Читать книгу Lügen der Vergangenheit - Karola Schmidt - Страница 10

Eine bekannte Handschrift

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Also gingen wir über den Strand zurück zur Burg. Mit John zwischen uns spazierten wir so, als hätten wir nichts weiter zu tun, nur damit keiner Verdacht schöpfte.

In der Burg angekommen, gingen wir ohne Umwege in Marias früheres Zimmer und suchten nach dem Buch.

Ich hatte meine Freundin gar nicht so ordentlich in Erinnerung, aber hier standen sämtliche Bücher in Reih und Glied.

„Moment, ich hab’s gleich. Hier ist es ja.“

Es sah alt und abgenutzt aus, na ja es ging bestimmt schon durch so manche Hand. Sie blätterte wie wild darin herum, man merkte, dass sie aufgeregt war.

So kannte ich sie nicht, es machte ihr schon zu schaffen. Schließlich standen ihre Hochzeit, ihr Leben und vor allem ihre Familiengeschichte auf dem Spiel.

„Ich glaube, ich habe sie gefunden! Zeigst du mir den Brief noch einmal?“

Ich holte ihn aus dem Kuvert und reichte ihn ihr.

„Das glaube ich nicht, nein unmöglich, das kann nicht sein.“

Langsam wurde John ungehalten.

„Nun sag schon, wer ist der Briefschreiber und spann uns nicht so auf die Folter.“

Es lag so eine Spannung in der Luft wie in einem Krimi, wenn der Mörder gerade entlarvt wird.

„Es ist Kathy, Bens Schwester.“

„Du hast mir nicht erzählt, dass Ben noch eine Schwester hat“, sagte ich zu Maria.

Innerlich ärgerte ich mich. In den letzten Tagen, habe ich immer wieder etwas Neues erfahren, obwohl wir schon so lange befreundet waren.

„Eigentlich ist sie seine Stiefschwester.“

Maria sah uns an, dann sackte sie in dem großen Sessel zusammen. Sie konnte das alles nicht fassen.

„Warum tut Kathy das? Wie kommt sie dazu, solche Briefe zu schreiben? Ich meine, sie ist seine Schwester oder Stiefschwester, sie gehört zur Familie“, sagte Maria traurig.

Sie wirkte so niedergeschlagen und es tat mir leid, was ich gerade über sie gedacht hatte. Ich ging zu ihr und nahm sie in den Arm.

„Vielleicht weiß ja Ben gar nichts davon. Es tut mir so leid Süße. Hätte ich das alles geahnt, ich... oh nein, es ist alles meine Schuld.“

John kam auf mich zu und packte mich an den Armen.

„Was redest du bloß für einen Unsinn und wieso ist es deine Schuld? Du kennst sie ja nicht einmal.“

Er hatte ja Recht und doch kam ich mir so schlecht vor. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und einfach davon gelaufen.

„Sag mal Maria, hast du denn Kathy hier in letzter Zeit mal gesehen?“, fragte John so nebenbei.

„Nein, also mir ist sie nicht über den Weg gelaufen.“

Im Gegenteil zu den Beiden, wusste ich nicht mal wie sie aussah. Sie hätte mir schon begegnen können, ohne dass ich wusste, wer sie war.

„Hast du ein Bild von ihr, ich würde gern sehen, wie sie aussieht. Wahrscheinlich bin ich ihr noch nie begegnet, aber man weiß ja nie.“

Sofort fing sie zwischen ihren Fotos an zu kramen.

„Warte mal, ich glaube hier in dem Album müssen noch Fotos von Ben und seiner Familie sein. Ja richtig, hier sind sie. Das da ist Kathy.“

Sie zeigte mit ihrem Finger auf das Foto. Mir wurde plötzlich heiß und kalt vor Schreck.

„Was ist mit dir Susan, geht es dir nicht gut? Du siehst auf einmal so blass aus.“

Ich starrte immer noch auf das Foto und bekam kaum ein Wort heraus, geschweige denn einen Satz.

John berührte mich am Arm.

