Читать книгу Pine Ridge statt Pina Colada - Katja Etzkorn - Страница 12

Märchenstunde

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Am Morgen wachte sie erst kurz vor sechs auf. Der Jetlag verzog sich langsam. In der Küche angekommen, erkannte sie an einer Schüssel mit Cornflakes-Resten, dass Josh ihr zuvorgekommen war. Mit einer Tasse Kaffee ging sie auf die Veranda. Die Herde war schon auf der Weide, und sein Truck war weg. Sannah nippte an ihrem Kaffee und verzog angewidert das Gesicht. „Bodensehkaffee“ mit einer gefühlten Temperatur von zwanzig Grad.

‚Aber über meinen Tee meckern‘, dachte sie spöttisch. Er musste schon länger weg sein. Josh war ihr keine Rechenschaft schuldig, wann er kam oder ging, aber ein bisschen komisch fand sie es schon. Sie machte sich ein Sandwich zum Frühstück, anschließend wollte sie ausmisten. Sannah vertrödelte den ganzen Vormittag mit Stallarbeit. Nach dem Ausmisten schrubbte sie gründlich die Tränken. Josh blieb verschwunden. Sie dachte darüber nach, die Gegend mit dem Auto zu erkunden, gab diesen Plan allerdings schnell wieder auf. Ohne Schlüssel für die Tür konnte sie nicht abschließen, und sie wollte das Haus nicht unbeaufsichtigt offenstehen lassen. Vor lauter Langeweile fegte sie die Fußböden und schob einen Kuchen in den Ofen. Am Nachmittag wurde Sannah langsam unruhig. Sie hatte eins von Joshs Büchern über Pferdezucht gelesen und nicht weiter auf die Uhr geachtet. Es wurde Zeit, die Herde von der großen Weide zu holen.

Unschlüssig, was sie nun tun sollte, wägte sie die Möglichkeiten ab. Warten, bis Josh da war, die Pferde auf der Weide lassen oder sie alleine holen? Da sie nicht wusste, wann Josh wiederkommen würde, und die Tiere Wasser brauchten, fasste sie sich ein Herz und sattelte Kimimila. Sie ritt über die große Weide und hielt Ausschau nach der Herde. Die Weite der Landschaft war atemberaubend. Dr. Schröders Worte fielen ihr wieder ein: Dort gibt es nur Gras und Himmel. Er hatte recht behalten. Dieser Ozean aus Gras vermittelte ihr ein nie gekanntes Gefühl von Freiheit. Kein Wunder, dass die Lakota so erbittert für diese Freiheit gekämpft hatten. In einiger Entfernung entdeckte sie die Herde und ritt langsam auf sie zu. Sannah umkreiste die Tiere, um sie in Bewegung zu setzen. Es klappte besser, als sie erwartet hatte. Im Zickzack ritt sie hinterher, um eventuelle Ausreißer in Schach halten zu können. Nach einer halben Stunde erreichten sie den Paddock. Sannah schloss das Gatter hinter den Pferden und war stolz wie Oskar. Sie brachte Kimimila zurück auf die kleine Weide und kraulte ihr den Hals. „Feines Mädchen, hast du gut gemacht.“ Die Stute blubberte zufrieden, als Sannah ihr noch eine Möhre ins Maul schob.

Sannah füllte gerade die Tränken, als ein Wagen der Tribal Police auf den Hof fuhr. Ihr Magen krampfte sich zusammen. ‚Hoffentlich ist nichts passiert‘, dachte sie entsetzt. Der Officer, der ausstieg, warf seine Mütze ins Auto und fuhr sich durch sein kurzes schwarzes Haar. Als er sie entdeckte, strahlte er und kam auf sie zu. Sannah entspannte sich. So sah niemand aus, der schlechte Nachrichten brachte. Er hatte ein freundliches Gesicht und stemmte beim Laufen die Hände in die Hüften. Sein Gang erinnerte sie an John Wayne. Ein Bauchansatz wölbte sich über den Bund seiner Uniformhose, ansonsten hatte er in etwa die gleiche Statur wie Josh.

„Hau, ich bin Sam, ein Freund von Josh“, stelle er sich vor.

