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Schwere Entscheidung

Mein Herz begann wild zu pochen, als ich den Absender in meinem Mail-Account sah. Ihre Worte waren allgemein; man hätte ihnen auch normale Freundlichkeit unterstellen können, doch ich spürte hinter den Buchstaben genau, dass da noch etwas war. Eine Neugierde, eine Frage, eine Hoffnung vielleicht. Was sollte ich ihr antworten? Sollte ich auf der gleichen Ebene bleiben, oder sollte ich einen Haken setzen, dem sie sich nicht entziehen konnte? Ein unausgesprochenes Angebot, auf das sie eingehen, oder das sie überlesen könnte, ganz wie es ihr beliebte?

Ich grübelte an der richtigen Formulierung herum, wollte zeigen, dass ich nicht nur der ewig lächelnde Croupier war, sondern auch geistreich und eloquent sein konnte und mehr auf der Pfanne hatte, als im Kopf den Einsatz der Spieler mit den Gewinnfaktoren zu multiplizieren.

Doch warum wollte ich mich so anbiedern? Was erwartete ich von dieser Frau? Ich sah doch, wie das bei meinen Kollegen ablief. Die meisten waren zum zweiten oder dritten Mal verheiratet, manche wagten es gar nicht mehr, weil sie wussten, dass eine Ehe zum Scheitern verurteilt war bei diesem Job. Man geriet einfach zu oft in Versuchung. Wenn man nach dem Dienst noch irgendwo was trinken ging und dort auf Frauen traf, die vorher am Tisch gespielt hatten, brauchte man nicht einmal die Initiative ergreifen. Die Frauen sprachen einen von selbst an, zeigten, dass sie nicht abgeneigt waren, auch den Rest der Nacht mit einem zu verbringen. Und welcher Mann konnte schon auf Dauer zu einem solchen Angebot Nein sagen? Auch kleine Zettel mit Zimmer- oder Telefonnummern wurden da schon mal verschämt unter dem Tisch gereicht. Und manch eine wunderte sich, dass meine Smokingtaschen zugenäht waren.

Ich muss gestehen, dass ich auch schon manches Mal einer dieser Einladungen gefolgt war. Vor allem, als ich noch nicht mit Ulrike zusammen war. Oder aber auf Veranstaltungen mit dem mobilen Casino, wenn wir weiter weg eingesetzt waren und dort übernachten mussten.

Und da waren noch jene speziellen Nächte, die es leider nur ein, zwei Mal im Jahr gab. Der Inhaber einer ganz auf das erotische Vergnügen ausgerichteten Agentur, forderte uns ab und zu an. Seine Zielgruppe waren interessierte Singles und Paare, die sich in gepflegtem Ambiente miteinander amüsieren wollten. Und zu dem Ambiente gehörte eben manchmal eine Casino-Nacht. Da wurde schon mal der Croupier zum Gewinn bestimmt, und wem das Spielgeld ausging, der konnte erotische Dienstleistungen anbieten und bekam dafür unterschiedlich viele Jetons ausgezahlt. Auch in Deutschlands größtem Sexclub waren wir schon für einen Spieleabend engagiert. Interessante Einblicke konnte man da in die Szene bekommen. Ob Claudia auch auf solche Veranstaltungen gehen würde? Ob sie vielleicht sogar schon Erfahrungen im Swingen hatte?

Bei diesem Gedanken bekam ich eine Erektion. Was sollte ich ihr zurückschreiben? Sollte ich überhaupt antworten? Mich auf etwas einlassen, dessen Ausgang ich nicht abschätzen konnte?

Meine Mail wurde recht kurz, aber ich ließ durchblicken, dass ich sie gern mal privat auf eine Tasse Kaffee treffen würde. Obwohl – dann müssten wir auf jeden Fall irgendwohin gehen, wo uns nicht zufällig eine Bekannte von mir oder meiner Frau über den Weg laufen konnte. Sicher nicht hier in der Stadt. Bevor ich auf den Senden-Button drückte, schwebte mein Finger sekundenlang darüber.

Was soll’s, dachte ich schließlich, vielleicht würden wir schon beim Kaffeetrinken und Gespräch merken, dass wir doch nicht auf derselben Wellenlänge lagen. Vielleicht war alles nur ein Irrtum. Eine Ausgeburt meiner überreizten Fantasie.

So sagte ich mir, doch ich wusste im Inneren damals schon ganz genau, dass dem nicht so war. Ich ahnte, dass diese Frau einen sehr viel tieferen Einfluss auf mein Leben nehmen würde, als nur eine kleine Affäre zu sein, an die man sich Jahre später gerne erinnerte. Hätte ich damals, wenn ich mir des ganzen Ausmaßes wirklich bewusst gewesen wäre, die Reißleine gezogen? Das Bemerkenswerte daran ist, dass ich es nicht weiß.

Rien ne va plus

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