Читать книгу KOMMISSAR LAVALLE UND DER SEINEMÖRDER - Karla Weigand - Страница 8
7. Juni 1789
ОглавлениеKeineswegs so ängstlich wie vor zwei Tagen, harrte André de Junot erneut in der Silberkammer auf seinen Herrn und Meister, den Grand Maître de la Maison du Roi. Schon die Tatsache, dass der Haushofmeister des Königs ihn bisher noch nie getadelt hatte für seinen Aufbau der »Kredenz«, war ihm Lobes genug.
Auch heute würde der Comte ihm, dem jüngsten Mitglied der Dienerschaft in Versailles, wiederum Ratschläge erteilen, wie mit dem wertvollen Besteck umzugehen war, damit es auch in hundert Jahren noch als schön und prunkvoll gelten könne.
André, vierzehn Jahre alt, aus einer Familie von verarmten Kleinadeligen aus der Gascogne stammend, war seit kurzer Zeit Page bei Seiner Majestät, Ludwig XVI. Zu seiner Ausbildung gehörte es, sämtliche Arbeitsbereiche im Palast kennenzulernen, um schließlich gemäß seiner Begabung seine endgültige Bestimmung bei Hofe zu finden. Selbstverständlich träumte er wie so viele davon, Erster Kammerdiener des Königs zu werden.
Die Zeit der Lehre war äußerst hart und beileibe kein Zuckerschlecken – aber das erwartete auch keiner der jungen Leute. Alle waren froh, wenn sie überhaupt die Chance erhielten, eine Anstellung bei Hof zu ergattern. Im Augenblick war André der Dienerschaft zugeteilt, die den Majestäten bei Tisch aufwartete und die für den einwandfreien Zustand von Geschirr und Besteck Sorge trug.
Endlich erschien der Grand Maître, und als André de Junot seinen schweren Schritt hörte, sprang er schuldbewusst von dem Hocker auf, auf dem er sich verbotenerweise niedergelassen hatte. Nicht nur sämtlichen Bediensteten und Pagen, auch den erwachsenen adligen Hofleuten war es streng untersagt, sich in den Pausen zu setzen.
Die lächerliche Begründung lautete, es sei jederzeit möglich, dass Seine Majestät überraschend auftauche. Dann könne sich die gänzlich unvorstellbare, »entsetzliche« Situation ergeben, dass der Monarch erleben müsse, wie ein niederes Geschöpf in seiner geheiligten Gegenwart sitze, während er selbst stehen müsse. …
Der Comte de Montmorency konnte sich stundenlang darüber auslassen. Wehe einem Diener widerfuhr das Missgeschick, von ihm auf einem Sitzmöbel ertappt zu werden! Da der Grand Maître allerdings kein Wort über Andrés Ungehorsam verlor, atmete der schmächtige Knabe auf; der gestrenge Zuchtmeister hatte sein Vergehen offenbar nicht bemerkt. Wie ein Lamm stand der kleine Page vor dem großen Mann und lauschte aufmerksam, als dieser ihm zum wohl hundertsten Mal die Feinheiten des Silberpolierens darlegte.
Der Haushofmeister hieß André zuletzt, sich einen weichen sauberen Lappen zu holen und mit der Pflege des Tafelsilbers zu beginnen.
Ein wenig ängstlich schielte der Page auf den riesigen Berg an schweren silbernen Messern, Gabeln und Löffeln, die ein grinsender Diener für ihn bereitgelegt hatte. Bis er damit fertig war, wäre es vermutlich weit nach Mitternacht. Und er war jetzt schon so müde, dass er nur noch sein Lager aufzusuchen wünschte …
Beherzt griff André nach einer Gabel und begann mit wahrem Feuereifer, sie zu polieren. In seinem Ohr klang die kategorische Forderung des Grand Maître nach, in dem Besteck müsse man sich anschließend spiegeln können. In seiner Versunkenheit, es seinem Vorgesetzten ja recht zu machen, bemerkte der Junge gar nicht, wie nah der Comte inzwischen an ihn herangerückt war.
Und selbst wenn, hätte er sich nichts dabei gedacht: Der oberste Chef begutachtete schließlich ganz genau das Resultat seiner Bemühungen. Sooft er ihn dabei auf einen winzigen Fleck oder eine matte Stelle auf den einzelnen Teilen aufmerksam machte, spürte André in seinem Nacken den heißen, aufdringlich nach Pfefferminze riechenden Atem des Grafen.
