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Hauptrollen-Stress

Könntest du die Augen aufhalten nach Anzeichen, dass jemand in seltsame Geschäfte verwickelt ist?«, bat mich Mr García.

»Klar, mache ich«, versprach ich.

Dann mussten wir beide in den Unterricht. Es war ein Donnerstag und ich tat mein Bestes, um mich auf Englisch und Mathe zu konzentrieren. Nur ganz kurz zeichnete ich einen Delfin und einen Tigerhai, die nebeneinanderschwammen, und schob Shari das Blatt zu. Shari strahlte mich an.

Wie durch einen Glücksnebel hörte ich Mr Garcías Stimme: »Tiago, kommst du bitte mal an die Tafel und rechnest uns diese Gleichung vor?«

Ich unterdrückte ein Ächzen. Seit wir Mr Williams verjagt hatten – den Möchtegern-Schulleiter, den uns Lydia Lennox aufgezwungen hatte –, war Mr García wieder unser strengster Lehrer. Zum Glück schaffte ich es, mich an der Tafel nicht komplett zum Deppen zu machen. Finny wirkte erleichtert, dass sie nicht drangekommen war. Wie wir inzwischen wussten, hatte sie eine Rechenschwäche und drückte sich vor allem, was irgendwie mit Zahlen zu tun hatte.

Sobald das Muschelhorn die erste Pause verkündete, ging ich sofort mein Handy holen und schrieb eine lange SMS an Rocket, meinen Rattenfreund aus Miami. Das U-Boot für Jasper UND MICH umbauen? Coole Idee!, kam es sofort zurück. Ich könnte übers Wochenende zu euch kommen, ihr habt in der Schule ’ne viel bessere Werkstatt als ich daheim.

Geniale Idee!, antwortete ich. Wenn du schon am Freitag kommen kannst, darfst du bestimmt zu unserer Wild-Thing-Party.

Inzwischen war Jasper wieder in seiner etwas moppeligen Menschengestalt, das sahen die Lehrer im Unterricht lieber. »Was schreibste denn?«, fragte er neugierig und beugte sich über mein Display.

Spontan beschloss ich, Jasper mit dem umgebauten U-Boot zu überraschen – ich wusste, dass er am Wochenende bei seinen Eltern sein würde. Wenn ich ihm nichts versprach, war er wenigstens auch nicht enttäuscht, falls Rocket und ich es doch nicht hinbekamen. Also sagte ich schnell »Ach, nichts« und Jasper warf mir einen anklagenden Blick zu, während er sich mit dem Zeigefinger die Brille auf der Nase hochschob.

»Über nichts schreibt man nich’ so lange«, sagte er.

»Na gut, es ist nicht nichts, aber dafür eine Überraschung«, gab ich zu und damit war er zum Glück zufrieden. Überraschungen liebte Jasper fast so sehr wie Kreuzworträtsel.

Als wäre er völlig übernächtigt, hatte Chris während der ersten Stunden auf seinem Stuhl gehangen.

Woran das lag, erfuhren wir in der Pause. »Ich hab letzte Nacht zehn Seiten Drehbuch geschafft«, verkündete unser Seelöwen-Wandler.

»Ernsthaft?« Shari wirkte beeindruckt. »Also weißt du schon, worum es im Film gehen wird?« Ein paar Leute in der Nähe spitzten die Ohren.

»Ja – es wird ein Fantasy-Agententhriller«, kam zur Antwort, mehr wollte Chris nicht verraten.

»Hast du dir schon überlegt, wer die Hauptrollen spielen soll?«, fragte ich, während ich meine Klassenkameraden musterte. Dabei dachte ich allerdings weniger an irgendwelche Rollen als daran, ob sich tatsächlich jemand hier von üblen Gestalten hatte anwerben lassen. Wer konnte so blöd sein? Klar, diese Leute hatten jede Menge Kohle, aber so was war doch ein Pakt mit dem Teufel!

»Ich finde, wir sollten abstimmen, damit es fair zugeht«, sagte Blue. »Schließlich arbeiten am Film viele Leute mit, wieso sollte nur Chris entscheiden, wer die wichtigen Rollen übernehmen darf?«

»Ja genau!« Izzy strich sich das braune, halblange Haar zurück und lächelte uns an. »Wenn ihr mögt, organisiere ich eine anonyme Online-Abstimmung, getrennt nach ›männliche‹ und ›weibliche Hauptrolle‹.«

Produzent und Regisseurin sahen ein bisschen überrumpelt aus, aber schließlich sagte Finny: »Von mir aus, okay«, und auch Chris nickte. Er reichte einen Block herum, auf den jeder, der mitspielen wollte, seinen Namen eintragen konnte. Jede Menge Leute rissen sich darum und erstaunt sah ich, dass auch Shari, Blue und Noah dabei waren.