Sie ergriff seine Hand. „Han, ich bin Sannah. Josh ist nicht da, und ich weiß leider auch nicht, wann er wiederkommt. Kann ich etwas ausrichten?“

Sam strahlte sie fröhlich an. „Eigentlich wollte ich nur mal auf einen Kaffee vorbeischauen und Hallo sagen.“

Sannah lächelte. „Kaffee ist kein Problem. Ich bin hier fertig, muss nur schnell die Kaffeemaschine anwerfen.“ Sie drehte das Wasser ab und räumte den Schlauch weg.

Sam fischte eine Schachtel Zigaretten aus der Brusttasche seines Hemdes und zündete sich eine an. Während Sannah in die Küche ging um Kaffee aufzusetzen, wartete er auf der Veranda und schmunzelte vor sich hin. Der Moccasin Telegraph hatte nicht übertrieben. Sie war schön, höflich, freundlich und arbeitete offensichtlich hier. Sam war gekommen, um ein paar Einzelheiten zu erfahren. Sannah kam aus der Küche und stellte Tassen und einen Teller mit frischem Kuchen auf den Tisch. Sam bekam große Augen. „Wow!“, staunte er. „Kuchen hab ich hier noch nie bekommen.“

„Ich auch nicht. Milch und Zucker?“, bot sie an.

Er schüttelte den Kopf. „Nein. Schwarz wie meine Seele.“

„Schwarz ist er jedenfalls“, stellte sie fest.

„Wo treibt sich der Halunke denn herum?“, wollte Sam wissen und pustete in seine Tasse.

„Ich habe nicht die leiseste Ahnung“, antwortete sie ratlos.

Kaum stand etwas Essbares auf dem Tisch, fuhr Josh wie bestellt auf den Hof. Er bemerkte erstaunt, dass die Pferde an der Tränke standen und die Stammespolizei da war. Breit lächelnd griff er nach einem Aktenordner und stieg aus dem Auto. Sannah starrte ihn sprachlos an. Er trug ein weißes Oberhemd, eine schwarze Jeans und einen geflochtenen Zopf. Sie hatte ihn bislang nur in Arbeitsklamotten gesehen und war gar nicht auf die Idee gekommen, dass er sich auch in Schale schmeißen konnte. In diesem Aufzug sah er noch beeindruckender aus. ‚Er hat eine Freundin‘, schoss es ihr durch den Kopf. Wäre aber auch sehr verwunderlich gewesen, wenn ein Mann wie Josh frei herumlief.

„Hau, Kola!“, begrüßte er Sam. „Hat Sannah dich gerufen, oder ist dir der Kaffee ausgegangen?“, fragte er lachend und brachte den Aktenordner ins Haus. Mit einer Tasse kam er wieder heraus und setzte sich neben Sannah. Er sah sie an und grinste frech. „Kaum bin ich einen halben Tag weg, steht der Knüppelträger auf dem Hof und bekommt Kaffee und Kuchen. Sollte mir das zu denken geben?“, frotzelte er gutgelaunt.

Sam fühlte sich irgendwie erwischt. „Ich kam zufällig vorbei und wollte mal sehen, wie es dir geht“, erklärte er mit Unschuldsmiene und trat die Zigarette aus.

Sannah machte sich über den Kuchen her und schlürfte genüsslich ihren Kaffee. Erst jetzt merkte sie, wie hungrig sie war. Die beiden Männer griffen auch zu, und für einen Moment herrschte gefräßiges Schweigen.

Josh spülte den Kuchen mit einem Schluck Kaffee hinunter. „Nun mal ehrlich, Sam, du fährst doch nicht den ganzen Weg zu mir raus, weil mein Kaffee so gut ist“, bohrte er weiter.

„Deiner nicht, aber ihrer!“, frotzelte Sam zurück.

Sannah dachte an den „Bodensehkaffee“ vom Morgen und kicherte. Dafür erntete sie ein schiefes Grinsen von Josh.

„Mir sind da ein paar Gerüchte zu Ohren gekommen, und nun wollte ich mal sehen, was an diesen Gerüchten so dran ist“, erklärte Sam weiter.

