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Der Anfang vom Ende

Als ich sie sah, blieb mir schier das Herz stehen. Fast hätte ich einen Gewinn falsch ausgezahlt. Sie hatte mich nicht vorgewarnt. War einfach gekommen. Als ich von unten aus der Kantine kam und beim Vorbeigehen einen Blick zur Bar warf, saß sie dort. Mit übergeschlagenen Beinen und in einem atemberaubenden Paillettenkleid. Eine wahre Lady. Und sie strahlte das gewisse Etwas aus, das ich schon von Anfang an bei ihr wahrgenommen hatte. Ich kann nicht erklären, was es war, aber diese Aura haben nur wenige Frauen. Dabei spielt das Alter überhaupt keine Rolle. Obwohl ich wusste, dass sie älter war – ich hatte sie noch nicht gefragt, wie viele Jahre, also würde es wohl ein Geheimnis bleiben – fühlte ich mich zu ihr hingezogen. Nicht nur körperlich – wie ich sofort, als ich sie entdeckte, an der Reaktion meines besten Stücks merkte – sondern auch geistig. Ich wollte alles über sie wissen, sie kennenlernen, ohne sagen zu können, wozu das Ganze gut sein sollte.

Dann kam sie lächelnd auf meinen Tisch zu. Allein ihr Gang war hollywoodreif. Neben mir verließ gerade Barbie, ein Stammgast, ihren Platz, und Claudia setzte sich. Ich musste so tun, als kenne ich sie nicht, denn wenn etwas ganz argwöhnisch vom Saalchef beobachtet wird, so sind es vermeintliche oder tatsächliche Kontakte zwischen uns Croupiers und den Gästen. Nicht umsonst sind auch unsere Jackentaschen zugenäht. Man will verhindern, dass uns von Gästen als Belohnung für eventuelle Absprachen und Bevorzugungen Geld zugesteckt wird.

Natürlich kennen wir die Stammgäste mittlerweile, sogar mit Namen, und ab und zu ergibt sich auch ein kurzes Gespräch. Am Tisch jedoch darf man keine Namen nennen, die Gäste werden nur mit »die Dame« oder »der Herr« angesprochen, manchmal auch mit »Madame«. Wir Croupiers untereinander nennen uns ebenfalls nicht beim Namen, sondern sagen »Herr Kollege« oder »Frau Kollegin«. Außerdem ist es ein Unterschied, ob man sich mit Männern und alten Omas unterhält, oder mit gutaussehenden Frauen, die noch dazu das erste Mal da sind.

Doch dieses so tun als ob gab dem Ganzen noch zusätzlich den gewissen Kick. Mir war heiß; die Gegenwart von Claudia, ihr Parfüm und der Oberschenkel, mit dem sie immer wieder – ob absichtlich oder nicht – mein Bein berührte, stellten mich und meine Konzentration auf eine harte Probe.

Sie hatte anfangs gar kein Glück, obwohl sie vorsichtig setzte. Immer nur auf einfache Chancen. Dann ging sie kurz weg, wahrscheinlich an die Bar, und als sie wiederkam, versuchte sie es mit dem ersten Dutzend. Es kam die 2. Auch bei den folgenden Einsätzen blieb sie bei den niedrigen Chancen, einmal spielte sie erfolgreich eine Kolonne. Insgesamt machte sie ein intelligentes Spiel, und ich war gespannt, ob sie es wagen würde, wie bei der Veranstaltung ihrer Bank, auch auf eine Zahl zu setzen.

Ich musste nicht lange warten, da legte sie einen Zweier auf die 14. Ich wusste sofort, warum gerade diese Zahl. Am 14. November waren wir uns zum ersten Mal persönlich begegnet. Gespannt verfolgte ich den Lauf der Kugel. Was würde passieren? Die Scheibe schien sich diesmal besonders lange zu drehen. Gebannt starrte Claudia auf die Kugel, die einfach nicht in einem Fach liegen bleiben wollte und immer wieder über die kleinen Rhomben sprang. Schließlich verkündete der Kollege: Vierzehn, Rot, Pair, Manque.

Claudia sprang auf und ballte die Faust. Ich gratulierte ihr mit einem leichten Kopfnicken und hoffte, sie hatte sich gemerkt, dass sie für die Angestellten einen Jeton in Höhe ihres Einsatzes spenden sollte. Bei der Veranstaltung ihrer Bank hatte ich ihr erklärt, dass wir nur ein sehr niedriges Grundgehalt beziehen und hauptsächlich von den Trinkgeldern der Gäste leben, die nach einem bestimmten System, das die Berufserfahrung und Ausbildung der Croupiers berücksichtigt, verteilt werden. Sie hatte es sich gemerkt und sagte dem Kollegen am Kessel, der die Gewinne auszahlte »Für die Angestellten«. Er bedankte sich.

Dass sie mit ihrem Aufspringen gegen die Etikette in der Spielbank verstieß, merkte sie selbst durch die indignierten Blicke der anderen Mitspieler. Aber immerhin gratulierten ihr auch einige und nickten ihr anerkennend zu. Sie würde es schon lernen.

Erneut kam die Zeit meiner Ablösung. Was würde Claudia tun? Weiterspielen? Sie schob die gewonnenen Jetons in ihre Handtasche und erhob sich. Ich wartete kurz an der Tür, die hinunter zur Kantine führte. Gegenüber ging die Treppe zu den Gästetoiletten hinunter. Wie erhofft, kam sie kurz darauf vorbei. Viel durfte ich nicht mit ihr reden, auch hier hingen überall Kameras.

»Glückwunsch«, sagte ich so neutral wie möglich. Sie wurde rot. Richtig süß.

»Ich glaube, ich höre jetzt auf«, sagte sie. »Bevor ich alles wieder verliere.«

»Eine sehr gute Idee«, pflichtete ich ihr bei, obwohl ich sie gern noch ein wenig länger an meinem Tisch gehabt hätte. Doch schon zu oft hatte ich erleben müssen, wie sich Spieler und Spielerinnen um ihr ganzes Vermögen gebracht hatten. Trotz Aufklärung, auch auf der Website des Casinos, auf der Telefonnummern zur Hilfe bei Spielsucht sowie Erkennungsmerkmale derselben zu finden waren. Das allerdings war weniger der Einsicht der Casinobetreiber zu verdanken als den gesetzlichen Vorschriften. Vor allem seit die Spielbank im Besitz einer städtischen Gesellschaft war.

»Sehen wir uns?«, fragte sie leise. Ich nickte nur und wandte mich zum Gehen. Der Blick zurück zeigte mir, wie sie auf die Kassen zusteuerte, um sich ihren Gewinn auszahlen zu lassen.

Nachdem ich mich gestärkt hatte, tippte ich eine WhatsApp-Nachricht an sie: Hat mich sehr gefreut, dass du da warst. Ich melde mich wieder.

Rien ne va plus

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