»Aber du hast doch furchtbares Lampenfieber«, sagte ich zu Shari und ärgerte mich gleich darauf, dass ich es gesagt hatte – ich wollte sie nicht entmutigen!

»Ach so, ja stimmt.« Shari grapschte nach dem Block, um ihren Namen wieder auszuradieren, aber Blue zog ihn ihr weg. »Wieso probierst du es nicht wenigstens? Vielleicht merkst du, dass es dir Spaß macht!«

»Na gut – Lust hätte ich schon darauf.« Shari lächelte schief.

Blue hatte recht und ich fühlte mich schlecht, weil ich meine Freundin nicht in ihrem Plan bestärkt hatte. Abwesend kritzelte ich meinen Namen ebenfalls hin, obwohl ich wusste, dass das eine miese Idee war. Leider waren meine schauspielerischen Fähigkeiten noch begrenzter als mein Wandler-Gespür – wir hatten an der Grundschule mal ein Weihnachtstheaterstück aufgeführt und mich hatten sie nicht mal für die Rolle des Herbergstypen genommen, der nur zwei Sätze zu sagen hat. Zum Schluss hatte ich einen Baum spielen müssen.

Deswegen verdrängte ich den Gedanken an die Abstimmung fast sofort. Doch beim Mittagessen wunderte ich mich, wieso mich so viele Leute angrinsten oder anlächelten. »Was ist eigentlich los, habe ich eine Nudel am Kinn hängen?«, stellte ich Izzy schließlich zur Rede.

»Hast du noch nicht in die Abstimmung geschaut? Du und Shari, ihr liegt vorne!«

»Was?« Ich hatte tatsächlich vergessen, selbst abzustimmen. Also ging ich mein Handy aus der Hütte holen und klickte auf den Abstimmungslink. Tatsächlich. Oje. In der Rubrik »Männliche Hauptrolle« hatte ich deutlich mehr Stimmen als Toco – der erstaunlich gut im Rennen lag –, Noah, Ralph und Linus. Der arme Nestor war auf dem letzten Platz. Schnell stimmte ich für ihn.

Am Nachmittag war klar, dass Shari die weibliche Hauptrolle bekommen würde. Im Gegensatz zu mir war sie begeistert. »Ist das nicht meerig?«, fragte sie, drückte meine Hand und sah mir tief in die Augen. »Wir beide spielen bald zusammen in einem Film mit, ich kann’s noch gar nicht glauben.«

»Äh, ja«, sagte ich skeptisch. »Ich auch nicht. Wieso haben die alle mich gewählt?«

Juna musste lachen. »Wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut?«

»Außerdem mag dich jeder – äh, fast jeder – hier an der Schule«, fügte Leonora hinzu und ein warmes Glühen breitete sich in meiner Magengegend aus. Wer hätte das gedacht? Nach meiner heftigen ersten Verwandlungsstunde, bei der ich allen Angst eingejagt hatte, bestimmt niemand.

Erst als auch Chris zu mir kam und mir gratulierte, begriff ich, dass ich mich diesmal wirklich tief in die Algenpampe geritten hatte.

»So etwa am Montag sollte ich das Drehbuch fertig haben, dann kannst du anfangen, deinen Text für die ersten Szenen zu lernen«, kündigte er an und schlug mir auf die Schulter. »Heute Nachmittag spreche ich mit Barry und frage ihn, ob wir seine Kamera ausleihen dürfen.«

»Meinen Text lernen …«, wiederholte ich etwas betäubt. »Chris, jetzt ganz im Ernst, ich hab mich nur zum Spaß angemeldet. So was kann ich nicht.«

»Was genau?«

»Schauspielern!« Ich erklärte ihm, Finny, Shari und Jasper die Sache mit dem Krippenspiel und meiner Rolle als Baum. Alle schmissen sich weg vor Lachen.

»Tiago, das war in der Grundschule«, erklärte mir Finny so langsam und geduldig, als hätte sie es mit einem Volldeppen zu tun. »Ist es rein theoretisch möglich, dass du dich seither ein bisschen weiterentwickelt hast?«

»Theoretisch«, gab ich zu und wir einigten uns darauf, es auszuprobieren und den Nächstplatzierten auf der Liste zu nehmen, wenn ich Mist baute. Das war leider Toco mit knappem Vorsprung vor Noah. Wie hatte er das geschafft, hatte er die Abstimmung gehackt?

Chris sah so aus, als hätte er keinerlei Lust, diesem Alligator die Hauptrolle zu geben. »Du strengst dich gefälligst an, Tiago!«, ermahnte er mich und ich musste grinsen.

Weil die ganze Aufregung irgendwo hinmusste, war ich im Kampfunterricht kaum zu bremsen und war froh, als mir Miss White erlaubte, ein paar Äste zu zerbeißen.

