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Anthea


Barbagianna erzählte ich nur das Wesentliche. Ich beschrieb Myrsinas Konflikt mit Margarethe und unsere erfolglose Suche nach dem Spiegel. Nachdem ich fertig war, schwieg die Zauberin. Lelia lehnte mit verschränkten Armen an dem Tisch nahe der Wand und starrte finster auf Matej. Der beachtete sie jedoch nicht. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Barbagianna gerichtet.

»Wann habt ihr die Spur des Spiegels verloren?«, fragte sie schließlich.

Ich räusperte mich. »Vor zehn Jahren.« Würde sie mehr wissen wollen? Innerlich wappnete ich mich davor, ihr Einzelheiten über jene Nacht erzählen zu müssen. Wie wir den Jägern aufgelauert und darauf gewartet hatten, dass sie den Spiegel öffneten. Unsere Mission hätte nach einem gewagten Sprung von Matej vorbei sein können. Stattdessen hatte ich die Nerven verloren und die Jäger machten sich mit dem Spiegel davon. Und verschwanden spurlos im Hochland der südlichen Alpen.

Aus dem Augenwinkel sah ich zu Matej hinüber. Er warf mir nie vor, dass ich seinen Plan vereitelt hatte. Aber jedes Mal, wenn wir dachten, wir würden dem Spiegel wieder nahe kommen und die Spur dann doch wieder versandete, spürte ich seine Frustration wie das Vibrieren einer Lautensaite. Sie untermalte jeden seiner Gedanken, ob er es bemerkte oder nicht.

Lelia stieß ein verächtliches Schnauben aus. Matej zuckte mit den Ohren und warf ihr einen Blick zu.

Was hat sie?, wollte er wissen.

Ich weiß nicht. Ich wunderte mich tatsächlich über ihre grimmige Miene. Keiner von uns beiden verhielt sich unhöflich oder bedrohlich. Vielleicht mochte Lelia einfach keine Fremden.

Barbagianna rieb sich über das Kinn. »Ich verstehe«, sagte sie. »Und was wollt ihr nun von mir? Einen Zauber, um den Spiegel zu finden, oder um euer Mädchen zu befreien?

Ich wechselte einen Blick mit Matej. »Beides.«

Die alte Frau schnalzte mit der Zunge. »Das wird nicht billig«, sagte sie. »Was seid ihr bereit zu zahlen?«

Mit klopfendem Herzen zog ich meinen Rucksack samt Reisebündel näher zu mir heran. Alle anderen Magier, die wir aufgesucht hatten, hatten uns gleich im ersten Satz erklärt, dass einem verfluchten Gegenstand wie dem Spiegel nicht beizukommen war. Ihnen fehlte das Wissen, die Macht und vor allem der Mut, sich mit etwas so Dunklem anzulegen.

Barbagianna wollte über den Preis verhandeln.

Sie weiß etwas, sagte Matej, und ich spürte, wie viel es ihn kostete, jetzt still sitzen zu bleiben. Seine Hoffnung beutelte ihn wie ein Sturm, übertroffen nur vor seiner Angst, dass wir den Preis, den sie verlangte, nicht würden bezahlen können.

Ganz ruhig, sagte ich. Irgendwas fällt uns schon ein.

Ich packte unsere Geldbörse aus und zuckte innerlich zusammen, weil sie so leicht in meiner Hand wog. Zwanzig Kupferpfennige und einen Silbertaler schüttete ich auf den Tisch. Barbagianna betrachtete mein mageres Angebot und hob nur wieder ihre Augenbraue.

Anthea, bat Matej.

Ich beugte mich hinunter und zog einen zweiten Taler aus der kleinen Tasche, die ich in die Innenseite meines Stiefelschafts genäht hatte. Ich hatte schon damit gerechnet, ihn hergeben zu müssen, aber sein Verlust tat trotzdem weh. Von jetzt an würden wieder betteln, stehlen oder ganz ohne Geld auskommen müssen. Irgendetwas sagte mir, dass ich in den nächsten Wochen keine Zeit haben würde, um nach Arbeit zu suchen. Andererseits, wenn das der Preis für einen echten Hinweis war …?

