Читать книгу Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser - Katja Brandis - Страница 18

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Gottspielen für Anfänger

Es gibt viele Arten, wie man eine Party ruinieren kann. Wir hatten an diesem Abend schon fast alle durch, außer vielleicht Lebensmittelvergiftung.

»Egal, wir treten jetzt auf, so oder so!«, brüllte Leonora und reckte die Faust. Die Band legte los – mit einem meiner Lieblingssongs, Fairytale gone bad. Leonoras Gitarre klang ein bisschen verstimmt, aber Chris machte seine Sache fast so gut wie der echte Sänger von Sunrise Avenue. Shari und ich konnten nicht anders, wir tanzten los.

Später fanden Toco und Ella einen schönen Ersatz für die Lebensmittelvergiftung: Sie hatten sich eine Flasche Tequila organisiert und kotzten am Ende des Abends in die Büsche.

»Freizeit gestrichen, ihr schreibt am Wochenende eine Facharbeit – natürlich jeder eine«, kündigte Miss White an, verfrachtete die beiden in ihre Hütten und erklärte die Party für beendet. Ein paar Schüler, die nicht mitgekämpft hatten, halfen stattdessen beim Aufräumen, bis man nur noch am zerstampften Sandboden sah, dass hier eine Party und ein Kampf stattgefunden hatten.

Chris hatte sich sogar schon vorher – direkt nach seinem Auftritt – verzogen, was ihm eigentlich nicht ähnlich sah, und er hatte so einen entschlossenen Blick drauf. »Wetten, der schreibt an seinem Drehbuch weiter?«, meinte Shari.

»Bestimmt.« Wir schlenderten durch den nächtlichen Palmhain, der inzwischen wieder viel besser aussah als direkt nach dem Hurrikan. Ich legte den Arm um Shari und mein Delfinmädchen schmiegte sich an mich. So viel Frieden in mir. Shari war ganz nah, ich konnte ihren warmen Körper spüren. Außer ihr brauchte ich nichts.

»Weißt du, was? Ich hab da neulich was in einem Film gesehen … wollen wir das auch mal ausprobieren?«, fragte Shari.

»Was denn?«, fragte ich leicht beunruhigt und hoffte, dass sie nicht Dracula gesehen hatte oder die Tanzeinlagen in La La Land.

Anscheinend nicht. Sie drehte mir das Gesicht zu, wir nahmen uns in die Arme und immer näher kamen ihre Lippen den meinen. Mein Herzschlag beschleunigte sich und in mir spielte ein vierzigköpfiges Orchester mit zarten Geigenklängen Nothing else matters von Metallica.

Dann berührten sich unsere Lippen und ich vergaß, dass ich jemals wütend gewesen war, vergaß, wie ich hieß, vergaß, dass uns wahrscheinlich ein halbes Dutzend nachtaktive Seawalker zuschauten.

»Schön – das können wir ruhig öfter machen«, murmelte Shari.

»Ja«, flüsterte ich und küsste sie noch mal.

Am nächsten Morgen war Shari weg, abgeholt zu einem Ausflug von ihren Eltern. Es fühlte sich an, als hätte jemand mir was amputiert. Ich lenkte mich ab, indem ich Rocket in der Werkstatt half mit dem U-Boot, das wir nun hoffentlich behalten konnten. Als Erstes deaktivierten wir natürlich den Positionssender. Rocket machte sich daran, im Inneren mit höchster Konzentration die Steuerelemente einzubauen, die er aus einem ausgedienten Keyboard und einem vorsintflutlichen Joystick gebastelt hatte.

»Jetzt können wir das Ding sowieso nicht mehr zurückgeben«, sagte ich mit gemischten Gefühlen.

»Sehe ich aus wie jemand, der U-Boote zurückgibt?«, fragte Rocket, ohne aufzublicken. »Nächste Woche ist ein Probetauchgang dran. Gib mir mal den Seitenschneider!«

Draußen war es kühl und windig. Bei so einem Wetter kann man sich richtig gut auf die Arbeit konzentrieren. Chris schien es ebenso zu gehen, er tauchte nur kurz zu den Mahlzeiten auf und verschwand dann direkt wieder. Am Sonntagabend musste leider Rocket gehen, aber dafür leisteten mir die Delfinclique, Finny und Jasper Gesellschaft. Fast alle waren bester Laune, und nicht nur, weil Joshua den Schokobrunnen aufgestellt hatte und wir uns schon auf den Nachtisch freuten.

