Читать книгу Ebbe und Glut - Katharina Burkhardt - Страница 15

7

Оглавление

Die Agentur für Public Relations befand sich in einem schicken Loft in Bahrenfeld. Der Inhaber Norbert Roth war klein und dick, mit Halbglatze und Brille.

»Eins interessiert mich natürlich besonders«, sagte er und spielte dabei mit dem Kugelschreiber in seiner Hand. »Wieso sind ausgerechnet Sie von Ihrem alten Arbeitgeber entlassen worden? Keutner und Lempe sind ja nicht pleitegegangen, die Agentur existiert nach wie vor.«

Mia konnte nicht einschätzen, wie groß Norbert Roths Interesse an ihr war. Trotzdem entschied sie sich für die Wahrheit. »Ich wollte einen Roman schreiben. Darum habe ich in den letzten Monaten vor meiner Kündigung nur noch in Teilzeit gearbeitet, um mehr Zeit zum Schreiben zu haben.«

Norbert Roth schaute überrascht auf. Mit dieser Antwort hatte er nicht gerechnet. »Das war aber eine mutige Entscheidung. Stunden, die erst mal weg sind, kriegt man ja in der Regel so schnell nicht wieder.«

Mia nickte. »Das war genau mein Problem. Als die Agentur in Bedrängnis geriet, war ich eine der Ersten, die gehen musste. Teilzeitkräfte brachten sich in den Augen der Geschäftsleitung nicht genug in ihre Arbeit ein.«

Norbert Roth spielte weiter mit seinem Kugelschreiber. »Und dann haben Sie die Arbeitslosigkeit als Chance genutzt und erst mal in aller Ruhe Ihren Roman fertig geschrieben, nehme ich an.«

Diese Frage brachte Mia aus der Fassung. »Äh … nein.« Sie suchte fieberhaft in ihrem Hirn nach einer plausiblen Erklärung für fast ein Jahr Arbeitslosigkeit. Wieder fiel ihr nur die Wahrheit ein. »Das heißt, ich habe es versucht. Aber ich bin ehrlich gesagt nur mühsam vorangekommen. Ich hatte private Probleme. Mein Mann und ich trennten uns – das hat mir sehr zu schaffen gemacht. Ich … mag sein, dass ich dadurch auch nicht nachdrücklich genug nach einem neuen Job gesucht habe.«

Aus. Vorbei. Unfassbar, was sie hier für Müll redete. Sie hatte es total vermasselt. Wieder mal.

Norbert Roths Blick war undurchdringlich. »Sie hätten doch als freie Texterin arbeiten können«, bemerkte er. »Bei Ihrer langjährigen Erfahrung wäre da doch sicher was gegangen.«

»Stimmt. Kleinere Aufträge hatte ich zwischendurch auch mal.« Jetzt log sie doch. »Und falls es mit der festen Stelle gar nicht klappt, werde ich das auf jeden Fall ausbauen. Aber ich … na ja, ich lebe lieber abgesichert. Die Selbständigkeit liegt mir nicht so.«

Norbert Roth blätterte in ihrem Lebenslauf. Seine nächsten Fragen waren weniger heikel und Mia entspannte sich ein wenig.

Abschließend sprach Norbert Roth die Rahmenbedingungen an. »Wir suchen dringend jemanden, am liebsten ab morgen. Sie würden einen Vertrag über dreißig Wochenstunden bekommen, befristet für ein Jahr.«

Mia wusste, was das bedeutete. Sie arbeitete mindestens vierzig Stunden, vermutlich eher fünfzig, wurde aber nur für dreißig bezahlt. Und das bei einem Gehalt, das ohnehin erschütternd niedrig war. Sie hatte also die Wahl, für einen Hungerlohn Vollzeit zu arbeiten, oder weiter auf Staatskosten zu leben. Verlockender war eindeutig die zweite Variante. Aber sie wusste, dass sie nie wieder auf die Beine kommen würde, wenn sie diese Chance nicht ergriff – sofern Norbert Roth sie überhaupt haben wollte.

