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SUNDAY POST MAGAZINE

15. JULI 2018

CATRIONA ROBINSONS SCHWANENGESANG

Hat Großbritanniens Lieblingskinderbuchautorin ein letztes Abenteuer hinterlassen?

Interview von Suzie Johnstone

Catriona Robinson war eine der beliebtesten und bekanntesten Autorinnen ihrer Generation. Ihre Kinderbuchreihe über ein Mädchen im Rollstuhl, das einen magischen Atlas findet, mit dem sie die ganze Welt bereist, wurde millionenfach gelesen und geliebt. Sie hat auch diverse Romane für Erwachsene geschrieben, zuletzt Die Verzauberung, der für mehrere Literaturpreise nominiert war.

Catriona lebte zurückgezogen an der Küste Norfolks, war in den vergangenen Jahren aber auch Gastdozentin für Kreatives Schreiben in Cambridge. Dort durfte ich sie auch kennenlernen. Sie sollte eine Rede vor den Abschlusskandidaten halten, und wie man hört, war diese ebenso inspirierend wie beinahe demütig gewesen, gewürzt mit einer guten Prise Humor.

Das Hotel, in dem wir uns trafen, entsprach vielleicht nicht dem, was man von einer Frau erwarten würde, die sich nach eigenem Bekunden am wohlsten in Latzhosen und Gummistiefeln fühlte. Fragliches Etablissement besaß eine Eingangshalle mit Galerie im ersten Stock, zu der eine gusseiserne Wendeltreppe führte. Im Zwischengeschoss befand sich eine Bibliothek mit plüschigen Samtmöbeln, wo ich mit Catriona bei einer Tasse Tee und einem Stück Zitronenkuchen plauderte. Sie trug einen schwarzen Faltenrock mit türkisfarbener Seidenbluse, und ihr Haar war zu einem lockeren Knoten hochgesteckt. Sie war entspannt und bester Dinge und fragte den Kellner sogar, ob man das mit Turteltauben verzierte Teeservice des Hotels kaufen könne. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich nie gedacht, dass die Frau, die mir gegenübersaß, nur noch wenige Monate zu leben hatte.

Sie werden gleich eine Rede vor der nächsten Generation Schriftsteller halten. Was hat Ihnen am Unterrichten hier am besten gefallen?

Ich hatte selbst nie die Gelegenheit zu studieren, nicht zuletzt, weil es damals für Frauen noch nicht so üblich war. Aber auch, weil ich nie glaubte, dass ich gut genug bin. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass ich einmal hier enden würde. Ich mache mich dafür stark, dass man alle Kinder, unabhängig von Geschlecht, Rasse, sozialem oder wirtschaftlichem Hintergrund, ermutigen sollte, nach den Sternen zu greifen und die bestmögliche Version ihrer selbst zu sein.

Aber Cambridge ist eine Eliteuniversität.

Stimmt. Das Problem bei Universitäten wie Cambridge und Oxford oder danach auch bei großen Konzernen ist, dass man sich gar nicht erst zu bewerben braucht, wenn man nicht ins Bild passt. Ich habe keinen Abschluss, keine Ausbildung, und trotzdem lehre ich an einer der renommiertesten Universitäten der Welt. Es gibt nicht mehr den einen Weg zum Erfolg. Was bedeutet das Wort überhaupt?

Was bedeutet es denn für Sie?

Als ich anfing zu schreiben, geschah das aus einer schlichten Neugier auf die Welt. Ich wollte die verrückten Ideen und Charaktere zu Papier bringen, die mir ständig durch den Kopf gingen. Aber für mich war das nie mehr als ein Hobby, und ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es der Anfang dieser unglaublichen Reise ist, für die ich sehr dankbar bin. Erfolg sollte nie an Geld oder Besitz festgemacht werden, sondern an dem Gefühl der Befriedigung, das man daraus zieht.

Wie sehr, denken Sie, beruht Ihr eigener Erfolg auf Zufall?

Man könnte natürlich argumentieren, dass das ganze Leben nur eine Aneinanderreihung zufälliger Ereignisse ist, gute wie schlechte. Ich versuche, an der Idee festzuhalten, dass es in diesem Universum, diesem Leben ein Gleichgewicht gibt. Egal, wie viel Schmerz und Not wir erleiden, da ist immer etwas oder jemand, der uns Hoffnung gibt.

Es gibt dieses berühmte Zitat von Leonard Cohen, das zu Hause an meinem Kühlschrank hängt und das eigentlich alles sagt: Ring the bells that still can ring, Forget your perfect offering. There is a crack in everything, that’s how the light gets in. Was so viel heißt wie, die Schönheit des Lebens liegt in seiner Unvollkommenheit.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Meine Enkelin, Emily.

Sie haben einmal gesagt, die Idee zu Ophelia stammt von ihr.

Ja. Wie sicher alle wissen, wurde sie vor fünfzehn Jahren bei einem Autounfall schwer verletzt. Ich habe ihr während ihrer Genesung immer Geschichten erzählt, und sie hat Bilder von den Figuren gezeichnet, einfach aus Spaß. Meine Verlegerin bekam eine davon zufällig zu Gesicht, und der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Sie scheinen sehr eng mit Emily zusammenzuarbeiten. Gibt es da manchmal Unstimmigkeiten?

(Lacht.) Natürlich, wir sind eine Familie, da gibt es immer mal Streit. Aber Emily besitzt das große Talent, genau zu wissen, was ich den Lesern zu beschreiben versuche, und irgendwie schafft sie es, das in ihren Bildern darzustellen.