»Es war ein toller Ausflug, ich habe meinen Bruder Riino endlich mal wiedergesehen und wir haben zusammen jede Menge Quatsch gemacht«, meinte Shari, worauf ich sofort Sehnsucht nach meinem Bruder Steve bekam, den ich erst vor Kurzem kennengelernt hatte. Immerhin, er hatte mir neulich in unserem Geheimversteck-Wrack einen Zettel hingelegt, um mir zu sagen, dass er in der Gegend war und ob wir uns nicht mal treffen wollten. Ich hatte fest vor, ihn demnächst zu suchen.

»Ich habe mich im Meer mit Wave getroffen«, erzählte Finny. Sofort bedrängten wir sie mit Fragen, denn wir alle mochten den Buckelwal-Wandler, den wir vor Kurzem aus dem Gefängnis hatten rauspauken müssen. »Wie geht es ihm?« – »Waren seine Eltern auch da?« – »Habt ihr euch geküsst?«

»Haha, versuch mal, als Rochen einen Buckelwal zu küssen – nein, das ist leider ausgefallen«, berichtete Finny. »Aber wir hatten auch so viel Spaß. Es geht ihm wieder bestens und ich soll euch alle von ihm grüßen.«

Noah berichtete von einem Musikfestival, zu dem ihn seine Eltern mitgenommen hatten. Jasper erzählte von einer Familienfeier, bei der sämtliche Gäste in Gürteltiergestalt erschienen waren und es Käfertorte und Regenwurmauflauf gegeben hatte. »Das war alles krass lecker!«

Shari schob ihren Teller Spaghetti von sich. »Danke, Jasper, jetzt hab ich keinen Appetit mehr. Kannst du nicht Fisch essen wie alle normalen Leute?«

Darüber mussten wir anderen furchtbar lachen, weil es so was wie »normal« an unserer Schule ja wohl nicht gab.

Finny und Jasper diskutierten über den Angriff der Gangster während unserer Party. »Wieso hatten die eigentlich Polizeimarken? Hatten die die geklaut?«, rätselte Jasper.

»Nee, solche Dinger kann man im Internet kaufen … und auch die Uniformen dazu«, meinte Finny. »Aber um sich Uniformen anzuschaffen, waren sie wohl zu geizig. Oder sie hatten es zu eilig.«

Wir schauderten. »Hoffentlich kommen die nicht noch mal zurück«, meinte ich. »Wenn ihr noch ein U-Boot findet … schubst es ganz weit raus aufs Meer und haut ab!«

»Das ist der Plan«, meinte Noah. »Scheiß-Schmuggler. Die sollen uns einfach in Ruhe lassen.«

Blue redete nicht mit, sie war noch stiller als sonst. Bedrückt irgendwie. »Alles meerig?«, fragte Shari sie, aber Blue sagte nur »Jaja« und senkte den Kopf wieder über den Teller.

Triumphierend sein wasserdichtes Schultablet schwenkend, setzte sich Chris zu uns. »Die erste Drehbuchversion ist so gut wie fertig! Noch nicht überarbeitet oder so, aber das kann ich ja machen, während wir die ersten Szenen drehen.«

»Zeig her!« Ich riss ihm das Tablet aus der Hand und überflog die Inhaltsbeschreibung, die Chris an den Anfang gesetzt hatte.

Ein junger Playboy namens Xavian (Tiago) erfährt von einer Wahrsagerin (Finny), dass er eine besondere Mission hat, er soll den Magischen Fisch (Olivia), der die Antwort auf alle Fragen weiß, aus den Fängen der Krakenkönigin (Lucy) befreien. Nur so kann er verhindern, dass die Welt in einer neuen Sintflut untergeht. Doch er merkt, dass das nur mithilfe der geheimnisvollen Agentin Athina (Ella) geht – er weiß nicht, dass sie von ihrem finsteren Geheimdienst den Auftrag bekommen hat, ihn zu stoppen. Er verliebt sich in sie, aber sie lockt ihn in eine Falle und sperrt ihn mithilfe zweier Fieslinge (Jasper, Leonora) ein.

An dieser Stelle hörte ich auf zu lesen. »He, Moment mal – ich soll mich in Ella verlieben? Was ist das denn für ein Krötenmist?« Seit ich hier an der Schule war, hatte ich ein paar neue Schimpfwörter gelernt.

»Wieso Krötenmist?«, fragte Chris unschuldig. »Jeder Erfolgsfilm hat ’ne Lovestory, ich dachte, das wäre euch bekannt.«

»Das Romantik-Dings muss rein«, bekräftigte ausgerechnet Jasper, der zufrieden wirkte mit seiner Rolle als Einsperr-Fiesling.

