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Licht am Ende des Tunnels

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Frustriert zog sich Sannah die OP-Mütze vom Kopf. In den letzten drei Stunden hatte sie darum gekämpft, das Leben eines jungen Motorradfahrers zu retten, der nach einer wilden Hasenjagd auf der Autobahn an der Leitplanke gelandet war. Vergebens. Seine Verletzungen waren zu schwer gewesen, der Blutverlust zu hoch. Das Team hatte alles Menschenmögliche versucht, doch nun endete ein junges Leben hier auf ihrem OP-Tisch. „Shit“, fluchte Sannah. „Zeitpunkt des Todes zehn Uhr fünfzig“, verkündete der Anästhesist. Die OP-Schwester schaltete den enervierenden Dauerton, der den Herzstillstand des Patienten signalisierte, ab. Sannah warf ihr einen dankbaren Blick zu. Sie zog die Gummihandschuhe aus und überließ es dem Assistenzarzt, die Wunde zu schließen. Die Handschuhe warf sie in einen Eimer und drückte dann die Tür zum Vorraum auf. Eigentlich hatte sie schon seit drei Stunden Feierabend, aber danach fragte nicht mal sie selbst, geschweige denn jemand anders. Im Umkleideraum zog sie den OP-Kittel aus und warf ihn samt Mütze in einen Sammelbehälter.

Sannah riss den Mundschutz ab und begann sich Hände und Arme zu waschen. Sie schöpfte sich Wasser ins Gesicht und blickte in den Spiegel über dem Waschbecken. Eine widerspenstige Strähne ihres schwarzen Haars fiel in ihr schmales, ebenmäßiges Gesicht. Ihre dunkelbraunen, mandelförmigen Augen waren groß und nach dem Nachtdienst mit dunklen Ringen umrandet. Die geraden Augenbrauen und die hohen Wangenknochen ließen ihr Gesicht ernst, fast streng wirken. Nur die vollen Lippen milderten diesen Eindruck ein wenig ab. Alles ein Erbe ihres Großvaters, einem Kalaaleq, den es seinerzeit von Grönland über Dänemark nach Hamburg verschlagen hatte. Sannah stützte sich mit den Händen auf das Waschbecken und ließ den Kopf hängen. Sie hatte im Laufe ihres Berufslebens als Unfallchirurgin gelernt, emotional Abstand zu halten und nicht alles an sich heranzulassen, aber gerade bei jungen Menschen fiel es ihr immer noch schwer. Nicht zuletzt, weil es ihr die eigene Vergänglichkeit vor Augen führte. Der Patient war jünger als sie gewesen, und nun war sein Leben vorbei.

„Raus hier!“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Nur schnell raus hier.“ Sannah schlüpfte aus den Gummilatschen, in denen man Schweißfüße bekam, und zog Hemd und Hose aus. Die Tür flog auf, und Jonas, der Anästhesist, kam herein. Er hatte ein bemerkenswertes Talent dafür entwickelt, immer dann im Umkleideraum zu erscheinen, wenn Sannah in Unterwäsche dastand. Sie warf ihm einen genervten Blick zu. Er hob die Hände, um seine Unschuld zu beteuern, und grinste jungenhaft. Während er selbst begann sich aus seinen OP-Klamotten zu schälen, beeilte Sannah sich Jeans und Pulli anzuziehen. Als sie auch ihre Schuhe anhatte, trat sie wütend gegen den Schrank.

„Hey“, sagte Jonas tröstend. „Nimm es nicht so schwer. Bei diesem massiven Trauma war nichts mehr zu machen, das weißt du so gut wie ich. Wir sind eben nur Halbgötter“, beendete er sarkastisch seinen Satz.

„Ich denke über eine Umschulung nach. Kennst du einen Job, der Spaß macht?“, fragte sie desillusioniert.

„Klar!“ Wieder blitzte dieses jungenhafte Grinsen über sein Gesicht. „Weihnachtsmann. Einen Tag arbeiten, dreihundert vierundsechzig Tage frei und der Chef weit weg.“ Sannah rang sich zu einem halbherzigen Lächeln durch.

