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Ein Hoch auf meine Schüchternheit

Rote Sneakers, gestreiftes Shirt, schönbeinig und mit verwegener Frisur betritt er das Abteil schräg gegenüber. «Ho-hoooi», möchte ich mit Augenaufschlag flöten. Und schaue stattdessen scheu zur Seite.

Kurz schau ich hin. Er schaut weg.

Er schaut hin. Und ich wieder weg.

Erfolgloses Zug-Flirten in Reinkultur. Mein Hirn dreht im Leerlauf. Wie könnte ich bloss mit ihm ins Gespräch kommen?

Und plötzlich passiert es: Er steht auf (ich schaue verkrampft aus dem Fenster), kommt auf mich zu (ich sehs aus den Augenwinkeln!) und geht (Laden runter) an mir vorbei zur schönen Blondine im Abteil neben mir.

«Du kommst mir bekannt vor», begrüsst er sie strahlend. «Du bist doch Susanne!»

Sie nickt. Ich schmolle.

«Ich bins, Sasha, der Kolleg von Pascal.»

Und schon sitzt er bei ihr. Und mir bleibt nichts anderes, als die beiden zu belauschen und mir vorzustellen, ich wäre sie.

Bald weiss ich: Er wohnt in Luzern, findet Linux blöd, traut Frauen keine Computerkenntnisse zu («Im Chatten sind sie super, aber ein Word-Dokument abspeichern können sie nicht ...»), hat Apollo 440 als Klingelton (Ain’t talking ’bout dub), raucht selbstgedrehte Zigaretten, trifft sich heute Abend um halb sechs mit einem Freund am Bahnhof Luzern, nimmt eventuell noch einige Couch-Surfer mit, die grad bei ihm übernachten, geht am Streetparade-Wochenende ins Roh­stofflager («Da muss man einfach hin, aber sonst find ich dieses WummWumm blöd.») und – auch das ist nach diesen fünfzehn Minuten Zug-Lauschen klar – er redet viel. Zu viel. Und am liebsten über sich selber.

Ein Hoch auf meine Schüchternheit!

Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder

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