Weil André für sein Alter noch ziemlich klein war, musste er sich, um auf der Arbeitsplatte vernünftig arbeiten zu können, auf den Hocker stellen, den er vorhin als Sitzgelegenheit »missbraucht« hatte. So waren er und der Comte annähernd gleich groß.
Auf einmal fühlte der Junge noch etwas anderes, und zwar an seinem verlängerten Rücken. Unangenehm überrascht und erschrocken zugleich war er versucht, sich umzudrehen. Eine kräftige Hand hielt ihn jedoch auf und er hörte die belegte Stimme des Haushofmeisters:
»Bleib nur ruhig stehen, mon Cher! Rühre dich nicht vom Fleck, André, sondern poliere in aller Ruhe weiter. Was ich tue, soll dich nicht kümmern.«
André war nahe daran, zu protestieren; aber der zunehmend schmerzhafter werdende Druck der Finger auf seiner schmalen linken Schulter belehrte ihn rasch eines Besseren. So hielt er tatsächlich still, während ihm der riesige Mann mit der anderen Hand erst über das Gesäß streichelte und dann durch die Beine hindurch an die Geschlechtsteile griff.
Andrés Versuch zum Trotz, die Oberschenkel zusammenzukneifen, gelang es dem Grand Maître mühelos, seine Hand zwischen die mageren Schenkel des Jungen zu zwängen.
Erst ganz sachte, dann zunehmend fester rieb der Comte über den Stoff im Schritt von Andrés Culotte. Trotz innerer Abwehrhaltung konnte der Junge, der vor Scham feuerrot anlief, spüren, wie sich sein Penis versteifte und aufrichtete. Hilfe war von niemandem zu erwarten und André war einerseits sogar froh, dass niemand sonst sich in dem Raum aufhielt. Er hätte sich zu Tode geschämt …
»Man kann spüren, wie sehr es dir gefällt«, raunte ihm der Haushofmeister ins Ohr. »Ich weiß doch, was kleine unartige Knaben mögen. Sie tun es alle selbst, die süßen kleinen Ferkelchen und wissen gar nicht, wie schön es ist, wenn es ein anderer für sie macht!«
André wagte nicht, etwas zu erwidern; er wünschte nur, der Comte würde damit aufhören. Dann fühlte er, wie der Grand Maître sein eigenes erigiertes Glied, das ihm riesig erschien, an seiner Hinterfront rieb … Die anderen Pagen hatten demnach nicht gelogen, als sie ihn – kaum dass er seinen Dienst in Versailles angetreten hatte – darüber aufklärten, welch seltsame Vorlieben der allseits gefürchtete Haushofmeister besaß.
»Er liebt ganz junge Burschen, so wie dich, die fast noch etwas Mädchenhaftes an sich haben«, hatten sie ihm verraten. »Zierlich von Figur, mit hohen Stimmen und möglichst gezierten Bewegungen mag er sie am liebsten. Das macht ihn geil, den alten Bock!
Affektiert reden müssen seine Mignons und er verlangt oft von ihnen, dass sie ihre Gesichter puppenhaft schminken und sich die Lippen rot anmalen. Stramme Jünglinge und richtige Männer lassen seinen Schwanz dagegen nicht einmal zucken. Du wirst der Nächste auf seiner Liste sein, pass nur auf!«
Als André, der in dieser Hinsicht noch vollkommen unbedarft war, verlegen gelacht und sie ungläubig angesehen hatte, waren die Diener in schallendes Gelächter ausgebrochen.
»Wart’s nur ab, Kleiner! Sobald er dir das erste Mal seinen Kolben ins Kreuz drückt, weißt du, was die Uhr geschlagen hat.«
Sogar Wetten hatten die Domestiken darüber abgeschlossen, wann der Neue »fällig« sein würde. Er dagegen hatte es nicht glauben wollen.
Der Grand Maître war, trotz seines gewiss nicht mehr jugendlichen Alters, ein Bild maskuliner Schönheit und kraftstrotzender Männlichkeit. Er erinnerte André an Abbildungen von Göttervater Zeus, die er in einem der königlichen Salons gesehen hatte, wie dieser um eine junge vollbusige Schönheit des Olymps warb.
Monsieur Alfonse konnte jedes Frauenzimmer im Schloss haben – mit Ausnahme der Königin vielleicht. Weshalb sollte so ein Ausbund an Manneskraft die Befriedigung seiner Lust ausgerechnet bei Knaben suchen? Nun wusste André es allerdings besser …