»Aber doch nicht zwischen Tiago und Ella!« Shari und Blue schauten ähnlich begeistert drein wie ich, also in etwa so, als hätte jemand sie gezwungen, Käfertorte zu essen.

»Im Film sind die beiden nicht Tiago und Ella«, belehrte sie Chris. »Sonst hieße es ja nicht schauspielen

»Jedenfalls klingt die Geschichte spannend«, sagte Noah. »Klassische Fantasy und ordentlich Action, damit bekommen wir auf YouTube jede Menge Klicks. Irre, dass du überhaupt so was kannst, Chris.«

Ich knurrte irgendetwas und las den anderen vor, wie es weiterging.

Xavian muss durch eine Bucht voller gefährlicher Meerestiere schwimmen, um zu entkommen und seinen Vater (Mr García) aus einer Unterwasserhöhle zu befreien. Anschließend muss er gegen die Krakenkönigin kämpfen, die von Killerdelfinen (Noah, Shari, Blue) und einem üblen Fabelwesen (Finny) beschützt wird, und den Magischen Fisch bergen. Athina rettet ihm dabei das Leben und küsst ihn. Weil Xavian vom Kampf zu schwach ist, gibt er ihr die magische Formel, sie kündigt bei ihrem Geheimdienst und rettet selbst die Welt, während er ihr bewundernd zuschaut.

»No way!«, sagte ich. »Auf gar – keinen – Fall!«

»Aber es ist richtig ordentlich spannend so«, wandte Chris ein.

Spannend auf meine Kosten! Ich hatte keine Lust, in diesem Film den totalen Loser zu geben. Am Anfang ja, okay, schließlich wandelt sich jede gute Hauptfigur und entdeckt ihre wahren Stärken und so weiter. Aber doch nicht am Schluss! »Wenn das so bleibt, kannst du die Hauptrolle jemand anders geben«, sagte ich und schob ebenfalls meinen Spaghettiteller weg.

»Muss das sein, dass er Ella küsst?« Shari sah sehr beunruhigt aus.

»Ich darf ein Killerdelfin sein?«, freute sich Noah währenddessen. »Das ist cool, ich wollte sowieso einen Schurken spielen. Die Guten sind oft total öde.«

»Also, was ist?« Ich beugte mich über den Tisch in Chris’ Richtung, schob mein Gesicht näher an seines heran und setzte einen finsteren Blick auf. Ein kleines bisschen hatte dieser Gangsterstyle wohl auf mich abgefärbt. Eins war klar, Chris hatte das alles mit Absicht gemacht – hatte er noch immer nicht überwunden, dass sich Shari für mich entschieden hatte? Wieso hatte ich nur das mit dem »Gott spielen« gesagt!


»Na gut.« Chris nahm das Tablet, löschte den letzten Absatz und schrieb stattdessen hin: Sie retten zusammen die Welt. »Besser?«

»Ein bisschen«, sagte ich. Leider merkte ich, dass ich inzwischen wirklich Lust hatte, der Star eines Films zu sein. Schlecht! Richtig gut kann man nur verhandeln, wenn einem das Ergebnis egal ist und man bereit ist, die ganze Sache abzublasen, wenn der andere nicht einlenkt. »Hast du Mr García schon gefragt, ob der überhaupt mitmachen will?« Es war ein komisches, aber auch irgendwie gutes Gefühl, dass er meinen Vater spielen sollte.

»Der sagt bestimmt Ja. Wenn er freihat, macht er jeden Spaß mit«, versicherte uns Shari. »Ehrensache, schließlich ist er ein Delfin!«

»Er benimmt sich im Unterricht nur manchmal wie ein Hai – sorry, Tiago«, meinte Noah.

Ich zog eine schreckliche Grimasse in seine Richtung.

Am Nebentisch war Ella gerade dabei zu prahlen, wie toll sie die Hauptrolle spielen würde. Ihre Fans lauschten andächtig und äußerten hin und wieder ein Kompliment. »Du wirst es garantiert super machen«, hörte ich Barry sagen.

»Zeit, auch die weibliche Hauptperson einzuweihen«, raunte Chris, nickte uns zu und ging rüber zum anderen Tischboot, um auch Ella & Co seine Story zu präsentieren. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich Ellas Reaktion auf den Inhalt des Films. Keinerlei Protest, was die Lovestory anging. Seltsam. Ich war absolut sicher, dass sie mich nach wie vor nicht ausstehen konnte.

Eins war klar, es würden interessante Dreharbeiten werden – furchtbar interessant.

Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser

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