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[41] Wenn der Funke überspringt

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Was sich vom New Deal unter Roosevelt und Perkins auf jeden Fall lernen lässt, ist die Entschlossenheit, an Widerständen nicht zu verzweifeln, sondern zu wachsen. Als die Kapitalseite und ihre Lobby den New Dealer:innen den Fehdehandschuh hinwarfen, ließen sie sich davon nicht einschüchtern. Stattdessen nahmen sie ihn auf. Besonders sicht- bzw. hörbar wurde das am 31. Oktober 1936. An diesem Tag machte Roosevelt im New Yorker Madison Square Garden eine klare Ansage – drei Tage vor Ende eines harten Wahlkampfes. Zu dieser Zeit griffen Rechte, Konzerne und die von ihnen kontrollierten Medien alle in der ersten Legislaturperiode seiner Präsidentschaft eingeführten Maßnahmen aggressiv an. Roosevelt reagierte darauf nicht mit Wegducken oder mit dem Versuch, hinter den Kulissen irgendwelche Kompromisse auszuhandeln. Vielmehr reagierte er kämpferisch: „Wir mussten mit den alten Feinden des Friedens ringen – Großkonzernen und Finanzmonopolen, Börsenspekulation, rücksichtslosen Banken, Klassenantagonismus, Partikularismus, Kriegsgewinnlertum. Sie hatten begonnen, die Regierung der Vereinigten Staaten als bloßes Anhängsel ihrer eigenen Angelegenheiten zu betrachten. Aber wir wissen inzwischen, dass eine Regierung des organisierten Geldes genauso gefährlich ist wie eine Regierung der organisierten Kriminalität. Niemals zuvor in unserer gesamten Geschichte waren diese Kräfte so vereint gegen einen einzelnen Kandidaten wie heute. Sie sind sich einig in ihrem Hass auf [42] mich – und ich heiße ihren Hass willkommen!“11 Roosevelt hielt seine Rede gegen den Rat einiger seiner engsten Berater:innen, die die offene Konfrontation mit den mächtigen Lobbygruppen scheuten. Doch er gewann die Wahl haushoch – mit dem bis dahin höchsten Stimmenerfolg der Demokratischen Partei bei einer Wahl.12

Roosevelt und Perkins mischten und verteilten die Karten tatsächlich neu und schrieben viele Spielregeln um. All das erforderte in der Auseinandersetzung mit der Kapitalseite und konservativen politischen Kräften enormen Mut zum Konflikt. Dabei setzten sie nicht allein auf energisches Regierungshandeln, sondern forderten die Gesellschaft selbst zum Engagement auf. Roosevelt verließ sich nicht ausschließlich auf seine Amtsmacht. Er wusste genau, dass er selbst als Präsident alleine niemals in der Lage sein würde, seine weitreichenden Sozialreformen durchzusetzen. Deshalb trafen sich die New Dealer:innen regelmäßig mit sozialen Interessengruppen und hatten dabei zudem die Courage, sich mit den reichen und mächtigen Lobbygruppen anzulegen. Was als offener Prozess einer Regierung startete, löste eine gesellschaftliche Dynamik aus, befeuerte den Kampfesmut bei Gewerkschaften und setzte künstlerische Kreativität frei. Bei einem Treffen mit dem Gewerkschaftler Sidney Hillman, der ihn 1932 nach seiner Wahl für ein Gesetzesvorhaben [43] gewinnen wollte, soll Roosevelt daher gesagt haben: „Sie haben mich überzeugt. Jetzt gehen Sie raus und sorgen Sie dafür, dass ich es mache.“13 Es war dieses Wechselspiel zwischen einer entschlossenen Regierung mit dem Willen zu radikalen Reformen und gesellschaftlicher Mobilisierung, das den New Deal stark machte. Dieses Verständnis von gesellschaftlicher Veränderung ist ein wichtiger Aspekt, den wir auch in heutige Green-New-Deal-Konzepte übersetzen müssen.

Die Bereitschaft zum Konflikt und das Zusammenspiel mit der gesellschaftlichen Mobilisierung ermöglichten dem Team um Roosevelt und Perkins allen Widerständen zum Trotz grundlegende Verbesserungen durchzusetzen. Viele Jahrzehnte später konnte ihr New Deal deshalb als Inspiration angesichts einer erneuten Finanzkrise dienen.

1Zumal sie nicht die einzige Frau war. Auffällig ist vielmehr, dass Roosevelts Wahlkampagne in der demokratischen Partei vor allem von der Frauenorganisation getragen wurde. 80 Prozent der Wahlkampfmaterialien über den New Deal kamen von diesen Frauenorganisationen, während viele der etablierten Männer im Wahlkampf zurückhaltend agierten. (Vgl. Ebd., S. 74)

2DAMNATION, Tony Tost, USA 2017/2018.

3Franklin Roosevelt’s Address Announcing the Second New Deal October 31, 1936, http://docs.fdrlibrary.marist.edu/od2ndst.html [Letzter Zugriff: 31.5.2021].

4Vgl. Klein, Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann, S. 46.

5Price Fishback, Valentina Kachanovskaya, „The Multiplier for Federal Spending in the States during the Great Depression“, The Journal of Economic History 75/1 (2015), S. 125–162.

6Im Jahr 2020 betrug das deutsche BIP 3332 Mrd. Euro im Jahr, 7,5 % wären dementsprechend 250 Mrd. Euro.

7Philip Roth, Verschwörung gegen Amerika, Reinbek: Rowohlt Verlag 2005.

8Sinclair Lewis, Das ist bei uns nicht möglich, Berlin: Aufbau 2017.

9Jan Brandt, „Nachwort“, in: Sinclair Lewis, Das ist bei uns nicht möglich, Berlin: Aufbau 2017, S. 435–442, hier S. 440.

10Vgl. Juliane Schumacher, Green New Deals. Großer Wurf für den globalen Klimaschutz oder Update des kapitalistischen Modells. Eine Einführung, Brüssel: Rosa-Luxemburg-Stiftung 2021, S.7ff.

11Franklin D. Roosevelt, „Address Announcing the Second New Deal“, 31.10.1936, in: Franklin D. Roosevelt Presidential Library and Museum.

12Vgl. Katja Kipping, Neue linke Mehrheiten – Eine Einladung, Hamburg: Argument 2020. S. 75.

13Zitiert nach Lehndorff, New Deal heißt Mut zum Konflikt, S. 41.

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