Читать книгу Paradies und Wiedergeburt - Karlheinz Benninger - Страница 13
ОглавлениеKapitel 6
Siehe, ich habe dir heute vor Augen gestellt
das Leben und den Tod,
das Gute und das Böse.
5 Mos 30, 15
Wer siegt, dem werde ich zu essen geben
vom Baum des LEBENS,
der im Paradies GOTTES steht.
Off 2, 7
Der Mythos vom Paradies
Aller schriftlichen Fixierung geht bei den Erzählungen der einzelnen Völker eine lange mündliche Tradition voraus. Den mündlichen Erzählungen liegen meist historische Ereignisse zugrunde, woraus Heldensagen wurden, so das Gilgamesch-Epos, die biblischen Geschichten, die Epen Homers bis hin zur Nibelungen-Sage.
Während der langen mündlichen Weitergabe blieb vom ursprünglichen historischen Kern der Ereignisse wie von der Historizität der Heldengestalten nur wenig übrig.
Besonders in Israel erfuhren die alten Überlieferungen und Mythen im Laufe der Zeit mehr und mehr eine Umgestaltung durch religiöse Deutung. Das … eigentliche Spezifikum israelitischer Geschichtsauffassung ist die Vorstellung, dass Jahwe mit dem Volke Israel einen Plan habe, dass also die israelitische Geschichte, so kompliziert und verworren sie auch ablaufen mag, vor sich und hinter sich einen Weg habe, der zu einem Ziel führe, und zwar zu einem von Jahwe gewollten Ziel. Israelitische Geschichte wurde, wie schon gesagt, als Heilsgeschichte verstanden, d.h. eine Geschichte, die zum Heile des Volkes Israel führe (Brunner-Traut, Erkennen 111).
Um das Jahr 800 vor begann für viele von den alten mündlichen Überlieferungen die schriftliche Fixierung. Dabei wurden aus einer Überfülle von Einzelerzählungen einzelne ausgewählt, „zusammengenäht“ und miteinander verflochten. Alle vorbiblischen heiligen Dokumente in hebräischer Sprache sind entweder verloren gegangen oder absichtlich ausgegliedert worden (Ranke-Graves, Mythologie 9). Zwei oder drei dieser schriftlichen Fixierungen bilden die Hauptstränge der Paradies-Geschichte, wie sie uns heute vorliegt, es sind die sogenannten Quellenschichten.
Im Jahr 539 vor eroberten die Perser unter Kyros II. Babylonien, wo die Juden in Gefangenschaft waren. Im darauf folgenden Jahr erlaubte der Perserkönig den Juden die Heimkehr nach Jerusalem. Diese erfolgte in mehreren Rückkehrerwellen. Unter Esra, einem Interpreten und Lehrer der Thora, begann die Kodifizierung der überlieferten Traditionen. Diese kulminierte schließlich in der Fixierung einer verpflichtenden Sammlung von Schriften, des Kanons der hebräischen biblischen Bücher des Judentums, des Alten Testamentes der Kirche (Bautz 50). Dies geschah um das Jahr 450 vor. Dabei wurden die Sieben Schöpfungstage, die im babylonischen Exil verfasst worden waren, an den Anfang der Genesis (1. Buch Mose) gestellt. An die zweite Stelle trat die Paradieserzählung. Sie läuft ab als Drama oder Tragödie in sieben Akten und hat keinerlei historischen Kern. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Adamsmensch. Die Kulissen sind dem Stoff der sumerisch-babylonischen Schöpfungsmythen entnommen und in ihren Farben ausgemalt.
Bei den biblischen Geschichten haben mehrere Redaktoren über Jahrhunderte in Schreiber- und Weisheitsschulen alte Quellenschriften kombiniert und ineinandergearbeitet. Jedoch wird die Ansicht, dass die Zusammenarbeit der Quellenschriften … ein schriftstellerischer Prozess, der die Zusammenarbeit aller geschichtlichen Überlieferungen anstrebte (Fohrer, Einleitung 207), gewesen sei, vom Autor nur mit Einschränkungen geteilt. Der Endredaktor des Pentateuch war ein inspirierter Theologe, der bei der Zusammenstellung der biblischen Bücher keine Urgeschichte des Stammes Israel geben, sondern eine theologische Botschaft mitteilen wollte. Er war Theologe, nicht Historiker. Seine Schrift war nicht gedacht als Geschichtswerk im Sinne eines Herodot oder Thukydides, sondern als »Heilige Schrift«. Bei seiner Kombination der Paradiesparabel aus den Quellenschriften hatte er die Priesterschrift mit den Sieben Schöpfungstagen vor sich liegen. Einen deutlichen Hinweis gibt uns der Redaktor in der Verwendung der Gottesnamen. In der wohl ältesten Quellenschrift, der Paradiesgeschichte, steht für den Schöpfer »Jahwe«. Der Verfasser der Sieben Schöpfungstage verwendet den Gottesnamen »Elohim«. Bei der Endredaktion der Paradiesparabel sind beide Namen zu »Jahwe Elohim« kombiniert, was seit der Luther-Übersetzung mit »Gott der HERR« wiedergegeben wird.
