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Tagebuch Claudia

Warum geht mir dieser Mann nicht mehr aus dem Kopf? Warum beginne ich jetzt, mit fünfzig Jahren, wieder Tagebuch zu schreiben? Weil ich mich wie ein Teenager fühle? Weil ich mitten im Herbst meines Lebens den Frühling spüre?

Der gestrige Abend verlief anders als die üblichen Feiern unserer Bank. Die Idee mit den Spieltischen war wirklich gut. Alle hatten ihren Spaß. Auch ich. Dieses prickelnde Gefühl, wenn die Kugel rollt und der Croupier sein »Nichts geht mehr« in die Runde ruft, die Spannung, wenn die Kugel endlich gefallen ist und man blitzschnell realisiert, ob man gewonnen hat oder ob die Jetons mit dem Rechen eingezogen werden und auf Nimmerwiedersehen in einem der vier Behälter am Tisch verschwinden; das machte, dass ich mich lebendig fühlte. Und dann der süße Croupier. Viel zu jung, außerdem mit Ring am Finger (wobei ja manche sich so auch vor zudringlichen Frauen schützen, habe ich gehört), aber mit einem Lächeln, einem Strahlen, das mich in den Bann gezogen hat. Eigentlich wäre er sonst überhaupt nicht mein Typ. Wenn ich sein Foto in einem der Dating-Portale gesehen hätte, in denen ich mich so einmal im Jahr für ein paar Wochen herumtreibe, wenn ich denke, dass es doch wohl nicht alles gewesen sein kann, wenn ich mir Komplimente und Bestätigungen hole, die ich aufsauge wie ein trockener Schwamm – wenn ich gelesen hätte, dass er kleiner ist als ich, dann wäre er bei mir sofort durchs Raster gefallen. Vielleicht sollte ich doch mal meine Kriterien überprüfen. Vielleicht habe ich auf diese Weise tatsächlich mein Lebensglück verpasst. Welch ein Unterschied, ob man ein unbelebtes Foto sieht – auf dem er ein zwar makelloses, aber recht glattes Gesicht gehabt hätte – oder den Menschen in seiner Gesamtheit. Wie er agiert und interagiert, wie er lächelt und mit seinen Augen kommuniziert. Sicher macht er das mit allen Frauen, die an seinem Tisch spielen, ich will mir da gar nichts einbilden. Es ist sein Job, freundlich zu sein. Aber bei ihm scheint es von Herzen zu kommen. Diese Herzlichkeit, diese Zugewandtheit, die einem das Gefühl gibt, man sei die Einzige, auf die er fokussiert ist, das ist wirklich etwas Besonderes.

Wie auch immer, gestern Nacht vorm Einschlafen habe ich mich das erste Mal seit Langem wieder berührt. Und mir dabei vorgestellt, er würde es tun. Es war ein heftiges Erlebnis, das mir gezeigt hat, dass ich noch eine Frau bin. Dass auch mein Körper gern wieder mal von einer anderen Hand als meiner aufgeweckt werden möchte. Von einer Hand wie seiner, die kurze und kräftige Finger hat, Finger, die sicher zupacken können. Ich stehe nicht so auf Blümchen- und Streichelsex. Ich mag es, wenn Männer mich fest anfassen, wenn sie Sicherheit ausstrahlen und nicht von mir gesagt haben wollen, wo sie jetzt welche Knöpfe drücken müssen. Solche Schlaffis hatte ich in der Vergangenheit schon zu viele. Nichts ist so abturnend wie ein Mann, der sich als Frauenversteher begreift. Jedenfalls nicht im Bett.

Vielleicht schreibe ich ihm heute eine Mail. Einfach so. Bedanke mich für den gelungenen Abend im Rahmen meines Jobs. Mal sehen, ob er antwortet.

Rien ne va plus

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