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II. Funktion und Kritik
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Im Inland ansässige StPfl sind in ihrer (unternehmerischen) Entsch prinzipiell frei, ob sie sich steuerrechtlich relevant im Inland oder Ausland betätigen möchten. Da die inländische Gesamtsteuerbelastung von natürlichen Personen und Unternehmen als im int Vergleich zu hoch und Steuern ohnehin prinzipiell als Last empfunden werden, sind StPfl häufig versucht, ihre steuerrechtlich relevanten Aktivitäten im niedrig(er) besteuernden Ausland vorzunehmen. Das Ziel wird am einfachsten erreicht über einen steuerlichen Wegzug, jedoch ist dies mit Veränderungen des persönlichen Umfelds verbunden, und die Praxis zeigt, dass StPfl selten bereit sind, den Wegzug in letzter Konsequenz regelkonform durchzuführen. Dies gilt insb, wenn es um die Aufgabe der dt Staatsangehörigkeit geht, was als bes starkes Indiz für die Aufgabe auch des steuerlichen Wohnsitzes bzw eines gewöhnlichen Aufenthalts gelten darf.
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Im Extremfall wird daher der StPfl im Inland ansässig bleiben wollen und sich nur einer ausl, sog zwischengeschalteten KapGes oder bspw einer Stiftung bedienen, aus der heraus die jeweilige Aktivität vorgenommen wird. Da die ausl KapGes bzw Stiftung ein gegenüber dem inländischen StPfl selbstständiges Steuersubjekt ist, würden auf diese Weise erhebliche Gewinne dem inländischen Besteuerungszugriff vorenthalten und in das Ausland verlagert werden können. Daneben haben sich in der Praxis vielfältige Strategien herausgebildet, vermittels derer insb int Konzerne Gewinnverlagerungen in das Ausland vornehmen.[11] Diese rücken zunehmend in den Blickpunkt der FinVerw und auch der Öffentlichkeit, wie die jüngeren Diskussionen um sog Funktionsverlagerungen zeigen.
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Diesen nur beispielhaft beschriebenen Ausweichbewegungen der StPfl sucht das AStG durch punktuell ansetzende Regelungen (vgl Rn 12) zu begegnen. Das Gesetz wendet sich – pauschal betrachtet – gegen die int Steuerflucht in ihren diversen Ausprägungen, die am Steuersubjekt[12] oder am Steuerobjekt ansetzen können. Der strafrechtlich relevante Bereich (int Steuerhinterziehung) wird dabei nicht zwangsläufig berührt. In der Praxis sind vielfach auch legale Gestaltungen anzutreffen, die sich lediglich das int Steuergefälle oder Qualifikationskonflikte (dazu Einl MA Rn 39) zunutze machen.
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Insofern mag die Feststellung des BFH als Ausgangspunkt der Betrachtungen dienen, dass der StPfl vorbehaltlich wirtschaftlicher Gründe sowie vorbehaltlich der Nichtfeststellung einer gesetzlichen Missbilligung im Einzelfall nicht zur Zahlung von Steuern verpflichtet ist, sondern im Gegenteil den der Besteuerung zugrunde liegenden Sachverhalt (vgl § 38 AO) so gestalten darf, dass eine geringere oder gar keine Steuerbelastung entsteht (Steuervermeidung).[13] Zwischen diesen beiden Extremen, der Steuervermeidung und der Steuerhinterziehung, steht die sog Steuerumgehung als Versuch, die Erfüllung steuerlicher Tatbestände durch „rechtsmissbräuchliche Gestaltungen“ zu verhindern. Sie wird in erster Linie durch spezielle Missbrauchsvermeidungsvorschriften (dazu Einl MA Rn 141 ff) wie zB die §§ 7 ff und in zweiter Linie über die allg Missbrauchsnorm des § 42 AO sanktioniert.
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Die Kritik am AStG ist mannigfaltig. Sie richtet sich zunächst gegen dessen unsystematischen Ansatz, dem „ungleichartig ansetzende Einzelmaßnahmen“ zugrunde liegen. Sodann werden seine Einseitigkeit und Kompliziertheit beklagt,[14] was sich an sich auch auf die Effizienz der Gesetzesanwendung[15] auswirken müsste. Jedoch ist zu konstatieren, dass es im Anwendungsbereich des AStG nur vergleichsweise wenig Gerichtsentscheidungen gibt, wenn wohl bezogen auf dessen einzelne Regelungsbereiche (vgl Rn 12) auch aus unterschiedlichen Gründen.
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IRd § 1 bspw wird man sagen müssen, dass die meisten Steuerfälle in der Betriebsprüfung bereinigt und daher gar nicht erst gerichtlich anhängig werden. IRd §§ 7 ff hingegen ist die geringe Zahl gerichtlicher Entsch mE auf die starke Abschreckungswirkung der Hinzurechnungsbesteuerung einerseits sowie andererseits auf die Tatsache zurückzuführen, dass Fälle der Hinzurechnungsbesteuerung seitens der StPfl und auch seitens der FinVerw weitgehend unerkannt bleiben. Insb bei den sog Mitwirkungstatbeständen des § 8 entscheiden häufig nicht rechtliche, sondern tatsächliche Gegebenheiten über das Vorliegen passiver Einkünfte. Wie aber ein theoretischer, ggf mit Hilfe eines Beraters aufgesetzter Sachverhalt dann vom StPfl tatsächlich im Ausland „gelebt“ wird, lässt sich aus dem Inland heraus meist nur schwer oder gar nicht nachvollziehen, was zu einer gewissen Grauzone bei der Gesetzesanwendung führt.
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Weitere Kritik am Gesetz entzündet sich insb an der Frage seiner Gemeinschaftsrechtswidrigkeit,[16] namentlich hinsichtlich des § 1 und der §§ 7 ff. Während § 2 insoweit in seiner Grundkonzeption schon längere Zeit unangetastet geblieben ist, wurde § 6 durch das JStG 2007[17] zwingenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angepasst. Bereits ca 10 Jahre nach dem Inkrafttreten des AStG war vielfach postuliert worden, das Gesetz nach einer Phase der praktischen Erprobung krit zu überprüfen und ggf zu reformieren.[18] Seither auf den Weg gebrachte, umfassend ansetzende Reformversuche sind weitgehend ungehört verhallt (vgl ausf Rn 30 ff).