Читать книгу Lügen der Vergangenheit - Karola Schmidt - Страница 9
Unheimliche Begegnung
ОглавлениеAls ich am nächsten Morgen erwachte, fand ich erneut einen Brief vor meiner Tür, das gleiche Papier, wie beim letzten Mal. Da ich ahnte, nein wusste, dass er nicht von John sein konnte, machte ich mir im ersten Moment keine großen Gedanken darüber.
Später, nach dem Duschen, würde ich ihn lesen und steckte ihn erst einmal in meine Jeanshose, die über dem Sessel hing.
Es war ein schöner Morgen. Ich hatte wie fast immer Hunger. Also ging ich hinüber zu Ben, um mir was zum Frühstück zu bestellen.
„Sag mal, hast du eigentlich nie Stress oder mal schlechte Laune? Wann immer ich dich sehe, lächelst du. Ich bewundere das und ich glaube, Maria kann sich glücklich schätzen, so einen Mann wie dich zu bekommen.“
„Das hoffe ich doch sehr und es freut mich Susan, wenn du das so siehst. So und nun, was kann ich dir zum Frühstück bringen, etwas Herzhaftes, Eier mit Speck oder lieber etwas Normales, so etwas wie Toast mit Marmelade?“
Ich überlegte kurz und entschied mich für das Erste.
Schließlich wusste ich ja nicht genau, wann ich das nächste Mal etwas essen würde.
Heute Morgen war ich der einzige Gast hier.
Das war auch nichts Ungewöhnliches, denn die meisten Einwohner gingen sicher ihren Geschäften nach. Von irgendetwas mussten sie ja auch leben.
„Wo ist Maria, schläft sie noch?“
„O, na ja, so genau weiß ich das gar nicht.“
Das wunderte mich, verbrachten die zwei nicht die Nächte miteinander? Hörte sich jedenfalls so an. Ging mich ja nichts an.
„Na, ist ja auch egal. Ich werde sie ja später noch sehen.“
Dann aß ich mein leckeres Frühstück und ging wieder.
So richtig konnte ich mich nicht entscheiden, wo ich hingehen sollte, also schlug ich den Weg zur Burg ein, in der Hoffnung John dort zu treffen. Als ich am Bekleidungsgeschäft von Claire vorbei schlenderte, sah ich sie hinter der Schaufensterscheibe stehen.
Ich winkte ihr freundlich zu und hob dabei die Hand, aber sie schaute mich ziemlich grimmig an und drehte sich dann weg.
Was sollte das denn bedeuten? Erst wollte ich zu ihr gehen, überlegte es mir schließlich und ging weiter. Ich dachte darüber nach, ob ich irgendetwas getan hatte, womit ich sie verärgert haben könnte, doch mir fiel beim besten Willen nichts ein.
Na ja, vielleicht war sie ja eifersüchtig auf mich.
Ach Unsinn, dachte ich, was ich mir einbildete, außerdem liefen hier genug tolle Kerle herum. Trotzdem kam es mir unheimlich vor.
Diese Augen, die sahen so hasserfüllt aus, irgendetwas war da ganz und gar nicht in Ordnung.
Ich war schon fast an der Burg angekommen. Hoffentlich war John hier. Ohne ihn fühlte ich mich so einsam und schutzlos. Was hatte ich nur vorher gemacht? Mein Leben in Edinburgh war, gegen diese wenigen Tage hier, die reinste Langeweile. Mein Leben hatte sich komplett verändert.
Am Tag sah es hier sehr idyllisch aus. Ich fragte mich, wie es wohl vor 500 Jahren ausgesehen haben musste. Wahrscheinlich flanierten die Damen mit ihren Herren durch den Park.
Der Garten sah sehr gepflegt aus. Wer hier arbeitete, hatte eine Menge zu tun. Das ganze Anwesen, war riesig. Man konnte es kaum überblicken. Die große Gittertür am Eingang war unverschlossen, also ging ich hinein. So ganz wohl war mir nicht. Ich war noch nie allein hier. Vielleicht war es John gar nicht recht, dass ich hier aufkreuzte. Plötzlich verließ mich der Mut und ich drehte wieder um. Ich ging die Steintreppe hinunter zum Tor und im nächsten Moment hatte ich das Gefühl, es würde jemand hinter mir stehen.
Meine Schritte wurden langsamer, doch ich war nicht in der Lage mich zu bewegen. Was sollte ich jetzt tun, meine Nackenhaare signalisierten mir, dass ich hier nicht allein war. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und drehte mich ruckartig um. Ich war mir sicher, dass jemand hinter mir stand, aber da war nichts. Das war merkwürdig, ich hatte es gefühlt.
„Ist da jemand?“
Keine Antwort.
„John, bist du hier!“
Oh bitte, bitte sei hier. Nichts. Ich wollte losrennen, doch ich kam nicht dazu. Plötzlich zog mich jemand zur Seite und hielt mir mit einer Hand den Mund zu.