„Also nichts für mich. Ich bin eine Frau.“

Jonas machte ein erstauntes Gesicht. „Ehrlich? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

Sie warf ihm mit gespielter Entrüstung ihr Handtuch an den Kopf und musste nun doch schmunzeln. Das Leben ging weiter. Sie mochte seinen Humor und seine lockere Art. Gerade in solchen Augenblicken wie diesem. Trotzdem ignorierte sie seinen Hundeblick. Kollegen waren für Sannah tabu, und das wusste auch er. Der kurze Augenblick verging, und sie informierte den wartenden Beamten über den Tod des jungen Mannes. Bisher hatte man noch keine Angehörigen ausfindig machen können, und so blieb die traurige Pflicht an ihm, den Angehörigen die Nachricht zu überbringen. Sannah war erleichtert darüber.

Auf dem Weg zum Auto genoss sie die ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühlings auf der Haut und verfluchte gleichzeitig ihren Dienstplan. Es versprach ein schöner Tag zu werden, und sie konnte ihn nicht nutzen. Nach ihrem Nachtdienst war sie völlig ausgelaugt und brauchte Schlaf. Während der Fahrt nach Hause grübelte Sannah über ihr Leben nach. Der Dauerfrust der letzten beiden Jahre machte ihr zu schaffen. Sie liebte ihren Beruf, aber an Tagen wie diesem wurde ihr manchmal alles zu viel. Schon als Kind war sie ehrgeizig gewesen und hatte sich selbst hohe Ziele gesteckt. Unterstützt von ihren Eltern und Lehrern hatte sie zwei Klassen übersprungen und fand sich als „Baby“ auf dem Gymnasium wieder. Trotzdem war die Schule die Hölle für Sannah gewesen. Bedingt durch den Altersunterschied fand sie keine Freunde in ihrer Klasse. Niemand wollte mit dem jüngeren, aber altklugen Mädchen etwas zu tun haben. Die Hänseleien waren verletzend gewesen, und so zog sie den Stoff nur um so verbissener durch. Abitur mit siebzehn und Bestnoten. Das Studium und die Facharztausbildung absolvierte sie in Minimalzeit. Nun war sie neunundzwanzig und steckte in einer Sackgasse. Sie hatte alles erreicht. Oder fehlten ihr einfach nur neue Herausforderungen? Aber welche?

„Du brauchst dringend einen Mann!“, dozierte Annegret, ihre Freundin aus Studienzeiten, immer, wenn die beiden Zeit fanden sich auf ein Glas Wein zu treffen. „Oder wenigstens hin und wieder mal Sex!“

Sannah verdrehte im Geiste die Augen, wenn dieser Spruch kam. Sollte sie etwa den erstbesten Kerl an der Krawatte ins Schlafzimmer zerren? Ihr limbisches System, zuständig für das Mixen von aphrodisierenden Hormoncocktails und die damit verbundene geistige Umnachtung in puncto Männer, lag schockgefrostet als Eismumie in ihrem Oberstübchen. Eine Tür weiter, im präfrontalen Kortex, hatte Fräulein Rottenmeier das Zepter an sich gerissen und regierte mit eiserner Selbstdisziplin, Askese und verkniffenen Mundwinkeln. Eine baldige Änderung dieses Zustandes war nicht in Sicht. Sannah verbrachte den Großteil des Tages in der Klinik. Abends hatte sie dann keine Lust mehr, sich in Schale zu schmeißen und auszugehen. Und alleine schon mal gar nicht. Sie kam sich dann immer vor wie bestellt und nicht abgeholt. Männer und alles, was mit ihnen zusammenhing, waren nicht die Lösung, sondern das Problem. Ein Kollege kam auch nicht in Frage. Ihre letzte Beziehung mit einem Kollegen endete in einer hässlichen Scheidung. Das Trennungsjahr eingerechnet hatte ihre Ehe gerade mal drei Jahre gedauert.

