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KAPITEL 7

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Als ich aufwachte, sah ich erstmal nur Dunkelheit. Erst nach ein paar Sekunden stellte ich fest, dass ich auf Andreas´ Schoß lag und auf sein dunkles T-Shirt blickte. Eine Zeit lang beobachtete ich ihn. Er schlief ebenfalls. Sein Atem ging langsam und regelmäßig. Er sah wunderschön aus. Seine langen dunklen Wimpern, die er trotz der hellen Haare hatte, ruhten auf seinem Gesicht. Ich versuchte, mich zu bewegen, um aufzustehen, da merkte ich, dass Andreas einen Arm auf meiner Hüfte abgelegt hatte. Wie war ich in diese Position gekommen? Der Fernseher war zwar noch an, jedoch stumm geschaltet. Andreas bewegte sich und schlug die Augen auf. »Na du.«

»Hi.«

»Wie hast du geschlafen?«

»Bin mir nicht sicher.« Ich rieb mir den Nacken. »Wie kam ich auf deinen Schoß?«

»Du bist eingeschlafen und das sah total unbequem aus. Dann habe ich dich einfach hingelegt. War das falsch?«

»Ne, schon ok. Danke. Weißt du, wie spät es ist?«

»Wir haben kurz nach zwei.« Andreas und ich erschraken. Kerstin stand in der Tür, die Arme vor der Brust verschränkt. Sie sah müde und erschöpft aus. Andreas stand hastig auf. »Hallo. Wie war die Schicht? Es gibt noch was zu essen. Steht alles im Ofen. Ich kann dir noch was warm machen.« Andreas wirkte nervös, seine Stimme überschlug sich mehrfach. Gab es dafür einen Grund?

»Danke, aber ich will nur noch duschen und ins Bett. Und wenn ich morgen früh wach bin, will ich wissen, was hier vor sich geht.«

Ich schluckte. »Es ist doch gar nichts passiert.«

»Dich habe ich nicht gefragt, Franziska.« Sie warf Andreas einen wütenden Blick zu und stapfte davon. Als Kerstin verschwunden war, starrte ich Andreas an.

»Was war das denn bitte?«

Er zuckte mit den Achseln. »Kerstin ist nicht gut auf mich zu sprechen, wenn es um Frauen geht. Besser gesagt, wenn es um ihre Freundinnen geht.«

»Oh, aber es war doch gar nichts.«

»Das hat sie aber nicht gesehen. Du solltest jetzt ins Bett gehen.«

Ich stand auf. »Gute Nacht.«

»Dir auch.«

Als ich die Treppen zum Gästezimmer hinaufsteigen wollte, überlegte ich, ob ich vorher nochmal mit Kerstin reden sollte, überlegte es mir dann jedoch anders und ging ins Bett. Ich fiel in einen unruhigen Schlaf. Stefan stand vor mir. Wir redeten. »Wenn ich dich nicht haben kann, soll dich keiner haben.« Ich spürte warme Flüssigkeit meine Beine runterlaufen. Dann wurde alles schwarz. Ich schrak hoch. Musste mich orientieren. Ich sah mich um. Ich war in Kerstins Gästezimmer. Ich hatte eine trockene Kehle. Habe ich geschrien? Ich beschloss, mir etwas zu trinken zu holen.

Nachdem ich mich aus dem Laken befreit hatte, die sich um meine Beine gewickelt hatte, stiefelte ich die Treppen runter in die Küche. Kurz vor der Küchentür angekommen, hörte ich Stimmen. Kerstin und Andreas stritten sich. Ich hörte Kerstin lautstark schimpfen. »... Wieso? Sag es mir Andreas.«

»Es war doch gar nichts«, versuchte Andreas seine Schwester zu beruhigen.

»Och, erzähl´ mir doch nix. Ich habe es doch gesehen.«

»Was hast du denn genau gesehen?«

»Franziska lag in deinem Schoß.«

»Und hat geschlafen«, erwiderte Andreas. »Mehr nicht.«

»Aber deine Hand …«

»Ist vermutlich runtergerutscht, als ich ebenfalls eingeschlafen bin. Hör zu, Kerstin. Franziska hatte letzte Nacht nicht gut geschlafen. Dann habe ich sie heute mit zum Training geschleppt. Dann haben wir gegessen, geredet und einen Film geguckt. Rocky um genau zu sein. Währenddessen ist sie eingeschlafen und da ich sie nicht wecken wollte, habe ich sie einfach schlafen lassen. Da sie aber so krumm auf der Couch eingeschlafen war, habe ich sie einfach auf meinen Schoß gelegt. Mehr war nicht. Und wenn du meinst, dass ich mich an verletzbare Frauen ranschmeiße, kennst du mich nicht. Ja, ich habe mich in der Vergangenheit an deine Freundinnen rangemacht und das ging meistens nicht gut aus, aber sowas mach´ ich nicht mehr.«

In diesem Moment ging die Küchentür auf und Andreas stapfte aus der Küche. Als er mich sah, stockte er. »Solltest du nicht schlafen?« Andreas war gereizt.