Josh verdrehte theatralisch die Augen. „Was würden wir alle nur ohne Moccasin Telegraph machen?“, stöhnte er genervt. „Ich sehe schon die Schlagzeilen in der Zeitung. Frauenraub am Wounded Knee Creek!“, proklamierte er mit großer Geste.

Sannah konnte sich kaum noch halten vor Lachen, wogegen Sam sein dienstliches Gesicht aufsetzte. „Frauenraub?“, fragte er ungläubig.

„Klar!“, erwiderte Josh hämisch. „Ich habe die alte Tradition unserer Vorfahren wiederbelebt und sie drüben, in Cheyenne River, aufs Pferd gezerrt. Jetzt muss sie hier arbeiten und meine Jeans flicken.“

Sam schüttelte lachend den Kopf und sah Sannah an. „Wie lautet denn deine Version?“

Sie lachte immer noch und rang mühsam nach Luft. „Ich bin der letzte Mohikaner und arbeite hier als Tellerwäscher.“ Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und griff nach einem weiteren Stück Kuchen.

Jetzt fing Josh schallend an zu lachen und drohte von der Bank zu rutschen. „Ich dachte, der ist von der Klippe gefallen? Fast so wie er hier.“ Sam deutete höhnisch mit den Lippen auf Josh. Wieder dieses Duckface.

Sannah winkte ab. „Hollywood“, sagte sie verächtlich und kicherte weiter vor sich hin.

Josh rappelte sich mühsam wieder hoch und nahm sich das letzte Stück Kuchen. „Der Kuchen ist gut, aber hattest du gestern nicht was von Pizza gesagt?“, fragte er mit einem anzüglichen Blick.

„Die gibt es nachher“, meinte sie knapp und stand auf, um Nachschub zu holen.

Josh machte keine Anstalten, ihr Platz zu machen, und grinste sie frech an. Sie kletterte umständlich über seine Beine. Sam beobachtete diese kleine Szene amüsiert. Sannah verschwand mit dem Kuchenteller um die Ecke.

„Sannah kommt aus Deutschland und ist Fotografin“, versuchte es Josh jetzt mit der Wahrheit.

Sam warf seinem Freund einen strafenden Blick zu. „Klar! Sieht man auf den ersten Blick. Und wir sind Schweden“, spottete er mit einem ironischen Grinsen.

Sannah kam mit Kaffee- und Kuchennachschub zurück und stellte den Teller demonstrativ auf Sams Seite des Tisches. Zur Strafe für diesen Verrat ließ Josh sie wieder über seine Beine klettern und amüsierte sich köstlich.

„Ich bin keine Fotografin“, korrigierte sie ihn. „Ich bin Unfallchirurgin.“

Josh sah sie erstaunt an. Im Gegensatz zu Sam glaubte er ihr.

„Das wird ja immer exotischer!“, rief Sam mit gespielter Entrüstung.

Mit Sannahs Fassung war es endgültig vorbei. Sie saß hier, mitten in der Valla Pampa eines Reservates, umringt von Taranteln und Giftschlangen, bei Kaffee und Kuchen mit zwei Lakota, und die fanden eine langweilige Touristin aus Deutschland exotisch. Das war für sie so paradox, dass sie Tränen lachte. Josh begriff, warum sie lachte, und konnte nun auch nicht mehr an sich halten.

Sam gab auf. Aus den beiden würde er heute kein vernünftiges Wort mehr herausbringen. Er beobachtete amüsiert die Szene, die sich ihm bot und freute sich ehrlich für Josh. Er hatte seinen Freund schon lange nicht mehr lachen sehen.

Josh beruhigte sich langsam. „Jetzt erzähl doch mal, was der Moccasin Telegraph denn für Gerüchte verbreitet“, forderte er Sam auf.

Auch Sannah wartete gespannt. Das konnte ja was werden!

Sam verdrückte genüsslich noch ein Stück Kuchen und ließ die beiden schmoren.