‚So viel zum Bund fürs Leben‘, dachte sie bitter. Wieder Sackgasse, oder war das alles nur Jammern auf hohem Niveau? Sie brauchte dringend einen Tapetenwechsel, um auf andere Gedanken zu kommen. Sannah parkte vor ihrer kleinen Jugendstilvilla in einem der teuren Randbezirke Hamburgs mit Blick auf die Elbe. Nach den heutigen Immobilienpreisen war das Haus ein Vermögen wert, aber für Sannah noch viel kostbarer. Es war ihr Elternhaus. Hier war sie aufgewachsen und bis zum Unfalltod ihrer Eltern immer glücklich gewesen. Hierher war sie nach dem Scheitern ihrer Ehe geflüchtet und hatte sich eingeigelt. Sie besaß alles, was man sich nur wünschen konnte, aber dafür hatte sie einen hohen Preis zahlen müssen.

Sie stieg aus dem Auto und lief die kleine Treppe hoch, fischte die Post aus dem Briefkasten und schloss die Tür auf. Im Flur legte sie ihre Jacke auf einen Stuhl und nahm die Post mit in die Küche. Sie setzte Wasser für einen Tee auf und sah flüchtig die Briefe durch. Eine Karte von Annegret war dabei aus irgendeinem Allinclusive-Club samt Spa am Mittelmeer mit dem etwas protzig klingenden Namen Villa Palma. Sannah grinste. Ihre Freundin ließ es mal wieder krachen! Nächste Woche würde sie sich von Annes Urlaubseroberungen berichten lassen. Ein Brief von dem Förderverein, für den sie monatlich spendete, fiel ihr ins Auge. Es ging um ein Horsemanship-Projekt für Kinder und Jugendliche in der Pine Ridge Reservation in South Dakota. Alkohol und Drogenmissbrauch waren dort ein großes Problem. Durch den Umgang mit Pferden versuchte man, die Kinder von Drogen fernzuhalten und sie gleichzeitig ihrer alten Kultur wieder näherzubringen. Sannah wusste aus eigener Erfahrung, wie positiv sich Pferde auf die Entwicklung von Kindern auswirkten. Wenn man etwas von diesen schönen Tieren lernen konnte, dann Respekt, Verantwortung und Geduld. Geduld und noch mal Geduld. Mal abgesehen davon, dass man dann sowieso keine Zeit mehr hatte, auf dumme Ideen zu kommen. Der Verein suchte jemanden, der drei Monate Zeit erübrigen konnte, um die Arbeit dort zu dokumentieren. Man wollte den Spendern gern zeigen, wofür die Spenden verwendet wurden, und sie an den Fortschritten der Kinder teilhaben lassen. Eine Unterbringung auf der Ranch sei kein Problem, die Kosten dafür musste man allerdings selber tragen.

Sannah war fasziniert von dieser Idee. Sie liebte Pferde, es wäre eine Art von Urlaub, in dem sie sich nicht wie bestellt und nicht abgeholt fühlen würde. Sie hätte eine sinnvolle Aufgabe, und es wäre der Tapetenwechsel, den sie so dringend brauchte. Aber drei Monate waren eine verdammt lange Zeit. Sie schlürfte ihren Tee und öffnete einen Brief von der Personalabteilung. Man machte sie darauf aufmerksam, dass ihr Resturlaub aus dem Vorjahr bald verfallen würde. Sannah war wie elektrisiert. Mit dem Resturlaub, den angehäuften Überstunden und einem Teil ihres diesjährigen Urlaubsanspruches könnte sie drei Monate zusammenbekommen. Blieb nur die Frage, ob man ihr das auch bewilligen würde. Entschlossen griff sie zum Telefon und rief die Personalabteilung an. Angespannt lauschte sie dem Klingelton und wartete darauf, dass sich jemand am anderen Ende an den Hörer bequemte.

„Personalabteilung, Jansen“, ertönte es mit einem unfreundlichen Unterton.