Er wollte sie zu ihrer Überraschung tatsächlich. Bei einem zweiten Gespräch lernte Mia seine Frau und seine Sekretärin kennen. Sie waren seine einzigen Mitarbeiterinnen. Die Sekretärin machte einen fröhlichen und patenten Eindruck. Dagmar Roth hingegen hatte verkniffene Gesichtszüge und musterte Mia misstrauisch. Offenbar betrachtete sie Mia als Konkurrentin, nicht nur in beruflicher Hinsicht, sondern vor allem als Frau. Vermutlich fürchtete Frau Roth, dass Herr Roth sich gelegentlich mit der neuen Mitarbeiterin im Kopierraum vergnügen könnte. Als Mia trotzdem zusagte, hatte sie kein gutes Gefühl dabei. Aber ihr blieb keine Wahl.

Der Wiedereinstieg ins Berufsleben gestaltete sich mühsam für sie. In den ersten Wochen wurde sie nach all den Misserfolgen des vergangenen Jahres von solchen Ängsten und Selbstzweifeln geplagt, dass sie nachts kaum schlief. Und das, obwohl sie abends so erschöpft war, dass sie es meistens nicht mal schaffte, einzukaufen, geschweige denn, selbst zu kochen. Ihr Essen bestand hauptsächlich aus Fastfood. Die Speckröllchen auf ihren Hüften wurden immer größer. Sie bewegte sich auch kaum noch. Tagsüber saß sie im Büro, abends lag sie apathisch auf ihrem Sofa. Wie hatte sie es früher nur geschafft, nach so langen Arbeitstagen noch um die Häuser zu ziehen? Damals musste sie einen anderen Körper besessen haben.

Die Arbeit in der kleinen Agentur machte Mia wie erwartet keinen Spaß. Sie sehnte sich nach herausfordernden, kreativen Arbeiten. Stattdessen verbrachte sie ihre Tage damit, Bildunterschriften für das Kundenmagazin eines Autohauses zu entwerfen und für eine Spielbank Pressemeldungen zu schreiben, die Dagmar Roth ihr regelmäßig mit verkniffenem Mund zurückgab.

»Was Sie da schreiben, ist Werbung, keine Öffentlichkeitsarbeit. Wenn Sie den Unterschied nicht kennen, sind Sie hier fehl am Platz.«

Mia korrigierte jeden ihrer Texte wieder und wieder, wie eine kleine Volontärin, die keine Ahnung vom Schreiben hatte. Sie war abends immer erschöpfter und morgens immer lustloser, wenn sie aufstand. Sie bekam Magenschmerzen und Albträume. Ihr Leben war genauso einsam wie in den Zeiten der Arbeitslosigkeit. Doch nun war sie zusätzlich auch noch völlig panisch.

Nur an den Sonntagen fühlte sie sich wohl. Da schlief sie sehr lange und arbeitete anschließend an ihrem Roman. Sie hatte ihn tatsächlich wieder hervorgeholt und überarbeitete Seite für Seite das gesamte Manuskript. Erstaunt stellte sie fest, dass sie schon recht viel geschrieben hatte. Allerdings waren viele Szenen unbrauchbar. Mia entwickelte ein völlig neues Konzept für die Geschichte. Und auf einmal fügten sich die Wörter mit einer Selbstverständlichkeit aneinander, die sie lange vermisst hatte.

»Nun mach es schon auf!«, drängte Annika ungeduldig.

Sie und Henny saßen gemeinsam mit Mia in einem kleinen indischen Restaurant in Altona. Es war Mias vierzigster Geburtstag. Die große Party, von der sie jahrelang geträumt hatte, gab es nicht, danach stand ihr einfach nicht der Sinn. Aber Henny und Annika hatten darauf bestanden, wenigstens gemeinsam essen zu gehen.