Als er fertig war, lehnte er sich zurück und sammelte die Fakten, als würde er in einem Fall ermitteln. „Mehrere Zeugen berichteten übereinstimmend, dass du kürzlich mit einer jungen Frau im Supermarkt aufgetaucht bist. Allein diese Tatsache erregte schon großes Aufsehen. Laut Aussagen der Zeugen trug sie eine schmutzige Jeans, genau wie du, und hatte Pferdemist an den Stiefeln.“ Sam zündete sich eine weitere Zigarette an und nahm einen tiefen Zug, bevor er weiter erzählte. „Daraus schloss man, dass sie bei dir arbeitet. Ihr habt besprochen, was sie kochen soll, und hattet einen kleinen Streit über Tee zum Frühstück. Sie sorgt dafür, dass du Obst isst, und du packst ihre Einkäufe ein. Also lebt ihr zusammen. Aber noch nicht lange, da ihr getrennt bezahlt. Sie ist eine Lakota, dem Akzent nach aber nicht aus Pine Ridge. Ein Baby ist noch nicht unterwegs“, beendete Sam seine Ausführungen. „Für mich klingt das alles wesentlich glaubhafter als die Märchen, die ihr mir auftischt.“

Josh köchelte auf kleiner Flamme vor sich hin, und Sannah kicherte. Wenn die Hersteller von Tampons wüssten, welche Signalwirkung der Erwerb ihrer Produkte hatte, würden sie ihre Werbestrategie ändern.

Sam versuchte ein letztes Mal sein Glück. „Welche von diesen ganzen Geschichten stimmt denn nun?“

„Ich bin nicht schwanger“, bestätigte sie trocken.

Josh prustete in seinen Kaffee und wechselte hastig das Thema.

„Was ist jetzt mit der versprochenen Pizza? Ich habe Hunger“, quengelte er in Sannahs Richtung.

„Nach den Bergen von Kuchen?“, fragte sie entsetzt.

„Ich hatte heute morgen nur Cornflakes und seitdem nichts mehr“, stellte er nach Mitleid heischend fest.

‚Ah! Doch keine Freundin‘, dachte Sannah. Erstens fuhr Mann da abends hin und kam morgens wieder zurück. Nicht umgekehrt. Und zweitens hätte sie ihn nach geleisteten Diensten doch zumindest abgefüttert. Sie stand auf und blieb vor seinen ausgestreckten Beinen stehen. „Nur, wenn du mich diesmal durch lässt“, forderte sie.

„Wie heißt das Zauberwort?“, fragte Josh fordernd und erwartete ein „Bitte“, doch seine Erziehungsmethoden fielen bei Sannah nicht auf fruchtbaren Boden.

„Inajin ye!“ – Steh auf, scheuchte sie ihn resolut.

Beide Männer lachten, und Josh nahm seine Beine aus dem Weg.

„Isst du mit?“, fragte er Sam.

Der winkte ab. „Nein, danke! Hailey wartet bestimmt schon mit dem Essen auf mich. Kommt ihr am Sonntag zum Football?“

Sannah überließ Josh die Antwort und ging in die Küche.

„Ist das wieder diese unsportliche und schmerzhafte Fehde zwischen euch Knüppelträgern und den Jungs von der Feuerwehr?“, fragte Josh nach.

Sam nickte. „Gib dir einen Ruck und komm endlich aus deinem Schneckenhaus raus“, meinte Sam mit besorgtem Unterton. „Außerdem hat Stonefeather einen Büffel spendiert.“

„Na, wenn das so ist“, seufzte Josh. „Dann muss ich wohl.“

„Nimm Sannah mit, sonst kriegst du Ärger mit Hailey. Danke für den Kuchen“, rief Sam zu ihr hinüber und ging zu seinem Auto. Sannah winkte fröhlich durch die offene Küchentür.

