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Hallo, Taxi! Biografie auf Rädern
Taxi statt S 8. Wie jeden Montag wurde es gestern spät. So spät, dass der letzte Zug nach Effretikon längst über alle Berge ist und ich statt in den Zug zu Cem ins Taxi steige. Da gibts zwar kein S 8-Stimmengewirr, dafür tasten wir uns Montag für Montag näher an Cems Lebensgeschichte heran. Türke, klein, 51, lebt in Affoltern, hat Maschineningenieur studiert.
«Chabis», nannte er es einmal in fast perfektem Schweizerdeutsch. «Ein riesen Chabis war das, sag ich dir!»
Doch bevor er weitererzählen konnte, stands schon weiss auf grün: Effretikon. Ausfahrt nehmen. Quittung schreiben. Hat mich gefreut. Mich auch. Schlaf guet!
Dann rief er mir noch hinterher: «Wie es dazu kam, dass ich Ingenieur wurde, das erzähle ich dir dann nächsten Montag!»
So läuft es mit Cem.
Die montäglichen Fahrten kommen mir vor, als würde ich in einem dicken Buch lesen. Wohldosiert. Jede Woche nur ein Kapitel. Leider. Was allerdings in Kapitel eins schon klar wurde: Cem hat Schulden. Weil er sich selbständig machen wollte und es vergeigt hat. Weil er Alimente zahlen muss für seine Kinder. Weil das Leben halt manchmal nicht so will, wie man es selber plant. Darum fährt und fährt und fährt er.
Unter anderem auch gestern Abend nach Effretikon – angetrieben von den ausstehenden neunhundert Franken, die er bis heute Abend seinem Vermieter geben muss, sonst schmeisst der ihn aus der Wohnung. Neunhundert Franken... wir habens durchkalkuliert. Das sind fünfzehn vorgeschossene Montagsfahrten nach Effretikon. Das sind fünfzehn Kapitel Cem. Ich freue mich darauf. Und Cem kann wieder mal ruhig schlafen.