„Susannah Hammeken, guten Tag, Herr Jansen. Ich habe gerade Ihr Schreiben bezüglich meines Resturlaubs erhalten.“

„Dr. Hammeken“, antwortete Jansen nun bedeutend freundlicher – bei den Ärzten wurde immer geschleimt. „Worum geht es denn?“

Sannah zögerte einen Moment. „Das kommt jetzt etwas aus heiterem Himmel“, begann sie. „Ich würde gerne meinen Resturlaub, die Überstunden und einen Teil meines diesjährigen Urlaubs zusammenlegen und am Stück nehmen.“ Die Stille am anderen Ende der Leitung ließ nichts Gutes erahnen. Offenbar sammelte „Feldwebel“ Jansen gerade seine Truppen in Form von Vorschriften und Dienstanweisungen. Sannahs Kampfbereitschaft stieg. „Von wie viel Urlaub sprechen wir denn da?“, kam es schließlich misstrauisch von Jansen zurück. Sannah verdrehte die Augen. Sie hasste Jansens überhebliche Art, in der ersten Person Plural zu sprechen. Sie fragte ihre Patienten schließlich auch nicht: Wie geht es uns denn? Haben wir heute schon Stuhlgang gehabt?

„Drei Monate“, antwortete sie höflich, aber bestimmt. Sie wollte nicht kampflos vor Feldwebel Jansen die Waffen strecken. Der Stuhlgang der ersten Person Plural folgte prompt.

„Drei Monate?“, tönte Jansen nun deutlich lauter durch den Hörer, damit auch alle in der Abteilung mitbekamen, wie dekadent diese Halbgötter waren. „Na, wenn wir uns das denn leisten können.“ Jansen lief zur Höchstform auf. „ Aber ich kann Ihnen sagen, Frau Dr. Hammeken“, er machte eine Pause, um sicherzugehen, dass auch alle den Namen verstanden hatten. „Ein derart langer Urlaub ist bei uns nicht üblich. Das müssten Sie schon mit dem Chefarzt besprechen. Sollte sich Dr. Schröder damit einverstanden erklären, werden wir Ihren Urlaubsanspruch prüfen.“ Jansens Stimme triefte nur so von Schadenfreude.

Sannah kochte vor Wut, ließ sich aber nichts anmerken. Die erste Runde ging an den Papier fressenden Amtsschimmel.

Sie nahm noch einen Schluck Tee, rief im Büro ihres Chefs an und vereinbarte einen Termin für den nächsten Tag. Als sie abends unter der Dusche stand, ließ sie sich das heiße Wasser wohlig über die Schultern laufen und legte sich einen Schlachtplan für das bevorstehende Gespräch mit ihrem Chef zurecht. Priv. Doz. Dr. Dr. Hartmut Schröder, Chefarzt der Chirurgie. Er verlangte viel, auch von sich selbst, schätzte Einsatzbereitschaft und Professionalität und sah sich gern als väterlichen Förderer, solange niemand Mist baute. Was allerdings manchmal dazu führte, dass er seine ganze Abteilung behandelte wie einen Haufen unmündiger Teenager.

Sannah beschloss, genau dort anzusetzen. Sachliche Argumente, eine kleine Portion Kindchenschema und einen winzigen Hauch Sexappeal. Zufrieden drehte sie das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Nach dem Abtrocknen fiel sie in ihr Bett. ‚Endlich Licht am Ende des Tunnels‘, dachte sie und schlief ein.