„Kennst du sie etwa?“

Ich nickte und sah ihn wie durch einen Schleier an.

„Das ist meine Angestellte in der Boutique in Edinburgh.“

„Wie bitte?“ Riefen beide vor Entsetzen.

„Kathy arbeitet für dich? Wie ist das denn möglich?“

Das klang fast wie ein Vorwurf von Maria.

„Ja, sie arbeitet für mich, sogar schon eine ganze Weile. Ich muss ja auch mal frei machen.“

„He Kleines, so war das jetzt nicht gemeint. Woher solltest du auch wissen, wer sie ist.“

Ich konnte das überhaupt nicht fassen, Kathy, meine Angestellte war Bens Stiefschwester.

„Hat sie denn nie über ihre Familie gesprochen?“, wollte John wissen.

„Eigentlich nicht so richtig. Sie hat mal erwähnt, dass ihre Eltern tot sind und sie mit ihrem Bruder bei Verwandten aufgewachsen ist. Ich hatte keine Ahnung dass es sich dabei um Ben handelt. Sein Familienname ist anders als der von Kathy. Wie kommt das? Andere Namen hat sie nie erwähnt. Ich wollte auch nicht neugierig erscheinen und weiter nachfragen.

Ihre Familiengeschichte ging mich nichts an.“

„Was meinst du, wo ist sie jetzt?“, fragte John weiter.

Ich schaute auf das Bild und sagte sehr nachdenklich:

„Ich hoffe doch in meiner Bou Bou... meinem Laden.“

Dann ging nichts mehr. Ich konnte mich nicht mehr zusammenreißen und fing hemmungslos an zu weinen. Es sprudelte nur so aus mir heraus.

John setzte sich zu mir auf den Boden und wiegte mich hin und her wie ein Baby.

An ihn gelehnt, hörte ich zu, wie er sich mit Maria unterhielt.

„Meinst du, Ben weiß etwas von den Briefen?“

„Er hat nie etwas gesagt oder auch nur angedeutet.

John, wir müssen ihn fragen, ich muss wissen, ob er mich belügt, denn wenn das so ist, weiß ich nicht was ich tun werde. Ich habe ihm vertraut und eigentlich tue ich das auch immer noch.“

„Hat er denn jemals etwas über seine Schwester erzählt?“ „Ich weiß nur, dass sein Verhältnis zu ihr nicht sonderlich gut war. Es gab früher einmal einen Vorfall in seiner Familie, aber ich glaube, er hat das verdrängt oder wollte auch nichts darüber sagen. Susan sagte was vom Tod der Eltern, vielleicht hatte es damit zu tun. Keine Ahnung, er hat nie davon gesprochen und ehrlich gesagt, habe ich auch nicht danach gefragt.

Ich liebe Ben und ich möchte ihn auch heiraten. Aber ich muss herausfinden, ob es da eventuell noch etwas zu klären gibt. Vielleicht sollten wir die Hochzeit besser verschieben und warten, bis alles geklärt ist. Ach ich weiß auch nicht, was ich tun soll. Mit soviel Komplikationen habe ich ja nicht rechnen können und dann ziehe ich dich auch noch mit rein.“

Dabei sah sie mich mit traurigen Augen an.

In der Zwischenzeit hatte ich mich wieder einigermaßen beruhigt.

„Mach dir bitte um mich keine Sorgen“, sagte ich zu Maria.

„Als erstes werde ich nach Edinburgh fahren und mit Kathy reden. Ich kann nicht glauben, dass mir überhaupt nicht das Geringste an ihr aufgefallen ist. Sie war von Anfang an nett und freundlich. Ich hatte keinen Grund nach ihrer Vergangenheit zu fragen. Macht man das eigentlich oder ist man dann nur neugierig?“

Nicht einmal das wusste ich.

Ich merkte, dass sie mich beide fragend ansahen.

John war fast außer sich, über das, was ich vorhatte.

„Du fährst auf keinen Fall alleine nach Edinburgh! Das kommt überhaupt nicht in Frage, hast du mich verstanden?“

Ich war erschrocken über seinen lauten Tonfall und genauso musste ich ihn wohl auch angesehen haben.