Sie kannten sich alle seit der fünften Klasse und waren seit damals Freundinnen. Ihre Lebenswege entwickelten sich sehr unterschiedlich, aber ihre Freundschaft überdauerte all die Jahre. Annika wurde Psychologin, heiratete und bekam zwei Kinder. Sie und ihr Mann Matthias kauften sich ein Reihenhaus in Neu-Allermöhe, einer seelenlosen Vorortsiedlung, in der hauptsächlich Familien mit Kindern lebten. Annika organisierte Tupperpartys und Kindergeburtstage und war so wahnsinnig hilfsbereit, dass sie sich damit ständig selbst überforderte. Henny entschied sich für eine kaufmännische Richtung und arbeitete mittlerweile als Personalleiterin bei einer Krankenkasse. Ihre schrillen Männergeschichten waren legendär. Warum sie immer an die Falschen geriet, wusste sie selbst nicht, aber mit zunehmendem Alter machte sie sich immer weniger aus all den Dramen und Tragödien. Sie kamen und gingen und hielten ihr Leben in Schwung.

Mia öffnete das kleine Päckchen. Es enthielt ein Duschgel und eine Körperlotion, beides von Weleda. Sündhaft teure Bioprodukte, die Mia sich lange nicht mehr geleistet hatte.

»Granatapfel Schönheitsdusche«, las sie und seufzte. Sie fühlte sich gleich viel besser. In dem Päckchen lag noch ein Gutschein für eine Wellnessbehandlung – Massage, Schlammpackung, Peeling. Mia musste laut lachen, als sie das Motto des Schönheitsprogramms las. »Aus alt mach neu – das ist ja wohl genau das Richtige für mich.«

»Danach wirst du dich königlich fühlen«, prophezeite Annika ihr.

Gerührt umarmte Mia ihre Freundinnen.

»Und – hast du was von Frank gehört?«, fragte Henny.

Mia verzog missmutig das Gesicht. Sie hatte gehofft, dieses unschöne Thema vermeiden zu können, aber dass Henny taktlos in ihren Wunden stocherte, war eigentlich keine Überraschung.

Gequält sagte sie: »Er hat mir ein Paket geschickt. Wie schon beim letzten Geburtstag und Weihnachten.«

»Was war denn drin?« Henny schob ihre langen, blonden Ponyfransen aus der Stirn. Für sie war jedes Lebenszeichen von Frank ein Liebesbeweis, und sie begriff nicht, warum Mia so ungehalten darauf reagierte. Frank liebte sie immer noch, auf seine Weise, und statt ihn zu verfluchen, täte Mia gut daran, ihn endlich zu erhören und damit nicht nur Frank, sondern auch sich selbst zu erlösen.

Mia zuckte mit den Schultern. »Das Übliche. Lauter nette Sachen. Teure Pralinen, ein Buch, eine schöne, kleine Vase.«

Sie wusste nicht, was sie von Franks Geschenken halten sollte. Sie waren allesamt mit Liebe ausgewählt. Er wusste, welche Bücher sie gerne las, welche Süßigkeiten ihr schmeckten und dass sie sich ständig darüber beklagte, zu wenig Vasen zu besitzen. Frank kannte sie mindestens so gut wie ihre langjährigen Freundinnen, zwischen ihnen war all die Jahre so viel Nähe, so viel Vertrautheit gewesen. Aber jetzt ertrug Mia diese Nähe nicht mehr. Sie bereitete ihr Übelkeit und Herzrasen.

»Er sollte damit aufhören.« Annika hatte ihre eigene Theorie zu der Sache mit Frank, wie sie es gern nannte. »Das tut dir einfach nicht gut.«

»Ich habs ihm doch schon gesagt. Oder vielmehr geschrieben. Ich rede ja nicht mehr mit ihm.«

»Aber vielleicht ist das genau das Problem«, warf Henny ein. »Ihr müsst euch endlich mal richtig aussprechen, damit dieses ganze Theater ein Ende hat.«

Mia schüttelte entsetzt den Kopf. Sie wollte Frank nicht mehr sehen. Sie wollte nicht mehr mit ihm sprechen. Sie wollte ihn einfach vergessen. Das Dumme daran war nur, dass es nicht klappte. Je mehr sie Frank ignorierte, desto häufiger schlich er sich plötzlich in ihr Bewusstsein ein. Da lief ein Song im Radio, der sie total aus der Bahn warf. Oder ein Film im Fernsehen. Sie träumte nachts von Frank und wachte völlig verstört auf. Sie stöberte in alten Fotos und fand plötzlich ein Bild, auf dem Frank sie so liebevoll anblickte, dass es ihr die Luft nahm. Sie bekam Mails von ihm und Päckchen und sie hörte seine Stimme auf ihrem Anrufbeantworter.

