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Kapitel 4

Das wissende Selbst ist nicht geboren, es stirbt nicht.

Es ist aus nichts entsprungen.

Ohne Geburt, ewig immerwährend und alt,

wird es nicht umgebracht,

wenn der Körper umgebracht wird.

Katha-Upanishad 2. 18

Wach auf, der du schläfst,

und steh auf von den Toten,

dann wird dir Christus aufleuchten.

Epheser 5, 14

Ihr werdet die WAHRHEIT erkennen,

und die WAHRHEIT wird euch frei machen.

Johannes 8, 32

Das wahre Selbst des Menschen

Als Jesus der Christus bei seinem Verhör vor Pilatus erklärt hatte, dass er in die Welt gekommen sei, um für die WAHRHEIT den Beweis zu liefern, antwortete ihm Pilatus: Was ist schon Wahrheit? Wir dürfen davon ausgehen, dass dies eher eine rhetorische und spöttische Frage war. Denn er wartete nicht auf eine Antwort, sondern stand auf, verließ den Saal, ging hinaus und erklärte seinen Anklägern, dass er ihn für harmlos hielt.

Der sechste Schöpfungstag lehrt, dass der Mensch das Bild und Gleichnis GOTTES ist, der Sohn und mit der Herrschaft über die gesamte Ideenschöpfung Beauftrage, der Gesalbte also, der Christus. Und er wird vom Schöpfer mit dem Prädikat sehr gut versehen.

Jesus von Nazareth hat, indem er sich zum Christus machte, die Wahrheit des sechsten Schöpfungstages bewiesen. Der Christus ist das Bild und Gleichnis GOTTES, durch ihn wird das Wirken GOTTES in dieser Welt erfahren: Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen (Joh 14, 9) und: Ich und der Vater bilden eine Einheit (Joh 10, 30). Und zum Beweis, dass jeder das vollkommene Bild und Gleichnis GOTTES ist, hat er allen Kranken, die sich an ihn wandten, die Gesundheit wiederhergestellt.

Was ist die Wahrheit über den Menschen, die Jesus der Christus durch seine »Frohe Botschaft« verkündet und durch seine Zeichen (Wunder) beweist? Jesus begann seine Lehrtätigkeit mit dem Aufruf zum Sinneswandel: Die Identität des Menschen, sein wahres, unverlierbares und ewiges Selbst besteht im vollkommenen »Bild und Gleichnis GOTTES«.

Das Ego ist eine Projektion der sterblichen Psyche, des Fürsten dieser Welt. Sie ist der Diabolos, der Verleumder unsres wahren Selbst, ein Mörder vom Ursprung her. In der WAHRHEIT hat er keinen Bestand, weil keine Wahrheit in ihm ist. Immer wenn er der Lüge das Wort redet, spricht er von seinen eigenen Eigenschaften; denn er ist ein Lügner und Vater eines Lügners (Joh 8, 44): Die Psyche setzte eine Lüge in die Welt, und diese Lüge ist das materielle Ego des Menschen, und dieses Ego ist wieder eine Lüge über das wahre Selbst des Menschen als Bild und Gleichnis GOTTES. Das wahre Selbst des Menschen ist ewig wie GOTT, das Ego aber ist wie seine materielle Schöpfung zum Tode verurteilt.

In der WAHRHEIT hat er keinen Bestand: Die Projektion der Psyche ist ein Schattenspiel und hat nur in der Finsternis der Höhle Bestand, solange bis das Christus-Bewusstsein als Licht in die mentale Finsternis einfällt (Mt 4, 16): Das Licht erleuchtet in der Finsternis, und die Finsternis kann es nicht überwältigen (Joh 1, 5).

Jesus betont immer wieder: Nennt auf der Erde niemanden euren Vater, denn nur einer ist euer Vater: der himmlische (Mt 23, 9). Dieser Vater aber ist GEIST.

Das wahre Selbst des Menschen ist also geistig, und dieses Selbst ist seine ewig gesicherte Identität, die trotz aller materiellen Erfahrungen, die immer wieder im Tode enden, unverändert erhalten bleibt, einem Goldstück vergleichbar, das sich, von Verschmutzungen gereinigt, immer wieder in seiner strahlenden Schönheit zeigt, weil ihm der Schmutz nichts anhaben konnte.

Der dritte Schöpfungstag macht es deutlich: Die Wasser unter der Feste müssen abfließen und sich zu einem »Meer« sammeln. Das »Meer« aber ist Symbol für das Chaotische. In ihm wohnt das Seeungeheuer Rahab oder Leviathan, die bildliche Verkörperung der Mächte, die sich Gottes Schöpfermacht entgegenstellen und von ihm besiegt werden. Der Leviatan wird vorgestellt als Seeungeheuer (Drache) mit mehreren Köpfen, das sich zusammen mit der Urflut gegen Gott auflehnt; Ps 74, 13 f (Luther 84; Anhang 24).