Am nächsten Morgen erwachte Sannah zum ersten Mal seit langem ausgeruht und frisch, hatte von Pferden geträumt und fühlte sich geradezu euphorisch. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihre spontan getroffene Entscheidung die richtige war. Das bevorstehende Gespräch mit Dr. Schröder versetzte ihr nur einen mäßigen Dämpfer. Entspannt gönnte sie sich ein ausgiebiges Frühstück und genoss das Gezwitscher der Vögel in ihrem Garten. Nach dem Nachtdienst hatte sie einen Tag frei, und der Termin war erst am Nachmittag; sie konnte sich also Zeit lassen. Was wohl Anne von ihren Reiseplänen halten würde? Sannah erschrak, sie machte Pläne und hatte vor lauter Begeisterung darüber noch nicht einmal mit dem Verein telefoniert. Was, wenn ihr jemand zuvorgekommen war? Sie griff zum Telefon. Nach dem Gespräch lehnte sie sich beruhigt zurück. Es hatte sich bisher noch niemand gemeldet, und die Dame am Telefon war erfreut zu hören, dass sich nun doch jemand finden würde. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Sannah am späten Nachmittag noch einmal anrufen sollte. Ein paar Vorabinformationen hatte sie auch schon bekommen. Die Ranch, auf der alles stattfinden sollte, lebte von Pferdezucht und der Ausbildung von Jungpferden. Reitunterricht fand, wegen der strengen Winter in South Dakota, nur in den Sommermonaten statt. Sie würde ein Zimmer im Wohnhaus beziehen und dort auch verpflegt werden. Das Ganze für dreißig Dollar pro Tag. ‚Selbstkostenpreis‘, dachte Sannah. Dafür bekam man hier gerade mal ein Abendessen. Sie gönnte sich eine weitere Tasse Kaffee und träumte ein wenig vor sich hin.

Am frühen Nachmittag lief sie die Treppe hinauf und durchforstete ihren Kleiderschrank nach einem passenden Outfit. Sie entschied sich für ein dunkelblaues Etuikleid mit dazugehörendem Gehrock. Erzkonservativ. High-Heels sorgten für den winzigen Hauch Sexappeal und betonten ihre schlanken Beine. Ein Paar für den hanseatischen Stil obligatorische Perlenohrringe rundeten das Bild ab. Fertig war die Karriere-Barbie. Zufrieden betrachtete sie ihre Auswahl. Sannah konnte umwerfend aussehen, für den täglichen Weg zur Arbeit machte sie sich diese Mühe allerdings nicht. Aber heute ging es um die Wurst. Es galt ein Bündnis mit „General“ Schröder zu schmieden um dann mit fliegenden Fahnen die Personalabteilung zu stürmen. Sie schlüpfte in ihr Kleid und legte etwas Make-up auf. Eine helle Tagescreme ließ ihren dunklen Teint etwas blasser erscheinen, brauner Lidschatten und Mascara betonten ihre ohnehin schon ausdrucksvollen Augen, und ein farbloses Lippgloss vervollständigte die Kriegsbemalung. Ihr knapp schulterlanges Haar umrahmte ihr Gesicht. Zufrieden betrachtete sie ihr Spiegelbild. ‚Das würde Schröder gefallen‘, dachte Sannah. Sie suchte ihre Überstundenabrechnung aus einem Ordner und machte sich auf den Weg in die Klinik.

Vor Dr. Schröders Büro atmete sie noch mal tief durch und straffte die Schultern, bevor sie anklopfte. Sie betrat das Vorzimmer des Chefs. Es roch nach Kaffee und seinem markanten Aftershave.

„Hallo, Dr. Hammeken“, wurde sie von der Sekretärin begrüßt.

„Sie können gleich hineingehen, der Chef ist schon da.“

Sannah lächelte dankbar und klopfte pro forma noch mal am Türrahmen zu Schröders Büro.

„Susannah, kommen Sie rein.“ Schröder hatte sich hinter seinem Schreibtisch, dem Bollwerk der Macht, verschanzt und lehnte selbstzufrieden in seinem Sessel. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte er lächelnd und deutete auf einen Stuhl.

Während Sannah auf dem angebotenen Stuhl Platz nahm, glitt sein Blick wohlwollend über ihre schlanke Gestalt.

„Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für mich nehmen“, begann sie.