»Ich habe nur Durst.«

»Bedien´ dich.« Andreas ging an mir vorbei und schlug die Tür zum Wohnzimmer zu. Ich ging vorsichtig Richtung Küche. Kerstin lehnte gegen den Kühlschrank und sah erledigt aus. Als sie mich sah, lächelte sie. »Alles in Ordnung?«, fragte sie mich.

»Ja, ich wollte mir nur etwas zu Trinken holen. Aber was sollte das gerade?« Ich sprach leiser, denn ich wollte nicht, dass Andreas uns hörte.

»Ach nix, ich habe wohl etwas falsch interpretiert.« Kerstin wirkte erleichtert.

»Wenn du glaubst, dass Andreas sich an mich rangemacht hat, kann ich dir sagen, dass er das nicht getan hat. Ganz im Gegenteil. Er hat mich den ganzen Tag beschäftigt und abgelenkt. Ich hatte seit Jahren mal wieder richtig Spaß - dank ihm.« Ich versuchte sie zu beruhigen. Ich ging an Kerstin vorbei, nahm mir aus dem Oberschrank ein Glas und hielt es unter den Wasserhahn. Ich legte ihr eine Hand auf den Arm. »Es ist nichts passiert«, wiederholte ich. Ohne etwas Weiteres zu sagen, ging ich und ließ Kerstin einfach stehen. Die restliche Nacht schlief ich ohne weitere Träume oder weiteres Erwachen durch.

Als ich am nächsten Tag aufwachte, machte ich mich fertig und ging in die Küche. Andreas war schon auf und stand am Herd. »Was kochst du?«

»Rühreier, glaub ich.« Andreas lachte.

»Lass mich das machen.« Mit der Hüfte stieß ich gegen Andreas und schob ihn weg vom Herd. »Wie hast du geschlafen«, wollte ich wissen, als ich das Rührei probierte und mir schnell Gewürze suchte.

»Nicht so gut. Ich nehme an, dass du Kerstin und mich gestern Abend gehört hast.« Andreas blickte auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen.

»Habe ich und ich habe danach auch nochmal mit ihr geredet. Sie hat verstanden, dass da nichts war.«

Er blickte auf. »Bist du sicher? Sie kennt mich und sie weiß, was früher so passiert ist.«

»Früher? Erzähl mir davon. Dann verstehe ich vielleicht, warum Kerstin so aufgebracht war.« Ich war mir eigentlich sicher, dass ich nichts hören wollte, aber ich wollte wissen, wer Andreas ist und wer er einmal war.

»Na gut, aber wir sollten uns setzen.«

»So schlimm?«, ich lächelte. Ich wollte, dass er wusste, dass, egal was Andreas mir erzählte, nichts an unserer Freundschaft ändern würde. Andreas sah mich sehr ernst an. Er nahm zwei Teller aus dem Schrank und Gabeln aus der Schublade und ich verteilte das von mir gerettete Rührei auf den Tellern. Danach setzten wir uns an den Küchentisch.

Andreas stellte seinen Teller ab, aß aber nicht. Er sah mich an. Ich hatte das Gefühl, als hätte er Angst, mir zu erzählen, wovor Kerstin mich schützen wollte. Ich legte meine Gabel neben den Teller und stützte mein Kinn auf meine verschränkten Hände. Andreas sollte wissen, dass ich ihm aufmerksam zuhören würde, ohne dass ich vom Essen oder Sonstiges abgelenkt sein würde.

»Na gut. Du hast es nicht anders gewollt. Versprich´ mir aber, dass du nicht schreiend davonlaufen wirst.« Andreas schob seinen Stuhl ein wenig zurück, legte seinen rechten Fuß auf sein linkes Knie, räusperte sich und sagte: »Wenn man so aussieht wie ich«, mit einer arroganten Handbewegung zeigte er auf seinen kompletten Körper, »und dazu noch einen Job hat wie meinen, ist es so, dass Frauen einem zu Füßen liegen. Ich arbeite in Spanien. Teilweise sogar mit Prominenten, die versuchen, ihre Körper auf Vordermann zu bringen. Viele Frauen wissen das und die meisten tun einfach fast alles, um an diese Promis ranzukommen. Am einfachsten geht das über Menschen, die sehr nah mit diesen Personen arbeiten. Wie zum Beispiel ein Personaltrainer. Ich bin ein Playboy, Franziska. Ich spiele mit Frauen. Ich gebe vor, die Frauen könnten durch mich in die Nähe dieser Promis kommen und ich nutze diese Naivität aus. Du wirst nicht glauben, wie viele Frauen darauf eingehen. Das lief dann immer so zwei oder drei Tage. Dann ließ ich sie fallen.« Andreas wirkte erleichtert. Er stand auf, nahm beide Teller und warf das erkaltete Rührei in den Mülleimer. Danach legte er die Teller in die Spüle. Ich sah ihn an.