Mir blieb vor Schreck die Luft weg. An meinem Ohr flüsterte eine mir bekannte Stimme:
„Keinen Ton, hier stimmt etwas nicht, verhalte dich ganz ruhig.“
Ich nickte und er nahm seine Hand von meinem Mund.
„John, du hast mich fast zu Tode erschreckt. Was ist denn los?“
Er legte mir seinen Zeigefinger auf den Mund um mir damit zu sagen, ich solle still sein. Das tat ich natürlich. Ich war froh, dass John nun bei mir war. Mein Herzklopfen hätte jeder Sterbliche in zehn Meter Entfernung hören können, so laut empfand ich es. Ich krallte meine Hand in sein T-Shirt, aus Angst, er könnte verschwinden. Dann löste sich die Anspannung wieder. Endlich sah er mich an.
„Was immer hier war, es ist verschwunden.“
Na toll, wer oder was schlich denn hier am Tag umher ohne gesehen zu werden. Etwa so etwas wie ein Taggeist?
„Wie meinst du das, was hier war, du machst mir Angst John.“
Er legte mir seine Hand auf mein Herz und tat so als wollte er hören, wie es schlägt.
„Ich bin ja jetzt bei dir, du musst dich nicht mehr fürchten.“
Leichter gesagt, als getan. Ich fand es immer noch unheimlich hier.
„Können wir bitte gehen, ich fühle mich im Moment überhaupt nicht wohl.“
„Komm, wir gehen in die Burg. Drinnen sind wir in Sicherheit. Es kann kein Fremder hier herein kommen, ohne das ich es merke.“
„Gibt es so etwas wie eine Alarmanlage hier oder hast du es im Gefühl, wenn etwas nicht stimmt oder wenn sich ein Fremder nähert?“
„So was in der Art, ja. Meine Instinkte sind recht gut ausgeprägt, ich spüre, wenn Gefahr droht.“
Langsam beruhigte ich mich wieder.
„Warum bist du hier?“
„Na ja John, ich war so allein ohne dich und da dachte ich, ich komme dich besuchen? Das war wohl keine so gute Idee oder?“
„Um ehrlich zu sein, nein, es war nicht so gut. Du musst wissen, dass es gefährlich ist, hier allein durch die Gegend zu laufen.“
Sein Ton war etwas barsch. Na super, demnach sollte ich hier ohne ihn nirgendwo hingehen. Das gefiel mir überhaupt nicht. Ich hatte keine Lust in meinem Zimmer zu sitzen und zu warten, bis er mal Zeit für mich hatte.
Er merkte sofort, dass es mich ärgerte.
„Tut mir leid Susan, ich will nur nicht, dass dir etwas zustößt. Verstehst du, was ich damit sagen will?“
„Ja ich verstehe dich. Mir ist auch unterwegs schon etwas Merkwürdiges passiert.“
„Was? Wie meinst du das?“
„Na ja, auf dem Weg hier her habe ich Claire durchs Schaufenster gesehen, sie hat mich so was von böse angeschaut, was ich nicht verstehen konnte. Ach du je, das habe ich ja voll vergessen.“
„Was hast du vergessen?“
„Heute Morgen lag schon wieder ein Brief vor meiner Tür.“
„Wirklich? Was stand drinnen?“
„Das weiß ich nicht, ich habe ihn noch gar nicht geöffnet.“
„Du hast ihn noch nicht mal aufgemacht? Wenn da nun etwas Wichtiges drin steht.“
Ich fasste in meine Jeanstasche und holte ihn heraus.
„Bitte, würdest du ihn für mich lesen, ich kann nicht.“
„Natürlich, wenn du es möchtest.“
Er überflog ihn kurz und ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass da nichts Gutes stand.
„John, was ist?“
Jetzt wurde ich fast schon hysterisch.
„Komm, wir setzen uns besser erst mal hin.“
Dann gab er mir den Brief und ich las selbst, was da stand.
Ich dachte der 1.Brief reichte um Sie los zu werden. Wie ich feststellen musste, war das nicht der Fall.
Für Sie noch einmal ganz deutlich. Dieser Mann gehört mir. Wenn Sie von hier weg gehen, wird niemandem etwas zustoßen. Sollten Sie das nicht tun, werde ich jemandem schaden, der Ihnen nahe steht. Die Entscheidung liegt allein bei Ihnen. Also verschwinden Sie von hier oder ich werde Dinge über die edle Familie Morris ausplaudern, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind.
Ich fand keine Worte dafür. Wer konnte nur so gemein sein.
John bemerkte meine Hilflosigkeit und nahm mich in den Arm. Er hielt mich ganz fest.
„Keine Angst mein Herz, wir werden sie oder ihn rechtzeitig ausschalten, wer auch immer das ist, versprochen.“
„Aber wenn diese Person nun schneller ist und Maria was antut, das würde ich mir nie im Leben verzeihen können. Nein John, es ist besser ich gehe, das Risiko kann ich nicht eingehen.“
„Oh nein Susan, das lasse ich auf keinen Fall zu, du wirst hier bleiben und wir werden die Hochzeit meiner Schwester, deiner Freundin zusammen feiern. Erst einmal werden wir mit Maria darüber sprechen und dann sehen wir, was zu tun ist um dieses hinterlistige Stück Dreck auszuschalten.“
Jetzt war er so richtig aufgebracht. Er ärgerte sich maßlos darüber. Vielleicht auch nur, weil er dem Ganzen hilflos ausgesetzt war.
„Du kennst doch hier alle. Was meinst du denn, wer das geschrieben hat. Ich meine, eigentlich könnte es doch nur eine Frau sein!“
Er überlegte eine Weile.
„Es gibt zwar einige Frauen hier, na ja, die mir mehr oder weniger schöne Augen machen, doch das habe ich nicht so wahrgenommen. Sieh dich doch mal um, es laufen genug tolle Männer hier umher, einer besser gebaut als der andere.“
Er hatte ja Recht, die Männer hier sahen wirklich ziemlich gut aus. Das war mir schon am Lagerfeuer aufgefallen.
„Wie denkst du denn über Claire? Ich meine, anfangs war sie sehr nett zu mir, als ich hier ankam und heute Morgen, dieser Blick durchs Schaufenster, also ich weiß ja nicht. Es läuft mir immer noch kalt den Rücken herunter.
Inzwischen ist ihr auch bestimmt aufgefallen, dass wir zusammen sind, vielleicht ist sie ja wirklich eifersüchtig.
Irgendwie macht es mir Angst und was, wenn sie es gar nicht ist, sondern jemand den wir überhaupt nicht vermuten würden.“
„Ja, der Gedanke kam mir auch schon.“
„Ach John, wäre ich doch nie hierher gekommen, es würde alles viel einfacher für euch sein.“
„Hör mal zu Susan, ich möchte nicht, dass du so etwas denkst. Rede dir ja keine Schuldgefühle ein. An diesem ganzen Quatsch ist nur diese eine Person Schuld und kein anderer. Hast du mich verstanden? Außerdem, hätten wir uns dann nie kennen gelernt und das wäre doch sehr bedauerlich, findest du nicht auch?“
Er lächelte mich verliebt an und ich war natürlich glücklich.
„Ja da muss ich dir recht geben, John. Ich mache mir aber Sorgen um Maria und dich, das verstehst du doch?“
„Ach nein, du machst dir Sorgen um uns und was ist mit dir? Du könntest auch verletzt oder überfallen werden, denkst du auch mal daran? Ich möchte nicht, dass du in nächster Zeit allein dein Zimmer verlässt oder Spaziergänge machst, versprichst du mir das bitte?“
Mir war zum Heulen zumute, war es doch genau die Situation, die ich vorhin so gehasst hatte, aber ich versprach es ihm.
Jetzt mussten wir nur noch heraus bekommen, wer der Briefschreiber war.
Wir entschieden uns erst mal zu Maria zu gehen um ihr alles zu berichten.
Auf unserem Rückweg war John sehr aufmerksam, er beobachtete die Fenster und Türen der Häuser.
Es war sehr beängstigend. Ein Mensch konnte auf vielerlei Art getötet werden.
Maria war glücklicherweise in ihrem Zimmer und traute ihren Ohren kaum, was wir ihr da erzählten.
„Das kann es doch nicht geben, wer tut denn so etwas? Ich meine, wir wohnen fast unser ganzes Leben hier und jeder kennt hier jeden.“
Sie schüttelte immer nur den Kopf und konnte das alles nicht glauben.
„Gibst du mir den Brief mal, ich möchte ihn mir einmal ansehen.“
Ich gab ihr den Brief und sie nahm ihn genau unter die Lupe. „Soll ich euch mal was sagen, diese Schrift kommt mir bekannt vor.“
Wow, das hatten wir nicht erwartet.
„Wie kannst du dir so sicher sein?“
„Ja, meine Lieben, das ist ganz einfach und daran hat diese Person bestimmt nicht gedacht. John, du weißt doch, dass ich eine Art Poesiealbum habe. Da haben sich alle meine Freunde, Bekannten oder Verwandten mit einem Spruch verewigt. Weißt du noch?“
„Ja richtig, he, das hatte ich glatt vergessen, na ja, ist ja auch schon ein paar Jahre her.“
Jetzt waren die Zwei voll in ihrem Element.
„Solange auch wieder nicht. Die letzten Eintragungen waren erst vor zwei oder drei Jahren, glaube ich.
Wir müssen auf jeden Fall zur Burg zurück. Das Buch liegt oben in meinem alten Zimmer.“
Ich war total aufgeregt, sollte das alles so einfach sein, diese Person dingfest zu machen, bevor noch etwas Ernsthafteres passierte? Wenn es so war, wäre ich natürlich froh darüber.
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