Читать книгу Das Karma verzeiht nichts - Kaspar Lunt - Страница 13
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ОглавлениеJanus fiel erschöpft in seinen Sessel.
Der Ruhestand fühlte sich jetzt schon komisch an. Vielleicht war Faber deswegen durchgedreht, weil nichts diese Leere füllen konnte, wenn einem das Leben den Lebensinhalt nahm. Janus konnte sich nicht vorstellen, mit dem, was er die letzten vierzig Jahre getan hatte, von einem Tag auf den anderen aufzuhören – und plötzlich sah er den Apfel auf seinem Fernseher liegen.
Eine Holzdiele knarrte im Flur.
Janus griff in den Zwischenraum zwischen Lehne und Sitzpolster, wo er immer eine Waffe deponiert hatte.
Er ging um den Fernseher herum.
Im Apfel steckte ein Pfeil von einer Armbrust und in die Schale des Apfels hatte jemand mit chirurgischer Genauigkeit einen Schriftzug eingeritzt.
»Schönen Ruhestand«, stand auf der Rückseite des Apfels.
Janus schlich auf Zehenspitzen durch sein Wohnzimmer. Wieder knarrte eine Holzdiele.
Aber dieses Mal hinter ihm.
Er drehte sich um – und da sah er ihn.
Der Karma-Killer stand direkt vor ihm.
Du siehst ihn, diesen Polizisten, der alles beenden kann und muss. Es ist an der Zeit, mit ihm zusammen in den Ruhestand zu gehen. Du richtest die Waffe auf ihn, damit er tut, was nur er tun kann. Ohne ihn schaffst du es nicht mehr, die Dinge zu tun, die deine Bestimmung sind.
Janus schaute dem Karma-Killer direkt in die Augen.
»Na, bist du zufrieden mit dir, wie du mit den Menschen umgehst, die dich lieben und dir nahestehen. Du bist jetzt allein, Janus, fühlst du die Leere in dir?«, fragst du den Polizisten.
»Ich bin nicht allein, ich bin ein Held. Eine Legende. Ich habe dich enttarnt und habe es dir gezeigt. Ich habe es allen gezeigt und bewiesen, dass ich es auch alleine schaffe«, schrie Janus.
»Nein, du bist eine Schande für deine Eltern, für alle, die dir nahestanden. Für deinen Vater, für Faber und für deine Mutter.«
»Lass meine Mutter aus dem Spiel!«
»Oh nein, das könnte dir so passen. Was würde sie jetzt sagen? Schau auf dein erbärmliches Leben zurück! Sie wollte etwas Besseres für dich, sie wollte, dass du Germanistik studierst und eurer gemeinsamen Liebe, der Literatur, frönst.«
»Hör auf«, befahl Janus.
»Das werde ich nicht. Deine Mutter würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, was du aus deinem Leben gemacht hast«, schreist du den Polizisten an und beginnst damit, deine eigene Interpretation von Friedrich Schillers Die Bürgschaft zu rezitieren, den deine Mutter so verehrt hat:
»Und trostlos irrt er an seines Verstandes Rand: Wie weit er auch spähet und blicket und die zweite Stimme in ihm, ihn suchet und schicket. Mitleid und Nachsehen zerschellen an des Verstandes Wand, denn ihn führt nicht mehr die eigene Hand. Kein Schiffer lenket mehr die Fähre, wenn des Zornes wilder Strom wird zum Meere. Dies ist das Ende des Zwiespalts – der Misere – mich kriegt ihr nimmermehre …«
Eine Sekunde lang rührte sich nichts – dann fiel ein Schuss.
Janus Hund lief im Flur auf und ab und die Holzdielen knarrten unter seinem Gewicht.
Er ging näher an den Karma-Killer heran, strich mit seiner Hand über das Loch im Spiegel, legte die Akte mit den zwei Einschusslöchern in seinen Safe und beendete sein Gedicht, von dem er sich sicher war, dass es seiner Mutter gefallen hätte: » … ein Freund musste statt meiner erblassen. Nun sind mir meine Strafen erlassen. Welch eine Bürde – der Detektiv ist des Mörders bester Bürge.«