Erst jetzt kann sich das Trockene zeigen, das »Erde« genannt wird. Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen. Denn er hat ihn über den Meeren gegründet und über den Wassern bereitet (Ps 24, 1 f; Luther 84). Das Reich des Vaters ist vielmehr ausgebreitet über die Erde … (Log 113).

Die Identität, das wahre Selbst des Menschen wird am sechsten Schöpfungstag als »Bild und Gleichnis GOTTES« bezeichnet. Es ist sehr gut, wird gesegnet und mit Herrschaft begabt. »Mensch« ist im Alten Orient Symbol für »Bewusstsein«.

Da die Erde des HERRN ist, kann also hier in diesem Erdenleben das vollkommene Bewusstsein schon erreicht werden, wie es der sterbliche Jesus von Nazareth beispielhaft vorlebte und als Weg lehrte. Macht sich der Mensch sein wahres Selbst, seine wahre Identität bewusst, wird er zum Bevollmächtigten GOTTES gesalbt, er wird zum Christus, der von sich sagen kann: Mir ist ganze Vollmacht gegeben worden im Himmel und auf der Erde (Mt 28, 18).

Bei seiner Predigt in der Synagoge zu Nazareth betonte Jesus:

Der GEIST GOTTES ruht auf mir, deshalb hat er mich gesalbt (Lk 4, 17). Jesus kam wieder nach Galiläa in der Kraft des GEISTES: Salbung bedeutet Machtübertragung.

Kraft dieser Machtübertragung durch GOTT, GEIST, kann Jesus das tun, was „Wunder“ genannt wird: Und ein erschrockenes Staunen kam über alle und sie redeten durcheinander: Was soll das bedeuten? Mit Vollmacht18 gebietet er den unreinen Geistern und sie fahren aus (Lk 4, 36).

Das Wundern ist ein Staunen über ein übernatürlich scheinendes Phänomen, so wie Max Planck staunte, als er entdeckte, dass im subatomaren Bereich Gesetze der Physik keine Geltung mehr haben.

Was geschah bei den „Wundern“, die Jesus wirkte? Er bewies die Allgegenwart des Reiches GOTTES, des GEISTES. Im Reich dieses GEISTES erweisen sich die Gesetze der Materie als nicht mehr existent, besser: als überhaupt nicht existent: es hat sie nie gegeben.

Bei den Wundern stellt Jesus nicht etwa eine verlorene Gesundheit wieder her, er macht auch keine Wiederbelebung von Toten, nein, er weckt Tote auf: er zeigt, dass sie nie tot waren, sondern nur geschlafen haben (Mt 9, 24; Joh 11, 11). Bei der Erweckung des Lazarus macht er nicht etwa einen eingetretenen Verwesungsprozess rückgängig, vielmehr will er durch sein langes Zögern (Joh 11, 6 und 15) zeigen, dass Lazarus nie gestorben war, dass es keinen Tod gibt, dass im Reich des GEISTES nicht die Gesetze von Raum und Zeit gelten.

Dass es in der Wirklichkeit keine Zeit gibt, zeigt Jesus seinen Schülern auch einmal bei einer Bootsfahrt (Joh 6, 16 ff): Sie rudern über das stürmische Meer, Jesus kommt übers Wasser zu ihnen – und schon sind sie am anderen Ufer.

Im Reich des GEISTES gibt es keine Zeit und keine Veränderung: Das Selbst oder die Identität des gottgeschaffenen Menschen bleibt immer gewahrt und mit sich selbst identisch.

Die christliche Lehre unterscheidet sich von östlichen Lehren besonders darin, dass der Mensch in kein Nirwana eingehen wird, dass seine Individualität nicht in der Gottheit aufgehen und erlöschen wird.

Das künstliche Licht der Psyche in der Höhle wird erlöschen und das Schattenspiel, das eine materielle Welt vorgaukelt, wird zu nichts, sobald das Licht des LOGOS wie eine Sonne in die unterirdische Grabhöhle hineinfällt.

Die Identität und die Individualität des Menschen bleibt immer erhalten. Dies lehrt der dritte Schöpfungstag mit seinen Symbolen das »Trockene« und der »Same«. Das Trockene bezeichnet die Identität. Vom Samen wird dreimal betont, dass er immer wieder Früchte hervorbringt mit Samen jeder nach seiner Art. Jesus sagt einmal, dass es in seines Vaters Haus viele Wohnungen gebe (Joh 14, 2).

Hat ein Mensch ein gesundheitliches Problem zu lösen, könnte er sich bewusst machen, dass er zu keiner Zeit seine vom Schöpfer zugesicherte vollkommene Identität und Individualität verlieren konnte; dass er immer das genaue Abbild und Gleichnis des vollkommenen Vaters geblieben ist und bleiben wird.

18 Das griechische exousia bedeutet: die von höherer Stelle erteilte Vollmacht zu handeln.

Paradies und Wiedergeburt

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