Der Gottesname »Jahwe Elohim« macht deutlich, dass dem Redaktor die Schöpfungstage vorlagen und dass er die alte Paradiesgeschichte in Zustimmung zu den Schöpfungstagen zur lehrhaften Parabel umarbeitete. Nur so macht es Sinn, wenn am Anfang der Jüdischen Bibel beide Schöpfungen, die doch so gegensätzlich sind, nebeneinander stehen bleiben können. Hinter dem Demiurgen Jahwe steht das neue Gottesbild Elohim, der Schöpfer der erleuchtenden Ideen. Er wird das mentale Dunkel vom Erdling Adam ausleuchten.
Wichtig war dem Endredaktor das Einheitsbewusstsein, das aus überlieferten Gebilden und Bruchstücken die Hallen der Bibel erbaut hat (Buber, Weisung [7]).
Das Paradies
Der Garten wird einmal »Garten in Eden« genannt, dann »Garten von Eden« oder einfach »Garten Eden«, schließlich in 4, 16 nur »Eden«, wonach Garten und Eden identisch wären. Aus dem Wort Eden hörte der Hebräer das Wort »Wonne« heraus. Doch weisen die alten Quellen auf das Sumerische zurück, und die Verfasser der alten Quellenschriften wussten sicherlich, daß Eden mit dem sumerischen edin identisch ist. Edin, akkadisch edinu, bedeutet Steppe. Steppe aber und Wüste sind gleichzeitig Synonyme für die Unterwelt, das Land der Finsternis. Die Weite der mesopotamischen und syrischen Steppe wurde (… ) von den Stadtbewohnern als bedrohlich, fremd, als Wohnung der Dämonen und Ort des Todes empfunden und auch so genannt (Wolfgang Röllig; in: Brunner-Traut, Religionen 48).
Als die jüdischen Gelehrten von Alexandria im dritten vorchristlichen Jahrhundert damit begannen, die Bibel ins Griechische zu übertragen, wählten sie mit glücklichem Griff bei ihrer interpretierenden Übersetzung für das hebräische gan (Garten) das griechische Wort parádeisos. Das Wort parádeisos hat der griechische Schriftsteller Xenophon zum ersten Mal verwendet, wohl auch geprägt. Xenophon hatte 401 vor an dem Feldzug des jüngeren Kyros gegen dessen Bruder, den persischen Großkönig, teilgenommen und den Rückzug der griechischen Söldner angeführt. Er hat das neue Fremdwort nach dem iranischen paridaiza geprägt und dann parádeisos für die Parkanlagen der persischen Großkönige und ihrer Satrapen verwendet. Dieses Paradies ist der Lustgarten für die Könige. Entsprechend wird der Garten Eden auch geschildert: In diesem Park sprudelt eine Quelle, die ihre Wasser in die vier Himmelrichtungen fließen lässt, rings finden sich allerlei Bäume … lieblich anzusehen und gut zu essen (2, 9), eine Lust für die Augen (3, 6), auch allerlei Tiere finden sich darin (2, 19). In ihm geht der Herr des Gartens beim Tagwind spazieren (3, 8). Der eingehegte Lustgarten, das ist die Bedeutung des persischen paridaiza, wird am Eingang von Wächtern bewacht, in der Bibel sind es die Cheruben (3, 24). Die Archäologie zeigt uns diese Cheruben als Wächter bei den großen Torbauten (…) als Ausdruck für die Unnahbarkeit der Majestät, ob eines Gottes oder eines gottähnlichen Herrschers (Calwer 186).
In vielen frühen Mythen der Völker gab es einst ein goldenes Zeitalter, als die Menschen mit den Göttern zusammen in einem herrlichen Garten wohnten. Dieses goldene Zeitalter wurde abgelöst von immer schlechteren Zeitaltern.
Mythen vieler Völker reden von einem Land oder Ort der Seligkeit in der Urzeit oder (für die Gegenwart) am Rande der bekannten Welt: Götter leben dort, Heroen oder besonders ausgezeichnete Sterbliche seien dorthin entrückt worden oder kämen nach dem Tode dorthin. Im Umkreis des Alten Testamentes ist besonders auf die Paradiesmythen des mesopotamischen oder iranischen Kulturkreises, auch – vgl. Ez 28 13 ff – auf phönizische Vorstellungen zu verweisen. … Ein zusammenhängender Paradies-Mythos ist im Alten Testament nicht festzustellen27. Soweit ein solcher auch in Israel bekannt war, wurde er jedenfalls unter dem Einfluss des Jahweglaubens ausgeschieden (Begr. Lex. NT 997).
27 Hervorhebung durch den Autor dieses Buches