In der Zentrale angekommen, tauschte Sam den Dienstwagen gegen sein eigenes Auto und fuhr nach Hause. Auf der Fahrt grübelte er über Josh nach. Er hatte seinen besten Freund schon lange nicht mehr so entspannt und gut gelaunt erlebt. Wer oder was Sannah auch immer sein mochte, ihre Gesellschaft tat ihm gut. Er war mit Josh aufgewachsen und zur Schule gegangen. Sie hatten sich gegenseitig geholfen und beigestanden, wenn es schwierig wurde. Sam war regelmäßig zu Josh und dessen Vater geflüchtet, wenn sein eigener Dad betrunken zu Hause randaliert und um sich geschlagen hatte. Eine Kindheit auf Pine Ridge war hart und mitunter auch gefährlich. Besonders freitags, wenn die Sozialhilfe-Schecks für Alkohol eingelöst wurden. Bei den White Clouds hatte er sich immer sicher und willkommen gefühlt. Joshs Vater Joseph hatte keinen Alkohol geduldet. Er vermittelte den Jungen die alten Werte ihres Volkes, die sieben Tugenden der Lakota: Mitleid, Geduld, Weisheit, Tapferkeit, Bescheidenheit, Großzügigkeit und Respekt. Aber Joseph lehrte sie nicht nur die alten Traditionen, sondern sorgte auch dafür, dass sie in der modernen Welt bestehen konnten. Beide Jungen machten ihren Highschool-Abschluss, was bei den jungen Männern im Reservat eher selten vorkam. Sam fing danach bei der Tribal Police an, Josh ging nach Aberdeen auf die Universität. Als er nach vier Jahren zurückkam, hatte er ein Mädchen im Schlepptau. Sam hatte Chloe nie gemocht, er hielt sie für eine falsche Schlange und er sollte recht behalten. Aber Josh war völlig vernarrt in sie gewesen. Sie versuchte, einen Keil zwischen die Männer zu treiben, und wollte mit der Gemeinschaft im Reservat nichts zu tun haben. Josh zog sich immer mehr zurück, ging nicht mehr auf Powwows, obwohl er das immer geliebt hatte und einer der besten H‘oká witscháscha – Sänger an der Trommel, war. Chloe hasste die Pferde und das Leben im Reservat. Sie träumte von einer schicken Wohnung in der Stadt. Als der alte Joseph starb, drängte sie Josh, die Ranch zu verkaufen, doch zum ersten Mal weigerte er sich. Als sie ihren Willen nicht bekam, war es mit dem Frieden auf der Ranch endgültig vorbei.

Sam fuhr auf die Einfahrt zu seinem Haus und parkte. Seine Frau Hailey wartete schon und begrüßte ihn an der Tür mit einem Kuss.

„Du bist spät, gab es Ärger?“

Sam legte ihr den Arm um die Taille und schüttelte den Kopf. „Nicht mehr als sonst, ich war nach Feierabend noch bei Josh.“ Hailey stellte das Abendessen auf den Tisch und setzte sich mit gespanntem Gesichtsausdruck.

„Stimmt es, was erzählt wird? Hat er endlich eine neue Freundin?“, fragte sie neugierig.

Sam begann zu essen und antwortete: „Es stimmt, dass eine junge Frau auf der Ranch arbeitet, aber ob sie seine Freundin ist, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Aus den beiden war nichts rauszukriegen.“

„O nein!“, rief Hailey entsetzt. „Bitte nicht schon wieder so eine Hexe! Das hat Josh nicht verdient!“

„Ist sie nicht“, versicherte Sam. „Im Gegenteil, sie versorgte die Pferde, als ich kam, es gab Kaffee und selbstgebackenen Kuchen.“

Hailey machte große Augen. „Bei Chloe hättest du nicht mal ein Glas Wasser bekommen“, stellte sie bissig fest.

Sam gluckste. „Stimmt, aber vielleicht ein bisschen Rattengift.“

„Erzähl weiter!“, forderte sie ihren Mann auf.

„Sannah war mir sofort sympathisch. Sie hat Humor und bringt Josh zum Lachen.“

„Aber warum haben sie dir dann nicht erzählt, wer sie ist?“, fragte Hailey irritiert.

Sam grinste. „Die beiden haben mir nur Blödsinn aufgetischt – vom traditionellen Frauenraub über den letzten Mohikaner bis zur Chirurgin aus Deutschland. Fehlte nur die weiße Büffelkalb-Frau. Josh ist vor Lachen fast von seiner Holzbank gerutscht. So hab ich ihn seit Jahren nicht mehr erlebt.“

„Klingt aber, als wären sich die beiden einig“, stellte Hailey zufrieden fest.