Hat Emilys Behinderung Ihre Geschichten beeinflusst?

Emily hat keine Behinderung, aber die Leute glauben, was sie glauben wollen. Meine Bücher sollen unterhalten, aber auch inspirieren. So viele Menschen verweilen zu lange an ein und demselben Ort, lassen sich ausbremsen von der Gesellschaft, von Finanzen. Aber die Welt da draußen ist voller Wunder, die nur darauf warten, von uns entdeckt zu werden.

Was hat Sie zu Ihrem Richtungswechsel veranlasst, dazu, sich von Kinderbüchern abzuwenden?

Als Autorin bin ich immer auf der Suche nach neuen Ideen, neuen Herausforderungen. Ophelia und die Welt, die wir geschaffen haben, war so lange Zeit ein so großer Teil unseres Lebens, dass ich das Bedürfnis hatte, einen Strich darunter zu ziehen. Etwas Neues auszuprobieren.

Die Verzauberung ist trotz seines literarischen Erfolgs von den Lesern sehr gemischt aufgenommen worden. Wie sehr ist dies Ihrer Meinung nach der Tatsache geschuldet, dass es sich an erwachsene Leser richtet?

Es überrascht mich nicht, weil die Leute von bekannten Autoren immer einen bestimmten Stil, ein bestimmtes Thema erwarten. Hätte ich ein weiteres Kinderbuch geschrieben, hätte man kritisiert, dass es nicht von Ophelia handelt. Im Leben geht es darum, zu experimentieren und die Magie zu erkunden, die der Welt innewohnt. Ich wollte die Verbindung zwischen Wissenschaft und Philosophie darstellen, und wie diese Verbindung das menschliche Bewusstsein prägt. Wie die begrenzte Zeit, die jedem von uns auf diesem Planeten zur Verfügung steht, unser Verhalten, unsere Perspektive verändert.

Mit Blick auf das Hauptthema von Die Verzauberung: Wenn Sie wüssten, dies wäre Ihr letzter Tag auf Erden, wie würden Sie ihn verbringen?

Sie wissen, dass ich sterbe? Ach du meine Güte, Ihr Gesicht, tut mir leid. Mich schreckt der Tod schon lange nicht mehr. Ich vergesse nur immer, wie schwer sich andere Menschen damit tun.

Wie war die Frage noch mal? Ach, ja, der letzte Tag auf Erden. Liebe Güte (lacht), wie bin ich nur auf die Idee gekommen?

Es gibt einen Ort an der französischen Küste, der einen besonderen Platz in meinem Herzen hat, nicht zuletzt, weil ich dort mein erstes Buch geschrieben habe. Das Licht dort hat so etwas Friedliches. Ich würde früh aufstehen, warme Croissants frühstücken und starken schwarzen Kaffee und dann am Strand spazieren gehen, das Meer und den Sand zwischen meinen Zehen. Ich würde in die Wellen springen und die Macht der Gezeiten spüren, eine Erinnerung an all die Kräfte auf dieser Welt, über die wir keine Kontrolle haben. Frische Langusten, gegrillt am offenen Feuer, und Champagner bei Sonnenuntergang. Alles mit Emily an meiner Seite.

Nichts Spektakuläres, nichts Ausgefallenes. Denn wenn man alle Schichten Spucke und Glanz fortwischt, bleiben uns allen nur Beziehungen und Erinnerungen.

Haben Sie einen Rat für angehende Schriftsteller da draußen, egal ob jung oder alt?

Sagt zu allem ja. Geht Risiken ein, bereut nur die Dinge, die ihr nicht tut, denn Fehler sind wichtiger als Erfolg. Man kann nicht schreiben, man kann sich nicht mit anderen Menschen verbinden, wenn man keine Erinnerungen hat, aus denen man schöpfen kann, so schmerzlich sie auch sein mögen. Sehen Sie, die Dinge, an die ich mich am deutlichsten erinnere, sind die, die ich wider alle Vernunft getan habe.

Haben diese Dinge mit Männern zu tun?

Macht man die schönsten Fehler nicht immer in der Liebe?

Arbeiten Sie an etwas Neuem?

Es gibt immer etwas Neues. Eine neue Idee, eine neue Figur, eine neue Geschichte.

Ist das der Grund für dieses Interview?

Ich habe nicht immer so zurückgezogen gelebt, so öffentlichkeitsscheu sozusagen, mein Lebensstil ist eher das Ergebnis unglücklicher Umstände. Dieses Interview wird wahrscheinlich mein letztes sein, und, um ganz ehrlich zu sein, ich verspüre nicht länger das Bedürfnis, mich hinter meinen Geschichten zu verstecken. Ich hoffe nur, dass etwas Gutes aus dem entsteht, was Emily und ich geschaffen haben, dass das Ende einer Reise vielleicht den Beginn einer anderen bedeutet.

Heißt das, an den Gerüchten um eine neue Reihe mit einer erwachsenen Ophelia ist etwas dran?

In jedem Gerücht steckt ein wahrer Kern. Sagen wir einfach, es gibt da etwas, aber ich bin mir nicht sicher, ob die Welt je davon erfahren wird.

Sie sind dafür berüchtigt, in Ihren Büchern Hinweise zu streuen. Ist das auch so eine Spur, so ein Puzzle, das Ihre Leser lösen sollen?

Das darf ich leider nicht verraten.

Catriona Robinson ist nach einem langen Kampf gegen den Krebs letzten Monat friedlich zu Hause verstorben. Sie hinterlässt ihre einzige Enkelin Emily, die bisher nicht für einen Kommentar zur Verfügung stand.

Alles Glück da draußen

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