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KAPITEL 5
ОглавлениеAndreas lenkte den Wagen geschickt in den Verkehr, als wir die Straße, in der ich zurzeit zu Gast war, verließen. So schlimm fand ich seinen Fahrstil jetzt nicht. Nur das erzählte ich ihm nicht. Wir fuhren quer durch die Stadt, bogen mehrmals irgendwo rechts oder auch links ab. Irgendwann bog er ab und hielt auf einem Parkplatz an. »Wir sind da.«
Ich schaute mich um und sah auf ein riesiges Fitnessstudio. Auf dem Gebäude prangerten große neongrün-leuchtende Buchstaben »L-GYM«.
»Du schleppst mich in ein Fitnessstudio?«
»Das ist nicht nur ein Fitnessstudio. Hier kann man auch diverse Kurse belegen und auch verschiedene Trainingseinheiten absolvieren.«
»Ach, kommst du öfter her?«
»Immer wenn ich in der Stadt bin, was allerdings viel zu wenig ist. Aber das bringt der Job so mit sich.« Wir stiegen aus. Als wir das Studio betraten, wurde Andreas sofort von einem ebenfalls großgewachsenen und durchtrainierten blonden jungen Mann begrüßt. »Hi, Andreas. Dich habe ich ja eine Ewigkeit nicht gesehen.« Andreas erwiderte die Umarmung. »Tja, Daniel. