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Nackenroman

Was für Medikamente die Beipackzettel sind, sind die Wasch- und Pflegeanleitungen für unsere Klamotten. Beide haben große Gemeinsamkeiten. Vor allem die epische Breite, in der sie verfasst sind. Beipackzettel für Arzneimittel erinnern heute eher an einen Fortsetzungsroman, der zu allem Überfluss wie eine Straßenkarte gefaltet ist. Und wir alle wissen, dass wir Straßenkarten, wenn sie einmal ausgebreitet sind, nie wieder und auch noch nicht einmal ansatzweise in ihren Originalzustand zurückversetzen können.

Hinzu kommt, dass die Texte in einem Fachchinesisch abgehalten sind, so dass schnell der Ver-dacht erweckt wird, dass es sich dabei um eine Sprache handelt, der man überhaupt nicht mächtig ist.

Ähnlich verhält es sich mit den Wasch- und Pflegeanleitungen. Früher begnügte sich die Textilindustrie mit kleinen Schildchen und einigen weniger aufgedruckten Symbolen.

Heute ist in die meisten Hemden, Pullovern und Hosen ein Schild eingenäht, dass angesichts seiner Länge auch gut als Flatterband im Polizeidienst eingesetzt werden könnte, um beispielsweise blutverschmierte Tatorte nach Verbrechen weiträumig abzusichern.

Das Schild informiert über das Herkunftsland, das in der Regel irgendwo in Südostasien liegt und darauf schließen lässt, dass das Stöffchen von kleinen Kinderhänden zusammengenäht wurde.

Auch über das Material – etwa atmungsaktive Baumwolle mit elastischen Kunstfasern oder Ähnlichem, aber auch über Wasch- und Pflegetipps wird der Käufer und Träger des Stofflappens genauestens aufgeklärt: Nur bei 30 Grad waschen, das Wasser sollte nicht zu hart, der Kalkanteil im feuchten Nass gering sein, das Teil darf auf keinen Fall in den Trockner und sollte weder zu heiß, noch zu kalt gebügelt werden, damit man möglichst lange etwas davon hat.

Was natürlich Quatsch ist. De facto wird der Pullover bei jedem Waschen dünnen, nach sechs Vollreinigungen erinnert das gute Stück eher an ein Stück durchsichtiges Pauschpapier. Dafür scheuert das eingenähte Etikett im Nacken oder labbert aus der Hose raus. Wobei letzteres super praktisch ist. Kann man doch mit einem Blick sehen, woher heute der Wind weht.

Während die Halbwertzeit der Klamotten begrenzt scheint, sind die Waschanleitungen für die Ewigkeit gebaut. Selbst wenn sich das Hemd vom vielen Waschen oder durch Lochfraß schon in seine Einzelteile auflöst, bleibt das Etikett unkaputtbar. Daher appelliere ich an die Textilindustrie, meine Klamotten künftig aus dem gleichen Material zu nähen, wie die Wasch- und Pflegeanleitungen. Das spart Rohstoffe und mir viel Geld.

Euling & Kamosch

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