Читать книгу Bereit für die Liebe! - Katharina Middendorf - Страница 14
VERÄNDERUNG BRAUCHT ZEIT
ОглавлениеWenn wir etwas verändern wollen, dann sollten wir uns selbst verpflichten, dem anderen Zeit zu geben, um mit uns zu kommen. Wir sagen gerne in einer solchen Situation: Einer reicht! Es müssen nicht beide zur gleichen Zeit die gleiche Kraft und den gleichen Wunsch zur Veränderung haben. Aber wenn wir dabei nicht auch etwas Geduld mitbringen, um auf unseren Partner zu warten, dann können wir uns schnell in eine Position bringen, in der der andere keine Chance mehr hat, es uns recht zu machen.
Oft hat einer der beiden Partner dann schon einen „Joker“ zur Verfügung und neue, scheinbar einfachere Perspektiven in Aussicht. Die anfängliche Resignation oder Wut des Partners sind dann willkommene Anlässe der Bestätigung, um den Trennungsturbogang einzulegen.
Es kommt in der Abgrenzung („Ich will das so nicht“) und im Formulieren der eigenen Wünsche („Ich will das so“) häufig zu einer gefährlich arroganten Haltung des Partners, der den ersten Schritt gemacht hat. Eine Haltung, die es dem anderen schwer macht nachzuziehen. Denn eigentlich ist dabei bereits merkbar, dass hier ein doppeltes Spiel läuft. Wenn einer der Partner sich schon mit halbem Herzen aus der Beziehung gelöst hat und ein gemeinsames Weitergehen gar nicht mehr unbedingt gewünscht ist, dann bietet er lediglich Annäherungsversuche an, die mehr Alibi als ernsthaftes Bemühen sind. Wer lässt sich darauf schon gerne ein? Die eigene Veränderung sollte in einer Partnerschaft nicht zunächst ein Schritt in eine andere Richtung sein, sondern ein ernstgemeinter, achtsamer Schritt in eine neue gemeinsame Richtung. Das bedeutet, dass derjenige, der sich zuerst bewegt, sich im Klaren darüber sein sollte, dass es zu Widerständen kommen kann und dass bei der eigenen Differenzierung nun ein Stück weit das möglicherweise langsamere Nachziehen des Partners ausgehalten werden muss. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut!
Dazu eine klassische Situation aus unserer Praxis: Eine Klientin hat seit einem Jahr eine Affäre. In Einzelsitzungen beteuert sie, dass sie sich um die gemeinsame Beziehung bemühe, Gespräche anrege und auch formuliere, was sie sich wünsche. Sie sagt, dass sie ihren Mann liebe, aber sich wünscht, dass er etwas ändert. Auf die Frage, warum sie eine Affäre angefangen habe, antwortet sie, dass sie nicht länger auf Leichtigkeit in der Liebe verzichten und sich zwischendurch auch mal fallen lassen wolle. Sie betont, dass sie sich wahre Intimität wünsche.
Es ist schwer, ihr zu vermitteln, dass ihr Mann ihre Gesprächsangebote nicht als tatsächliche Schritte in eine gemeinsame Richtung wahrnehmen kann, wenn sie sich emotional bereits zu einem anderen Menschen hin orientiert hat. Vielmehr wirkt es wie ein unausgesprochenes, weil geheimes Ultimatum, wenn bereits die Lösung des Paarkonflikts in Form eines neuen Partners im Hintergrund wartet. Das ist keine echte Bereitschaft, sondern eher eine Zwei-Phasen-Strategie. Der andere spürt unterschwellig die nur fünfzigprozentige Bereitschaft, die als hundertprozentige angepriesen wird. Wir können uns Dinge sehr geschickt zurechtlegen und kommen trotzdem nicht an. Der Wunsch der Klientin nach Intimität kann durch Geheimhaltung nicht erfüllt werden. Die Gespräche müssen scheitern. Der Wunsch nach Leichtigkeit in der Beziehung kann durch Forderungen, die selbst nicht eingehalten werden, ebenfalls nicht eintreten. Dann kommt man an den Punkt, sich zu fragen: Ist der Wunsch nach Intimität wirklich echt? Oder herrscht hier eher die Annahme vor: Ich bin nur so weit bereit zu bleiben, wie ich sehe, dass du dich änderst?
In unserem Beispiel trennte sich die Frau schließlich, um umgehend mit ihrem neuen Freund zusammenzuziehen. Intimität und Leichtigkeit haben sich nach ihrer Aussage jedoch noch nicht eingestellt. Der Konflikt mit dem Exmann ist Zweifeln am neuen Partner gewichen. Es hat sich nicht viel geändert. Es gibt neue Strukturen, die den alten gar nicht unähnlich sind, denn der Konflikt selbst wurde nicht gelöst. Echte Bereitschaft konnte sich zu keinem Zeitpunkt entfalten.
Es gibt aber unserer Erfahrung nach auch Möglichkeiten, aus einer scheinbar verfahrenen Situation einen Ausweg zu finden, der tatsächlich zu dem gewünschten Ziel führt. Die Straße dorthin kann steinig und holprig sein. Manchmal besteht vielleicht auch die Gefahr, aus der Kurve zu fliegen, aber am Ende dieser Straße können tatsächlich Intimität und Leichtigkeit warten, Sicherheit und Spannung. Dazu ist es notwendig, durch eine feurige Selbstprobe zu gehen und den Partner daran teilhaben zu lassen. Dann können sich beide Partner tatsächlich zeigen, manchmal mit seltsam erscheinenden Fratzen, aber auch immer wieder mit all ihrer Schönheit. Es braucht keine jahrzehntelange Vorbereitung. Wir sind dann bereit für die Liebe, wenn wir bereit sind, dafür etwas auszuhalten, und mit eindeutiger Bestimmtheit bei unserem Ziel ankommen wollen: mit offenem Herzen zu leben. Das bedeutet, uns nicht vor Schmerzen zu verschließen, aber nicht mehr darunter zu leiden. Wie soll das funktionieren? Ein Mann hat es vor ca. 2500 Jahren vorgemacht. Und viele tun es ihm seither gleich.
1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir auf die gesonderte Nennung der weiblichen Form verzichtet. Wenn wir also zum Beispiel im Buch vom „Partner“ sprechen, ist dabei immer auch die Partnerin gemeint.