Aber das alles würde bald ein Ende haben. In wenigen Wochen war der Scheidungstermin. Dann würde auch Frank sich hoffentlich wieder beruhigen und erkennen, dass ihre Liebe endgültig gestorben war.

Nach dem Essen zogen sie noch durch diverse Kneipen und Mia betrank sich dabei so fürchterlich, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, als Henny sie in ein Taxi hievte.

»Is sie nich gud?«, fragte der Taxifahrer misstrauisch, der glänzendes schwarzes Haar und kaffeebraune Haut hatte. Er sah aus wie einer der Kellner aus dem indischen Restaurant, in dem sie den Abend verbracht hatten. »Wenn sie schlech wird, nehm ich sie nich mid.«

»Ihr wird nicht schlecht, auf gar keinen Fall«, behauptete Henny energisch. »Sie ist einfach nur müde.«

Sie waren keine fünf Minuten gefahren, als Mia stöhnte. »Mir wird schlecht, ich muss raus.«

»Ich abe gesad, keine schlech, sons nich mid!« Der Taxifahrer warf ihr einen bösen Blick zu, dann bremste er scharf an einer Bushaltestelle an der Königstraße. Mia sprang aus dem Wagen und beugte sich über den Rinnstein. Laut würgend gab sie ihr Abendessen in einem Schwall unverdauter Alkoholika wieder.

»Sahle bidde«, sagte der Taxifahrer zu Henny.

Sie starrte ihn entgeistert an. »Wie bitte?«

»Sahle bidde«, wiederholte der indische Kellner energisch.

»Ich soll zahlen?« Endlich begriff sie, was er von ihr wollte. »Aber wir sind überhaupt noch nicht da. Ich muss noch ganz bis nach Barmbek und meine Freundin immerhin nach St. Pauli.«

»Ich sage, wenn schlech, ich nehm nich mid. Nächse Ma sie schlech in Auto. Große Sauerei, gans große Sauerei.«

»Ihr wird nicht mehr schlecht, garantiert nicht. Sie hat doch schon alles ausgekotzt.«

»Kann nie wissen. Sahle bidde. Mach fünfeuroviesich.«

»Ich fasse es nicht!« Wütend suchte Henny nach ihrem Portemonnaie und zählte das Geld bis auf den letzten Cent genau ab.

»Was ist denn?« Mia kam zurückgekrochen, blass und zitternd.

»Der Kerl schmeißt uns raus«, Henny stieg aus dem Taxi. »Er hat Angst, dass du ihm die Sitze vollkotzt.«

»Tut mir leid.« Bestürzt hielt Mia sich am Pfahl des Haltestellenschilds fest. »Ich … ich … oh nein …« Erneut würgte sie und übergab sich in einen Mülleimer neben dem Bushäuschen.

»Siehsu«, rief der Inder triumphierend. »Nich gud, noch viel schlech. Viel su viel trinke, nich gud für Frau. Kriegsu nie Mann, wenn immer viel trinke un viel schlech.«

»Ja, genau. Viel Saufen gibt schlechtes Karma.« Henny donnerte die Wagentür hinter sich zu. »Und wer harmlose Fahrgäste mitten in der Nacht aus dem Taxi wirft, kriegt ein noch viel schlechteres Karma.«

Erschrocken starrte Mia dem Taxi nach. »Wie kommen wir denn jetzt nach Hause?«, fragte sie verzweifelt.

»Zu Fuß. Es sei denn, wir finden unterwegs ein Taxi, das bereit ist, dich auch mitzunehmen.«

Langsam setzten sie sich in Bewegung und marschierten durch die warme Sommernacht die Königstraße hinab Richtung Reeperbahn. Mia war schlagartig wieder nüchtern. Unterwegs zog sie eine vernichtende Bilanz.

Sie war vierzig. Das hieß, ihr Leben war vorbei.