Ich legte unsere letzte Münze auf den Tisch. Es war eine magere Summe, aber sie hätte uns über den Winter gebracht.

Barbagianna blieb jedoch unbeeindruckt. »Was hast du noch in deinem Gepäck?«

Ich tauschte einen Blick mit Matej, dann packte ich den Rest unserer spärlichen Habe aus. Einen halben Laib Brot, einen Wasserschlauch, meine Nadeln, ein paar halb fertige Näharbeiten und die Amulette, die ich auf den Märkten verkaufte. Allein Myrsinas Eulenmaske hielt ich zurück. Die würde ich nur im allergrößten Notfall hergeben.

Barbagianna sortierte unseren Besitz in zwei Haufen. Auch Lelia hatte sich vorgebeugt, um die Auswahl in Augenschein zu nehmen. Barbagianna brummelte vor sich hin, dann hob sie ein braunes Tuch hoch, das ich zur Hälfte bestickt hatte. Es war nichts Besonderes. Nur ein Stück gefärbtes Leinen, das ich mit einem Rankenmuster versehen wollte, um es auf irgendeinem Markt zu verkaufen. Die Barbagianna hob das Tuch hoch und begutachte kurz meine Stickerei. Dann schnaubte sie wieder und sah mich an.

»All das«, sie wies auf den linken der beiden Haufen, »und das Tuch hier.«

»Aber es ist noch nicht fertig«, platzte ich heraus.

Barbagianna zuckte mit der Schulter. »Sind wir uns einig?«

Gib ihr, was sie will, sagte Matej.

Zwei Silbertaler, die kleine Schere, mit der ich Stoff- und Lederstücke zuschnitt, und eine Stickarbeit. Es hätte uns schlimmer treffen können. Auf dem Stapel, den Barbagianna aussortiert hatte, lagen sogar noch unsere Kupfermünzen.

»Wir sind uns einig«, sagte ich.

Sie nickte, machte eine komplizierte Geste mit ihren Fingern und steckte die Taler in eine Rocktasche.

»Dieser Spiegel ist ein Unglücksbringer«, sagte sie, während ich den Rest unserer Besitztümer wieder einsammelte.

Kennt sie ihn?, fragte Matej überrascht.

»Hast du schon von ihm gehört?«, fragte ich laut.

»Ja, und nichts Gutes.« Sie wandte sich an ihre Enkelin. »Lelia, Liebes, wärst du so gut?«

»Nonna …«, protestierte Lelia, aber nach einem bittenden Blick ihrer Großmutter verschwand sie in einen abgetrennten Teil der Hütte.

Barbagianna fuhr indes fort: »Wenn es derselbe Spiegel ist, an den ich denke, dann ist er alt. Sehr alt.«

Lelia kehrte mit einem in ein Tuch gewickelten Quader zurück. Ihre ganze Miene drückte Widerwillen aus, aber sie stellte den Gegenstand vor ihrer Großmutter ab. Barbagianna schlug das Tuch aus­einander und offenbarte eine Schatulle aus Holz. Bänder und Knoten aus mir fremden Symbolen waren in alle Seiten des Kästchens geschnitzt.

Ich spürte, wie Matej neben mir aufstand, konnte aber den Blick nicht von der Schatulle wenden.

»Ihr seid nicht die Ersten, die ihn suchen«, sagte Barbagianna. Sie legte ihre knorrigen Hände auf den Deckel und murmelte etwas. Zuerst hörte ich ein Klicken, dann ein Zischen wie von heißem Wasser­dampf – oder einer flüsternden Stimme.

Vorsichtig öffnete Barbagianna die Schatulle. Lelia wich einen Schritt zurück, aber ich lehnte mich nach vorn. Die feinen Härchen auf meinen Armen richteten sich auf. Matej knurrte und fletschte die Zähne, aber ich hörte ihn kaum.

In der Schatulle lag ein Glassplitter, der so hell leuchtete wie der Mond.

Spiegelfluch & Eulenzauber

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