„Vielleicht erfahren wir am Sonntag mehr, ich habe sie zum Football eingeladen“, meinte er.

„Sehr gut, ich hatte schon befürchtet, ich müsste mir das Spiel ansehen“, stichelte sie gutmütig.

Sam grinste schief und widmete sich seinem Abendessen.

Auf der Ranch schob Josh seinen Teller beiseite und hielt sich stöhnend den Bauch. Die Pizza war wirklich ein bisschen zu viel gewesen. Er lächelte Sannah an. „Du hast ganz allein die Pferde geholt?“

„Nicht ganz allein“, erwiderte sie. „Kimimila hat mir geholfen. Ich wusste ja nicht, wann du wieder da bist.“

Josh wurde ein wenig verlegen. Er hatte sie den ganzen Tag alleingelassen und eigentlich damit gerechnet, dass sie sauer sein würde. Stattdessen hatte sie die ganze Arbeit allein gemacht, war so mutig gewesen, die Pferde zu holen, und fragte jetzt nicht einmal danach, wo er gewesen war. Dafür hatte sie sich mehr als nur ein Eis verdient.

„Sannah, ich möchte nicht, dass du denkst, dass du hier arbeiten musst. Ich habe heute erst deine Überweisung auf meinem Konto entdeckt und war sehr erschrocken. Nicht nur über die hohe Summe, sondern auch, dass es von dir kam. Ich bin davon ausgegangen, dass der Verein eine Fotografin engagiert hat und natürlich auch dafür zahlt.“

Sannah schüttelte den Kopf. „Der Verein zahlt nichts davon. Schließlich sind die Spenden für das Projekt und nicht für die Reisespesen von Mitgliedern. Sie haben mir geschrieben, dass Kost und Logis dreißig Dollar pro Tag kosten, und deine Kontonummer angegeben. Ich finde das mehr als fair, wenn man bedenkt, dass die Touristen deutlich mehr bezahlen und nicht mal ein Klo in ihrem Tipi haben.“ Sie grinste. „Ich weiß, dass ich hier nicht arbeiten muss. Es macht mir ganz einfach Spaß. Ich stehe normalerweise den ganzen Tag im OP, deswegen genieße ich es, an der frischen Luft zu sein. Früher habe ich meine komplette Freizeit im Stall verbracht, bis mein Quarter vor ein paar Jahren an Altersschwäche starb. Ich habe vor lauter Ärger und Kummer gar nicht gemerkt, wie sehr mir das alles gefehlt hat.“ Josh lächelte, sie liebte es genauso sehr wie er.

„Eins weiß ich sicher“, sagte sie. „Wenn ich zuhause bin, kaufe ich mir ein Pferd. Darauf will ich nie wieder verzichten.“

„Du kannst ja eins aus meiner Zucht kaufen, dann hast du eine bleibende Erinnerung“, schlug er vor und beobachtete fasziniert, wie die Sonne in ihrem Gesicht aufging.

„Wirklich?“, fragte sie erfreut und strahlte. „Das wäre wundervoll!“

Josh stand auf und räumte die Teller vom Tisch. „Ich habe jetzt nur ein Problem“, sagte er, während er die halbe Pizza auf Sannahs Teller betrachtete. „Ich habe absolut keine Ahnung, wie ich Essen im Wert von dreißig Dollar in dich rein stopfen soll.“

„Gib dir keine Mühe!“, erwiderte sie lachend. „Das schaffst du nicht!“

Er stellte die Teller auf die Spüle und stand jetzt hinter ihr. „Was war eigentlich gestern Abend mit dir los?“, fragte Josh mit sanfter Stimme. „War das Wasser zu kalt?“

Sannah fühlte sich eiskalt erwischt. Er hatte es bemerkt. „Nichts, ich war nur müde“, antwortete sie fahrig.

Er strich ihr Haar aus dem Nacken und spürte, wie sie zitterte. Ihr wurde heiß, und ihr Herz schlug bis zum Hals, als er sich zu ihr herunterbeugte und seine Lippen ihr Ohr berührten.

„Du lügst“, flüsterte er.

Pine Ridge statt Pina Colada

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