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Mia dachte lange darüber nach, was sie Arthur von Frank erzählen wollte. Im Geist legte sie sich eine Rede zurecht, in der sie Arthur alles erklärte, was es zu erklären gab.

Sie sah ihrer nächsten Verabredung voller Ungeduld entgegen und als er ihr die Tür öffnete, strahlte sie ihn erwartungsvoll an. Arthur reichte ihr jedoch so steif und förmlich wie bei ihrer allerersten Begegnung die Hand. Sein Blick war ernst und undurchdringlich. Verwirrt und enttäuscht stolperte Mia ins Wohnzimmer.

Sie wusste selbst nicht, was sie eigentlich erwartet hatte. Ein Lächeln auf jeden Fall. Vielleicht sogar eine Umarmung. Irgendetwas, womit Arthur zum Ausdruck brachte, dass die Dinge sich seit ihrem gemeinsamen Essen verändert hatten. Er konnte doch nicht einfach so tun, als hätte es ihre Gespräche und Mias Tränen nie gegeben. Und doch tat er genau das.

Mutlos nahm Mia auf dem Kissen vor seinem Sessel Platz und öffnete fast widerwillig seine Hose. Zum ersten Mal, seit sie vor Arthur kniete, kam ihr diese Handlung entwürdigend vor.

Sie waren schnell fertig, Arthur legte heute keinen Wert auf unnötige Intimitäten und Mia bemühte sich nicht um besondere Raffinessen. Als sie bei ihrem After-Work-Drink angekommen waren, holte sie tief Luft.

»Arthur, ich …«, hob sie an, doch er unterbrach sie barsch: »Weißt du, ich bin im Moment beruflich sehr eingespannt. In den nächsten Wochen muss ich einige Reisen machen, und da wird wenig Zeit für unser Arrangement bleiben.«

Es war wie eine Ohrfeige, die Mia innerlich vor Schmerz zusammenzucken ließ. Sie schluckte hart und würgte alles hinunter, was sie sich zurechtgelegt hatte.

Was war sie doch für eine blöde Kuh!

Natürlich hatte Arthur kein Interesse an ihr und ihren Problemen, wie hatte sie nur etwas anderes annehmen können? Er hatte doch deutlich genug gezeigt, wie sehr er von ihren Tränen genervt war.

Andererseits – warum hatte er sie dann anschließend nach Hause gefahren? Der Sturm war längst abgeklungen, das war nicht der Grund. Vielmehr war das beinah eine fürsorgliche Geste gewesen. Mia verstand das nicht. Aber Arthur hatte sich in den letzten Monaten selten durch logische und nachvollziehbare Handlungen ausgezeichnet, also passte auch dieser merkwürdige Bruch zu ihm. Und es passte ebenfalls zu ihm, dass er ihr Verhältnis nicht einfach per SMS beendete, sondern Mia noch mal antraben ließ, um sie richtig schön zu demütigen.

Bemüht, sich ihren Zorn nicht anmerken zu lassen, sagte sie: »Verstehe. Dann machen wir wohl besser keinen neuen Termin aus.«

Arthur warf ihr einen schnellen Blick von der Seite zu. »Tut mir leid«, sagte er knapp, aber seine Stimme klang nicht mehr ganz so grob, fast ein wenig entschuldigend.

Mia trank hastig ihr Glas aus und verabschiedete sich.

An der Tür gab Arthur ihr wie immer die Hand. »Alles Gute«, sagte er. Es klang sehr endgültig.

Mia konnte ihm kaum in die Augen sehen, als sie stammelte: »Melde dich, wenn du … wenn … also, ich komme gerne wieder.«

»Ich weiß.«

Er nickte ihr zu. Sein distanzierter Blick verfolgte sie die Treppe hinunter, aus dem Haus hinaus.

Sie lief und lief, ohne auf den Weg zu achten, immer entlang der Elbe. Erst als sie schon in Oevelgönne am Strand angekommen war, hatte sie sich wieder beruhigt. Es war ein warmer Tag und sie war auf dem rund fünf Kilometer langen Marsch ziemlich ins Schwitzen geraten. Sie setzte sich in den feinen Sand am Strand und schaute auf die Elbe. Ein großes Containerschiff wurde von zwei Schleppern in den Hafen gezogen. Ein Hund sprang einem Ball hinterher ins Wasser. Leute lagerten auf Decken in der Sonne. Es roch nach gegrillten Würstchen.

Allmählich sortierte sich die Unordnung in Mias Kopf. Sie konnte Arthur nicht böse sein. Er war sich schließlich die ganze Zeit über treu geblieben. Er wollte nicht mehr von ihr als das, was er damals in seiner Anzeige geschrieben hatte: »Sie blasen. Ich genieße.« Ihr gemeinsames Abendessen war ein Ausrutscher gewesen und Arthur hatte hinterher offenbar gemerkt, dass ihm das alles zu viel wurde.

Im Grunde war ihr das ganz recht. An den Zusammenkünften mit Arthur war etwas Beunruhigendes, das ihr überhaupt nicht bekam. Sie musste nur an die zahlreichen Momente denken, in denen er sie aus der Fassung gebracht hatte. Und daran, wie kalt er auf ihre Tränen reagiert hatte.

Und doch war da etwas, ein vertracktes Gefühl, über das Mia sich ärgerte. Seit jenem stürmischen Abend hatte sie sich eingebildet, es könnte mehr zwischen ihnen entstehen, mehr Sex mit mehr Körperteilen und mehr Befriedigung. Schlimmer noch: Sie hatte gehofft, Arthur würde sie nach diesem Abend mehr wahrnehmen, als Frau, als Mensch.

Aber das war natürlich totaler Unsinn. Sie war für diesen Idioten mit dem beknackten Namen nichts weiter als eine Hure, auch wenn er selbst dieses Wort vermieden hatte. Ja, sie war eine Hure und Arthur hatte sie benutzt. Höchste Zeit, sich das mal deutlich vor Augen zu führen. Und aller-allerhöchste Zeit, diesen Zustand zu beenden und sich um die wirklich wichtigen Dinge zu kümmern, allem voran ihrer Suche nach einem Job. Die Sache mit Arthur war eine interessante Erfahrung gewesen. Aber so etwas konnte ja unmöglich von Dauer sein, das war ihr von Anfang an klar gewesen.

Mia gab sich einen Ruck, stand auf und schüttelte sich den Sand aus den Kleidern. Ein Kaffee und ein dickes Stück Kuchen mit Schlagsahne wären jetzt nicht schlecht. Langsam stapfte sie in Richtung der Strandcafés.

Dabei fiel ihr auf, dass sie nicht mal Arthurs Nachnamen erfahren hatte.

Zuhause setzte sie sich an ihren Computer und fing an zu schreiben. Es waren wirre Sätze und Gedanken, die keinen rechten Zusammenhang bildeten, und mit ihrem Romanprojekt hatten sie gleich gar nichts zu tun. Aber sie schrieb endlich wieder, nach vielen Monaten das erste Mal. Je länger sie schrieb, desto leichter ging es, desto mehr Ideen kamen ihr in den Sinn. Erst am späten Abend schaltete Mia müde und mit brennenden Augen den Rechner aus. Etwas in ihr begann, sich zu lösen. Eine Last, die sie mit sich herumtrug, seit Frank sie verlassen hatte. Aber sie spürte keine Erleichterung darüber. Es tat einfach nur weh.

Ebbe und Glut

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