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Zuneigung im Neigezug

Pendeln im öffentlichen Verkehr stinkt. Mir jedenfalls. Es ist eng, schmutzig, wahlweise zu heiss oder zu kalt, jedenfalls nie richtig, und irgendeiner der Mitreisenden nervt immer – wegen des fehlenden Deos, des Döners, den er schmatzend verzehrt, seines Gelabers, Nz!-Nz!-Nz!-Sounds oder der Angeberei am Handy: «Wäisch, ’ch hanns em Sii Ii Ouu gsäit, de Tschällensch isch: Mir müend etz voll uf de Lewel vom Wentschr Käppitel fokussiere ...»

Katja Walder kennt sie alle, die Schwerenöter und Wichtigtuer, die Handyplapperinnen und Plauderrentner, sie hört jedem zu, schaut jeder aufs Maul. Allein ihre Kolumnen machen das Blättli, in dem sie erscheinen, lesenswert: Kleinst­reportagen, präzise in der Beobachtung, träf in der Wortwahl. Alltag, rasant auf den Punkt gebracht. Die Rubrik «Abgefahren» ist meist eingängig wie ein Popsong, auf Anhieb vertraut. Sie liest sich ganz leicht. Aber so einfach zu schreiben, ist das Allerschwierigste. Ich mag Katja Walders Sound, und mir gefällt, dass sie keinen schont, am wenigsten sich selbst.

Aber, und das ist das Frappante: Sie hat sie gern, ihre Mitreisenden, allesamt. Sonst schriebe sie keine solchen Kolumnen. Würde sie darin nur wäffeln und motzen, wärs unerträglich. Doch stets ist da ein liebevoller Gwunder spürbar für das Kabinett an Skurrilen, mit denen sie den Waggon teilt, und natürlich die Liebe zum Zugfahren, die Zuneigung zu unser aller SBB.

Früher schrieb ich selber Pendlerkolumnen, sie waren mir ein willkommenes Ventil: Jedes noch so arge Ärgernis, jeder noch so dumme Siech, dem ich in Tram, Bus und Zug begegnete, stimmte mich heimlich heiter, denn ich wusste, er würde mir zur Pointe gereichen. Bin ich heute unterwegs, kann ich häufig nur den Kopf schütteln. Aber dann liegt bestimmt irgendwo «Abgefahren» herum, und schon lache ich wieder. Der öffentliche Verkehr mag mühsam sein. Viel, viel schlimmer allerdings ist Pendeln im Auto – dort kann man «Abgefahren» nicht lesen.

Wunderbar, dass es «Katja Walder» gibt! Sie macht den ÖV erträglich. Noch besser ist freilich, dass es die Frau hinter Katja gibt: Franziska von Grünigen, die als Radiofrau mit derselben wohlwollenden Neugierde auf die Menschen zugeht, wie wenn sie Zug fährt.

Bänz Friedli, Hausmann und Autor, Zürich

Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder

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