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1 Unser gemeinsames Fundament

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In jedem von uns schlägt ein edles Herz. Dieses Herz ist die Ursache unserer besten Bestrebungen, mögen diese uns selbst oder anderen gelten. Es verleiht uns die Kraft und den Mut, unseren Hoffnungen nachzugehen. Mag unser Edelmut auch manchmal verdeckt von kleinlichen Gedanken oder blockiert durch verwirrte und verwirrende Gefühle sein, unser edles Herz schlägt trotzdem weiter in uns, bereit sich zu öffnen und der Welt dargeboten zu werden. Unser Ziel – das Ziel dieses Buches – ist es, dieses edle Herz in uns zu entdecken und uns mit ihm zu verbinden, sodass es zum Ausgangspunkt all unseres Tuns und Fühlens wird. Wenn wir alle Blockierungen überwinden, kann dieses Herz die Welt verändern.

Obwohl ich ein buddhistischer Mönch bin, ist dies kein Buch über buddhistische Theorie und Praxis, sondern über unsere Erfahrungen als menschliche Wesen. Was uns eint, ist unsere Sorge um unser Leben und unsere Erde. Auf diesem gemeinsamen Fundament können wir uns als Freundinnen und Freunde treffen. Ich habe buddhistische Philosophie und Religion studiert; daher werde ich mich mitunter buddhistischer Begriffe bedienen. Ich tue dies nur, weil diese Begriffe hilfreich für mich waren und weil ich hoffe, Sie können auch Ihnen sinnvolle Perspektiven eröffnen. Bitte erachten Sie meine Ausführungen nicht als autoritative Darlegung der buddhistischen Schriften. Ich spreche hier aus meiner eigenen Erfahrung.

Ich bin nun fünfundzwanzig Jahre alt. In sehr jungen Jahren wurde ich als der siebzehnte Karmapa entdeckt, und mir ist sehr bewusst, dass ich die neunhundertjährige Reinkarnationsgeschichte der vorhergehenden sechzehn Karmapas weitertrage. Doch ich betrachte mich selbst nicht als »der Karmapa«, sondern als menschliches Wesen. Ich bin einfach ein Mensch mit besonderer Verantwortung und mit speziellen Möglichkeiten. Ich mag eine besondere Rolle einnehmen, weil ich den Namen »Karmapa« trage und seine Position einnehme, doch wir alle tragen Verantwortung, je nachdem, welche Rolle uns von der Welt zugewiesen wurde.

Obwohl ich ausführliche Unterweisungen erhielt, um meinen Pflichten als Karmapa nachzukommen, erfuhr ich meine erste spirituelle Bildung durch meine Eltern. Dies gilt wohl für uns alle. Meine Mutter kann zwar nicht lesen, doch sie ist eine aufrichtige, herzliche und liebevolle Frau. Mutter und Vater waren meine ersten spirituellen Lehrer. Unsere Eltern bringen uns auf die Welt und erziehen uns. Egal, woher wir kommen, Eltern oder andere Bezugspersonen haben sich um uns gekümmert, als wir klein waren. Diese Erfahrung ist uns allen gemeinsam.

Und wir teilen gemeinsam einen Planeten. Wir leben auf ihm miteinander von Geburt an. Sie und ich, wir wurden bislang einander nicht vorgestellt. Durch dieses Buch können wir einander kennenlernen. Ich verfolge damit ausschließlich das Ziel, Ihnen meine Anliegen darzulegen. Sollten Sie feststellen, dass wir viele Erfahrungen und Bestrebungen miteinander teilen, ist das Ziel des Buches bereits erreicht.

Auf unserem Lebensweg erfahren wir viele Veränderungen. Direkt vor unseren Augen spielt sich ein Prozess unermesslichen materiellen Fortschritts ab. Wir haben, beginnend in der Kindheit, alle die Erfahrung körperlichen Wachstums gemacht, und auch wenn dieser Prozess abgeschlossen ist, entwickeln wir uns kontinuierlich weiter. Diese körperliche Entwicklung sollte mit geistiger Entwicklung einhergehen. Mit äußerem Wachstum sollten auch unsere Weisheit und unsere Fähigkeit wachsen, zu unterscheiden, was gut und was schädlich für uns ist. So, wie wir die Blüte unserer körperlichen Jugend wahrnehmen, können wir auch das innere Erblühen unseres Herzens und unseres Geistes erfahren. Diese jugendliche Kraft können wir der Welt darbieten, so wie wir später unsere zur Reife gelangte Weisheit verkörpern.

Wir können ein Leben lang viel voneinander lernen. Immer wieder bin ich vom aufrechten Streben anderer Menschen tief berührt worden und habe viel von ihnen gelernt.

Ich erhoffe viel für die Welt, aber ich versuche, keine Erwartungen zu hegen. Unabhängig davon, ob ich meine Bestrebungen erfüllen kann oder nicht, wünsche ich mir, dass sie mich und mein Handeln in der Welt formen. Das bloße Fokussieren auf das Erreichen bestimmter Ziele kann uns zu sehr an diesen Zielen anhaften lassen. Unsere Träume müssen sich nicht unbedingt erfüllen, damit wir glücklich sein können. Das Nähren von Hoffnungen als solches ist sinnvoll. Auf eine Erfüllung der Hoffnungen hinzuarbeiten bedeutet einen Wert an sich, unabhängig vom Ergebnis. Wenn wir uns nicht mehr so sehr an Ergebnissen orientieren, wächst der Mut, unserem Streben für die Welt zu folgen. So finden wir unser edles Herz.

Bis heute teilen wir diese Erde miteinander, ohne ein Bewusstsein davon entwickelt zu haben. Doch jetzt können wir unsere Hoffnungen für unser gemeinsames Zuhause teilen. Wir können gemeinsame Bestrebungen für uns und für einander entwickeln. Das ist alles – mehr braucht es nicht. Uns über unsere Hoffnungen und Bestrebungen, über unsere Erfahrungen auszutauschen kann uns auf einer grundsätzlichen menschlichen Ebene zueinander führen. Das vermag uns Glück zu schenken.

Das edle Herz

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