„Ich will Sie auch nicht lange aufhalten. Wie Sie sicher wissen, hatte ich in den letzten zwei Jahren einige persönliche Schicksalsschläge zu bewältigen.“

Schröder nickte und wurde ernst. Das war ihm nicht entgangen. Erst die Scheidung von ihrem gewalttätigen Ehemann und kurze Zeit später der Verlust ihrer Eltern. Er hatte damals befürchtet, sie würde unter dieser Belastung zusammenbrechen. Aber sie hatte durchgehalten und sich zurück an die Oberfläche gekämpft. Dafür zollte er ihr Respekt und Hochachtung.

„Ich habe mich in die Arbeit gestürzt, um nicht darüber nachdenken zu müssen“, fuhr sie fort. „Das hat mir bislang auch geholfen, aber jetzt brauche ich dringend eine Auszeit, um durchzuatmen und den Kopf freizubekommen.“

Schröders Gesichtsausdruck wurde nun besorgt, er unterbrach sie aber nicht.

„Die Personalabteilung forderte mich auf, meinen Resturlaub des vergangenen Jahres zu nehmen, und ich würde gern noch meine Überstunden und einen Teil meines diesjährigen Urlaubsanspruches dranhängen. Kurz: ich hätte gern drei Monate Urlaub.“ ‚So, nun war es raus‘, dachte sie erleichtert.

Dr. Schröder entspannte sich sichtlich und lachte kurz auf. „Jagen Sie mir nie wieder so einen Schrecken ein, Susannah. Ich hatte gerade befürchtet, Sie würden mir gleich Ihre Kündigung auf den Tisch legen.“

Sannah lächelte verlegen. „Tut mir leid, wenn ich diesen Eindruck vermittelt habe. Nach dem Gespräch mit Herrn Jansen war ich etwas angespannt.“

Schröder nickte und verdrehte dabei die Augen. Feldwebel Jansen war im ganzen Haus berüchtigt. „Nehmen Sie sich so viel Urlaub wie nötig“, sagte er mit dem üblichen väterlichen Unterton. „Aber tun Sie mir noch einen Gefallen. Nächste Woche fängt ein neuer Kollege an, und es wäre mir sehr wichtig, dass Sie ihn noch einarbeiten, bevor Sie in den Flieger steigen. Halten Sie noch einen Monat durch?“

Sannah machte eine beruhigende Handbewegung und nickte eifrig. „Natürlich, kein Problem“, versicherte sie.

Schröder erhob sich von seinem Sessel und begleitete Sannah ins Vorzimmer.

„Den Jansen überlassen Sie mal getrost mir. Um den werden wir uns schon kümmern“, äffte er den Personalchef nach.

„Vielen Dank für Ihr Verständnis“, sagte sie und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.

„Lassen Sie noch Ihre Überstundenabrechnung hier“, meinte Schröder und bat seine Sekretärin, bei Jansen anzurufen.

„Wo soll´s überhaupt hingehen?“, fragte er Sannah.

„Nach South Dakota“, antwortete sie.

„Was in aller Welt wollen Sie da denn? Da gibt es doch nur Gras und Himmel.“

Sie strahlte ihren Chef an. „Genau! Ist das nicht toll?“ Auf dem Weg nach Hause jubelte Sannah. Nicht nur, dass ihren Plänen nun nichts mehr im Wege stand, Dr. Schröder hatte ihr auch die Schlacht mit Jansen abgenommen. Das war mehr als sie gehofft hatte. Zu Hause angekommen, gab sie dem Verein grünes Licht und man einigte sich schnell auf einen Reisetermin. Alle weiteren Einzelheiten würde man ihr per Post zusenden. Sie bestellte sich ein Abendessen beim Chinesen, schließlich musste der Triumph gefeiert werden. Während Sannah auf das Essen wartete, suchte sie im Internet die passenden Flugverbindungen raus, füllte das ESTA Online-Formular für ein Touristenvisum aus und buchte die Flüge. Fertig, nun gab es kein Zurück mehr. Sie brauchte nur noch den Koffer packen.

Pine Ridge statt Pina Colada

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