Kein Arbeitgeber würde ihr einen Job geben, wenn ihr Jahr bei Norbert Roth vorbei war.

Kein Mann würde sie jemals wieder begehren. Erst würden ihre Brüste anfangen zu hängen, dann ihre Pobacken und schließlich ihre Mundwinkel. Da half auch keine Aus-alt-mach-neu-Schlammpackung mehr. Die Richtung war klar vorgegeben: Es ging nur noch abwärts.

Alles, was Mia erreichen wollte, hatte sie bis jetzt nicht erreicht und würde sie auch in Zukunft nicht mehr erreichen. Sie hatte keinen Mann, keine Kinder, kein Geld. Stattdessen eine Scheidung, einen nie fertig geschriebenen Roman, erste graue Haare (die sie überfärbte), Speckröllchen auf den Hüften, Orangenhaut an den Beinen und am Hintern (sie wusste nicht, was schlimmer war – schrumpelige oder hängende Pobacken), Krähenfüße um die Augen und Besenreiser an den Waden. Sie hatte immer häufiger Rückenschmerzen und geriet schnell aus der Puste, wenn sie mit ihren Nichten durch den Garten tobte.

Eigentlich hatte sie ziemlich viel. Nur war nichts davon brauchbar. Selbst ihr Job war unbrauchbar. Aber immerhin hatte sie überhaupt wieder einen. Das war wenigstens ein kleiner Trost. Doch was sollte sie machen, wenn das Jahr um war und ihr Vertrag auslief? Oder – noch schlimmer – wenn die giftige Dagmar Roth ihren Mann dazu anstachelte, sie vorher zu feuern?

»Ach komm, das ist doch totaler Quatsch«, sagte Henny, die sich geduldig Mias Gejammer anhörte und sie an den Türstehern vor den Sexclubs auf der Reeperbahn vorbeischob. Sie verlor kein Wort darüber, dass sie zu Fuß auf total unbequemen Schuhen durch die Nacht laufen musste, statt in ihrem gemütlichen Bett zu liegen, wo sie ohne Mia längst wäre. »Wir hatten einen großartigen Abend und du hast dich dabei betrunken wie eine Zwanzigjährige. Wobei – ich bin nicht mal als Zwanzigjährige aus einem Taxi geflogen, weil ich zu besoffen war.« Sie kicherte. Auf einmal fand sie die Geschichte nur noch komisch. »Je oller, je doller. Und ich glaube, der Typ in der Bar vorhin fand dich richtig scharf.«

Mia wusste nicht, wovon Henny sprach, sie hatte die Leute um sich herum kaum wahrgenommen. Die Wahrheit war, dass sie an Männern nicht mehr interessiert war. Und Männer waren auch nicht mehr an ihr interessiert. Kaum einer sah sie auf der Straße noch an, keiner flirtete mit ihr (da konnte Henny erzählen, was sie wollte). Irgendetwas war mit ihr in den letzten Jahren geschehen, ohne dass sie es bemerkt hatte. Sie war auf einmal unsichtbar geworden, jedenfalls für Männer. Aber eigentlich war das ganz gut so. Ihr Bedarf an Männern war ohnehin für die nächsten hundert Jahre gedeckt.

Flüchtig schaute sie auf die Auslagen im Schaufenster eines Sexshops. Riesige Dildos, bizarr geformte Stiefel, Lederdessous, die mehr zeigten als verbargen. Plötzlich kam ihr Arthur in den Sinn. Arthur mit seinen seltsam einseitigen sexuellen Bedürfnissen. Auch er hatte sie als Frau übersehen. Trotzdem hatte sie sich auf ihn eingelassen, seine Launen und Merkwürdigkeiten ausgehalten. Das lag vermutlich daran, dass er so wunderbar distanziert war. Arthur war ihr nie gefährlich geworden, zwischen ihnen hätten sich nie Gefühle entwickelt, die ihnen zum Verhängnis werden konnten. Das war sehr beruhigend. Ein Mann wie Arthur könnte Mia durchaus noch mal über den Weg laufen. Ein Mann, dessen Herz genauso kalt wie ihr eigenes geworden war.

Ebbe und Glut

Подняться наверх