„He Schatz, so sollte das nicht rüber kommen, bitte sei mir nicht böse.“

„Bin ich ja nicht. Ich möchte nur nicht, dass dir etwas passiert, wenn du da plötzlich aufkreuzt. Wer weiß, wozu sie fähig ist. Wir wissen ja im Grunde gar nichts von ihr. Was ist mit eurer Vergangenheit, wie kann sie denn darüber etwas erfahren haben?“

Alle Augen waren wieder auf mich gerichtet. Offenbar hatte sich noch keiner darüber Gedanken gemacht.

„Ich glaube, daran bin ich wohl Schuld“, bemerkte Maria kleinlaut.

„Nun schaut mich bloß nicht so erstaunt an. Es war mir wichtig, dass es zwischen Ben und mir keine Geheimnisse gibt, wenn wir heiraten. Du hast Susan doch auch erzählt, was unsere Vorfahren getan haben oder nicht.“

Er machte einen tiefen Seufzer.

„Ja du hast ja Recht, es sollte zwischen zwei Menschen, die sich lieben und ein ganzes Leben miteinander verbringen möchten, keine Geheimnisse geben.“

Dabei sah er mich an und ich merkte wie mir heiß wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das klang beinahe wie ein Antrag. Maria empfand das wohl auch so.

„Oh, ha“ sagte sie ganz spontan, „das klingt ja, als hättest du ernste Absichten mit meiner Freundin. Nicht das ich etwas dagegen hätte, oh nein, es würde mich sehr freuen.“

John sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.

„Also, Maria bitte, die Situation ist ja wohl nicht gerade passend. Allerdings, wenn ich es mir so richtig überlege, hast du vielleicht Recht.“

John nahm mein Gesicht in seine Hände und sah mich mit seinen wunderschönen Augen an.

„Susan, die Lage ist tatsächlich nicht die Beste, aber das ist mir egal und vielleicht bekomme ich so schnell keine Gelegenheit mehr dazu, deshalb frage ich dich, möchtest du gemeinsam mit mir durchs Leben gehen?“

Darauf war ich nicht vorbereitet und ziemlich überrascht. Immerhin kannten wir uns erst einige Wochen. Ich lächelte ihn an und sagte spontan: „Ja, das will ich.“

Er nahm mich in den Arm und küsste mich so innig. Dabei war es ihm egal, ob seine Schwester vor uns saß. Er tat es einfach.

Maria freute sich natürlich sehr.

Sie drückte mich, gab mir einen Kuss auf die Wange und sagte ganz feierlich: „Willkommen in unserer Familie, Kleines!“

Für einen kurzen Moment hatten wir fast vergessen, warum wir eigentlich hier waren. Es gab immer noch eine Sache zu klären und die bereitete uns trotz der gerade guten Stimmung Kopfzerbrechen.

„Wie wollen wir denn nun vorgehen?“ wollte seine Schwester von uns wissen.

„Mm, ich denke, du sprichst mit Ben, Susan und ich fahren nach Edinburgh. Sind alle Anwesenden damit einverstanden?“

„Wird Ben dir auch nichts tun?“ fragte ich meine Freundin so ganz nebenbei.

„Ben liebt mich und ich liebe ihn, deshalb glaube ich auch nicht, dass er mir etwas antun könnte. Außerdem würde ihm das nicht gut bekommen. Er weiß, dass ich ihm kampftechnisch überlegen bin.“

„Hu, da kann man ja Angst bekommen.“, neckte ich sie.

„Ja, ich habe so einiges drauf, von dem du noch nichts weißt.“

Ich sah sie kopfschüttelnd an.

„Wir haben doch nicht etwa noch mehr Geheimnisse verborgen?“

Dann lachten wir alle zusammen und machten uns gemeinsam auf den Weg. Es lag eine schwierige Aufgabe vor uns. Hoffentlich ging alles gut.

***

Lügen der Vergangenheit

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