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Kapitel 7

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Tag eins nach meinem Date mit Max. Es war ein schöner Abend gewesen, und ich hatte mich meines Erachtens nur wenig doof angestellt. Mal von dem Wasabi-Zwischenfall abgesehen.

Und nun wartete ich sehnsüchtig auf eine Nachricht. Auf irgendein Lebenszeichen von ihm. Er hatte gesagt, dass er sich melden würde. Und das würde er dann auch bestimmt tun. War es nun unangebracht, wenn ich zuerst schreiben würde? Das hatte ich auch Mathilda und Zoya gefragt. Beide hatten sich direkt heute Morgen erkundigt, wie mein Date gelaufen war. Und beide waren unabhängig voneinander der Meinung, dass ich ihm natürlich schreiben durfte, wenn ich etwas zu sagen hatte.

Ich hatte keine News, die ich ihm mitteilen musste, nichts Dringendes, was zeitnah auf den Tisch gebracht werden musste. Ich hatte nur den unglaublichen Drang, den gestrigen Abend nicht einfach so verstreichen zu lassen. Ich wollte mich auch jetzt, einen Tag nach unserem Treffen, weiter so verbunden mit ihm fühlen.

Also hatte ich ein paar simple Worte getippt.

Ich fand es gestern wirklich sehr schön

und freu mich schon darauf, wenn wir uns wiedersehen.

Vormittags hatte ich es abgeschickt, und seitdem wartete ich auf eine Antwort. Es war vielleicht nicht das Klügste, etwas in die Abwesenheit einer Nachricht von Max hineinzuinterpretieren. Aber mit jeder Stunde, die verstrich, war ich mehr und mehr davon überzeugt, dass ich es gestern wohl doch irgendwie versaut hatte. Dass er nur höflich sein wollte, als er sich mit dem Wangenkuss von mir verabschiedet hatte und von einem baldigen weiteren Date die Rede gewesen war. Nun überlegte er wohl schon, wie er mir am besten den Laufpass geben konnte. Vielleicht war der bloße Kuss auf die Wange schon Zeichen genug gewesen. Vielleicht konnte man sich je nach Art der Verabschiedung ja schon denken, wie es weitergehen würde.

Feuchter Zungenkuss = Sehr gute Aussichten auf ein weiteres Date und noch mehr Zungenakrobatik.

Wangenkuss = Next.

»Warum guckst du denn so?« Lissy kam in mein Zimmer und starrte mich an.

»Du sollst doch nicht in mein Zimmer, ohne anzuklopfen!«, wies ich sie zurecht.

»Ich habe angeklopft.«

»Ich habe aber nicht gesagt, dass du reindarfst.«

Sie zuckte mit den Schultern. Eine Autoritätsperson war ich für sie trotz meines Alters eindeutig nicht. Die kleine Kröte kletterte auf meinen Schoß und umarmte mich. Spätestens jetzt konnte ich ihr eh nicht mehr böse sein. Lissy wusste genau, wie sie mich um den Finger wickeln konnte.

»Warum bist du traurig?«, fragte sie und sah mich mit riesigen blauen Lissy-Augen an. An unseren Augen erkannte man, dass wir verwandt waren. Die hatten wir beide von unserer Mutter geerbt. Das dunkle Blau. Nur war Lissy auch so blond wie Mama, und ich hatte das dunkle Haar von Papa bekommen. Lissy konnte durch ihr Erscheinungsbild tatsächlich aussehen wie ein Engel. Vor allem, wenn sie schlief. Im wachen Zustand war sie meist zu frech, laut und mit Schokolade oder Buntstiften beschmiert, um als Engel durchzugehen.

»Wie kommst du darauf, dass ich traurig bin?«

»Du guckst so.«

»Wie denn?«

»So.« Dann versuchte sie mich zu imitieren und zog eine astreine Schnute. Sollte ich so dreinschauen, sah ich wirklich todunglücklich aus. Und ein wenig lächerlich.

»Weißt du, Lissy, ich bin nicht traurig. Ich bin mehr enttäuscht.«

Sie verdrehte die Augen und starrte nachdenklich die Decke an. »Und wieso? Wegen dem Mais auf der Pizza?«

Ich musste lachen. Das Mama heute Mittag einfach so Mais auf die Pizza gestreut hatte, war tatsächlich eine herbe Enttäuschung gewesen. Aber da würde ich drüber hinwegkommen.

»Nein, das war okay. Weißt du, ich habe mich gestern mit einem Kerl getroffen, den ich ziemlich toll finde. Und jetzt meldet er sich nicht mehr bei mir.«

»Das ist gemein«, stellte Lissy fest, und ich musste ihr rechtgeben.

»Ja, aber vielleicht ist es halb so wild. Er wird sich bestimmt morgen melden und hatte heute einfach viel zu tun. Das kann ja auch sein. Wahrscheinlich erwarte ich zu viel.«

»Hast du ihm denn schon geschrieben?«

»Ja, direkt heute Morgen«, gab ich zu. Jedoch sah Lissy das wohl nicht als nervig, sondern als etwas Gutes an, denn sie nickte zustimmend.

»Du bist eben einfach lieb. Und der andere nicht.«

Mit diesen Worten stand sie auf und ging. Lissys Weltsicht zu haben war wirklich toll. Und so simpel. Sie musste nicht wie ich alles dreimal hinterfragen und Fehler an sich selbst suchen, wo wahrscheinlich gar keine waren. Lissy verstand die Welt manchmal besser als ich. Und sie hatte viel mehr Selbstbewusstsein. Hoffentlich würde sie das auch in Zukunft behalten.

Später tat ich das, was ich oft an freien Tagen machte: Ich sah eine Dokumentation über Meeresbewohner. Dieses Mal ging es um das Mittelmeer. Nach einer halben Stunde setzte sich Lissy zu mir, sie hatte eine Prinzessin-Elsa-Puppe dabei und kuschelte sich an mich heran. Keiner von uns sprach, wir ließen uns einfach von den Farben und den prächtigen Bildern berauschen.

»So viele schöne Fische«, meinte sie irgendwann andächtig. Das konnte ich natürlich nicht so stehen lassen.

»Um genau zu sein, sind Wale gar keine Fische, sondern Säugetiere.«

»Aber das sind Fische?« Sie zeigte auf eine Gruppe Delfine, die gerade einem Boot hinterherschwammen und ein paar Sprünge zum Besten gaben.

»Das sind Delfine, und um genau zu sein, sind das auch Wale. Klingt komisch, ist aber so.«

Lissy nickte und sah sich weiter die Doku mit mir an. Zwischendurch setzte sich auch mal Papa dazu und reichte uns eine riesige Tüte Gummibärchen, die wir dann gemeinsam vernichteten. Danach war mir sogar fast ein wenig schlecht, und am Abendbrottisch hatte ich kaum mehr etwas runterbekommen. Was Mama ziemlich sauer gemacht hatte.

Als ich später im Bett lag, starrte ich nachdenklich die wild umhertanzenden Lichtmuster an, die die vorbeifahrenden Autos an die Wand und an die Zimmerdecke zeichneten.

Ein letzter Blick auf mein Handy verriet mir, dass es nach elf Uhr war, und dass sich Max noch immer nicht bei mir gemeldet hatte.

Wahrscheinlich war’s das.

Das war wirklich ein sehr kurzes Vergnügen gewesen.

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