Als letzte Stunde hatten wir heute ein ganz neues Fach – Tiersprachen. Ich war gespannt. Dieses Fach würde, wie auch das zweite neue Fach Gesellschaftskunde, unsere neuste Lehrerin Miss Bennett unterrichten. Die Arme war ziemlich nervös, wahrscheinlich weil sie noch gut in Erinnerung hatte, wie sie als Kampflehrerin bei uns durchgefallen war.

»Liebe Kinder …«, begann sie, doch schon wurde sie von Juna unterbrochen.

»Miss Bennett, könnten Sie sich bitte eine andere Begrüßung angewöhnen?«, meinte sie. »Wir sind keine Kinder mehr, sondern Jugendliche.«

»Oh, entschuldigt … also ›Guten Morgen‹«, sagte Miss Bennett, was etwas besser war, auch wenn es jetzt am Nachmittag nicht mehr wirklich passte. »Heute nehmen wir die Sprache der Clownfische durch, die werdet ihr wahrscheinlich gut gebrauchen können, weil Clownfische von ihren Wohn-Anemonen aus ziemlich viel mitkriegen von dem, was in der Umgebung passiert. Wenn ihr also mal eine Auskunft über eine bestimmte Gegend braucht …«

Fasziniert erfuhr ich, dass Fische keineswegs stumm waren. Clownfische brachten Klopflaute hervor und klapperten mit den Kiemendeckeln, um sich etwas mitzuteilen, Demoisellen trommelten mit speziellen Muskeln auf ihrer Schwimmblase herum, die gestreiften Süßlippen grunzten, indem sie ihre Zähne aufeinanderrieben. Und – der Hit! – Heringe verständigten sich mit den anderen Schwarmmitgliedern tatsächlich durch Pupsen in unterschiedlicher Tonhöhe.

»Meinen Sie das ernst?«, fragte Mara.

»Sollen wir das jetzt nachmachen?« Toco grinste über das ganze Gesicht.

»Gute Idee, Toco – aber nicht hier. Wenn dich das Thema interessiert, gebe ich dir Hausaufgaben, die du in deiner Hütte erledigen kannst.« Miss Bennett schenkte ihm ein charmantes Lächeln. Nestor, der mit Toco in einem Zimmer wohnte, blickte alarmiert drein.

Miss Bennett lächelte noch breiter. »Nur Spaß«, sagte sie. »Eure Hausaufgabe sind Anemonenfisch-Klopflaute.«

Ich war nicht der Einzige, der aufatmete … und ein bisschen verwirrt war. »Aber … wie soll ich die denn nachahmen, wenn ich ein Tigerhai bin? Durch Magenknurren?«

»Nein – Arme teilverwandeln, zwei Steine nehmen und gegeneinanderschlagen«, empfahl mir Miss Bennett.

Es war eine richtig gute Stunde gewesen und ich war froh, dass ich Mr Clearwater vorgeschlagen hatte, Miss Bennett an der Schule zu behalten und sie andere Fächer unterrichten zu lassen. Wir hatten eine gute neue Lehrerin gewonnen und dafür zwei Schüler eingebüßt – Polly und Tino, die letzten verbliebenen Sumpfschüler, hatten Heimweh bekommen und unsere Erstjahresklasse verlassen, um wieder in die Everglades zurückzukehren. Das war vor allem deswegen schade, weil Polly Backtalent gehabt hatte und uns noch zuverlässiger mit Muffinkreationen versorgt hatte als Juna, die ebenfalls gerne backte.

Nach dem Unterricht begannen im Palmhain harte Verhandlungen zwischen Chris, Finny und Barry über die Benutzung der Kamera. Die Delfinclique und ich taten so, als würden wir am Strand Frisbee spielen, während wir uns in Wirklichkeit anstrengten, um kein Wort zu verpassen.

»Ich hab drüber nachgedacht und könnte mir vorstellen, euch die Kamera für den Film zu leihen«, hörte ich Barry sagen. Wir wollten schon jubeln, da fügte er hinzu: »Aber ich hätte ein paar Bedingungen.«

»Welche?«, fragte Finny vorsichtig und blickte ihm wahrscheinlich gerade in die kühlen blassblauen Augen. Niemand in unserer Klasse hatte so kalte Augen wie Barry.

»Ich will der Kameramann sein. Dann ist wenigstens garantiert, dass ihr meinen Camcorder nicht kaputt macht – das Ding war teuer!«


»Okay«, stimmte Chris sofort zu. »Prima, dann können wir ja …«

»Es gibt noch eine Bedingung«, fuhr Barry fort mit seiner Stimme, der sämtliche Betonungen fehlten. »Ella spielt die Hauptrolle, nicht Shari. Sonst könnt ihr den Deal vergessen.«

Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser

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