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„LIEBESKUNST“ ALS SCHULLEKTÜRE? – KULTIVIERTES IN INHALT UND FORM

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Ovids berühmt-berüchtigte „Liebeskunst“ als Lektüre im Lateinunterricht? Das wäre noch vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen. „Skandal!“, hätten da manche gerufen – vor allem die, die nie selbst einen Blick in das vermeintlich verruchte Buch geworfen hatten. Zwar ist die ars amatoria ein geistreiches, keckes, manchmal frivoles literarisches Spiel mit dem Liebesspiel zwischen den Geschlechtern, aber von einer pornographischen Lektüre ist sie weit entfernt. Wohl wahr: Ovid gibt den Männern – und was einer Revolution gleichkam: im dritten Buch sogar den Frauen – Flirttipps, die auf List und Taktik, manchmal sogar auf Lüge und Opportunismus setzen und damit den Grundsatz verfolgen, dass der Zweck die Mittel heilige. Aber er geht stets davon aus, dass es sich um eine von echten Gefühlen getragene Beziehung zu einem Mann oder einer Frau handelt – wenn auch auf unterschiedlichen emotionalen Niveaus von der Liebelei bis zur Liebe des Lebens.

Das Moderne an der ars ist nicht, dass auch Sexuelles angesprochen wird, wenngleich im Ganzen sehr behutsam und geschmackvoll-andeutend, sondern dass das übliche gesellschaftliche Muster der Eheanbahnung durch die Eltern durchbrochen und infrage gestellt wird. Das schafft zumal für die Frau einen Freiraum, den die Gesellschaft ihr so nicht zubilligte. Suchte der Mann außerhalb der Ehe, deren wesentlicher Zweck die „Produktion“ legitimer Nachkommen war, sexuelle Erfüllung, so war das kein Ehebruch, wenn er sich an eigenen Sklavinnen verging, Prostituierte aufsuchte oder sich mit anderen „inhonesten“ Frauen wie Schauspielerinnen, Kellnerinnen usw. vergnügte. Bei verheirateten Frauen wurde dagegen jeder sexuelle Kontakt außerhalb der Ehe als Ehebruch gewertet.

Die „freie Liebe“ war im Alten Rom kein mehrheitsfähiges Konzept, auch wenn die Liebesdichter, darunter Ovid, es propagierten. So war es denn auch kein Wunder, wenn Kaiser Augustus, der strenge Ehegesetze erlassen hatte, die ars amatoria als subversive Schrift einstufte (auch wegen mancher politisch nicht ganz so korrekten Formulierung) und Ovid nicht zuletzt wegen der darin zum Ausdruck kommenden Unbotmäßigkeit in die Verbannung ans Schwarze Meer schickte. Man muss Ovid nicht zum Widerständler stilisieren, aber Respekt gegenüber seiner partiell unangepassten Haltung hinsichtlich der „Wünsche“ des Kaisers und seiner Kulturberater darf man ihm schon zollen.

Latein - da geht noch was!

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