»Aber das kann nicht der Grund sein, warum Kerstin so extrem reagiert hat. Was war noch?«

Andreas drehte sich um und stützte die Hände auf der Arbeitsplatte ab. Er atmete hörbar aus. »Ich bin ein Spieler, Franzi. Nicht nur in Spanien, sondern auch hier. Immer wenn ich nach Deutschland komme, habe ich gemerkt, dass mir die Frauen hier nicht zu Füßen liegen. Ich habe mir einen gewissen Lebensstil angeeignet und den habe ich nie aufgegeben. Ich habe mich dann immer mit Kerstins Freundin Laura getroffen. Sie stand auf mich, war vielleicht ein bisschen verliebt. Und ich habe mit ihr gespielt. Jedes Mal, wenn ich hier auf Besuch war, habe ich mit ihr geschlafen. Einmal, zweimal, manchmal auch dreimal und dann bin ich wieder abgehauen und habe mich nie bei ihr gemeldet. Ich habe mir nie Gedanken über ihre Gefühle gemacht, sondern habe sie immer wieder fallen lassen. Mehrfach.«

»Ist das wirklich der einzige Grund?« Jetzt wollte ich einfach alles wissen.

»Nicht ganz. Laura war wirklich sehr nett, aber auch sehr anstrengend. Sie klammerte ständig. Das wurde mir alles zu viel. Ich habe mich dann einmal mit einer anderen getroffen und habe sie mehr als angemacht und dann …« In seinen Augen bildeten sich Tränen. Ich stand auf und nahm ihn in die Arme. Er erwiderte meine Umarmung nicht, sondern krallte seine Hände noch stärker in die Arbeitsplätze. Langsam löste ich mich von ihm. Ich sah Andreas direkt in die Augen, nahm sein Gesicht in meine Hände und wischte mit den Daumen seine Tränen weg. »Was ist passiert?«, fragte ich ihn, so sanft wie ich konnte.

»Laura hat sich umgebracht.«

»Was?« Ich war entsetzt, wusste jedoch nicht, ob ich wirklich richtig gehört hatte.

»Sie hat mich mit der anderen gesehen und hat sich dann in ihrer Wohnung die Pulsadern aufgeschnitten. Kerstin hatte an diesem Abend Dienst und war als Erste bei Laura und hat sie gefunden. In der Hand hielt sie einen Umschlag, auf dem mein Name stand. Sie hat aufgeschrieben, dass sie mich mehr als ihr Leben geliebt habe und sie ohne mich nicht leben will und kann. Sie wollte, dass ich glücklich werde und hat mir daher alles vermacht. Dank Laura konnte ich mein Fitnessstudio finanzieren.«

»Moment Mal, hast du mir nicht gesagt, du hättest das Studio durch deinen Job finanzieren können.« L-GYM, daher der Name.

Er nickte. »Nicht ganz. Lauras Geld war mein Startkapital. Und deswegen ist Kerstin so sauer und vertraut mir nicht. Sie hat Angst, dass sich wegen mir noch jemand umbringen könnte und deswegen versucht sie keine tiefen Freundschaften aufzubauen. Bei dir ist ihr das missglückt. Deswegen will sie, dass ich mich von dir fernhalte.«

»Oh ... Ok. Jetzt kapiere ich das so langsam. Kerstin weiß, wie labil ich derzeit bin und sie will nicht, dass ich von einer Katastrophe in die Nächste stürze.«

»Genau.« Er nahm meine Hände von seinem Gesicht und stieß mich weg. Ich stand verblüfft da. Als wäre nix gewesen, fragte Andreas: »Was hast du denn heute noch vor?«

Ich fand meine Stimme wieder. »Ich wollte zu meinen Eltern, damit ich meine Kinder mal wiedersehe. Und du?«

»Ich geh´ ins Studio und hau´ ein bisschen auf Sandsäcke ein.«

»Soll ich dich abholen, wenn ich bei meinen Eltern fertig bin?« Ich wollte nicht, dass Andreas' Vergangenheit irgendetwas ändert, egal was mal war oder was er getan oder auch nicht getan hat.

»Klar, das wäre super. Du weißt ja, wo du mich findest und wenn nicht, du kennst ja den ein oder anderen, den du fragen könntest.«

»Mach ich. Wir sehen uns dann später.« Ich schnappte mir meine Schlüssel und die Tasche und war aus der Tür.

Franziskas Entscheidung

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