wie ich in purpurgesäumter Robe mit fünf Goldringen auf der Ehrentribüne sitze und aus einem Geldsack Münzen unterm Volk ausstreue!“
Wenige Minuten vorher hat unser Auftraggeber seinen Gästen in Erinnerung gerufen: „Ich gehöre ja nicht zu den Angebern.“ Zu seiner Selbstdarstellung auf dem Grabmonument will diese Einschätzung nicht so recht passen. Wohl eher passt das pompöse Grabmal zu der Grabinschrift, die er sich ebenfalls schon überlegt hat: „Hier ruht Gaius Pompejus Trimalchio Maecenatianus (…). Er ist aus kleinen Verhältnissen aufgestiegen. Er hinterließ 30 Millionen und hat nicht ein einziges Mal einen Philosophen gehört.“
Aha, zu den Intellektuellen zählt er offensichtlich nicht, eher zu den Materialisten. Wie aber kann Trimalchio seine postmortale Ehre und sein Grab vor Verunglimpfungen schützen? Auch da hat unser Mann eine Lösung. Die geht ins Geld, aber Geld ist ja angesichts der 30 Millionen Hinterlassenschaft kein Problem: „Ich werde dafür sorgen, dass mir als Totem kein Unrecht widerfährt. Ich werde nämlich einen meiner Freigelassenen am Grab als Wächter aufstellen lassen, damit die Leute nicht an mein Grabmal zum Kacken laufen“ – ne in monumentum meum populus cacatum currat, heißt es im lateinischen Original –, und wir ahnen, wem wir das wenig noble Verb „kacken“ im Deutschen verdanken (Petrou, Kap. 71).
Ein überaus feiner Mann, der da vor seiner Gästeschar Details seines Grabmals ausbreitet und als Höhepunkt der Peinlichkeit schließlich auch noch sein Testament herbeibringen lässt, um es Wort für Wort vorzulesen! Er selbst hält sich tatsächlich für einen feinen, gebildeten, charmanten Gastgeber – und dekuvriert sich pausenlos selbst, jedenfalls gegenüber den Lesern, die Zeugen dieser denkwürdigen Soiree werden. Auch wenn man an manchen Stellen einen Augenblick lang in Versuchung kommt, sich für diesen Typen fremdzuschämen – das Vergnügen überwiegt allemal. Lesevergnügen bei einem lateinischen Autor? Das passt nicht so recht zum Klischee von den stets ernsten, gravitätischen lateinischen Klassikern – ein Schelmenroman in lateinischer Sprache, der, erschiene er heutzutage auf Deutsch oder Englisch, das Zeug zum Bestseller hätte?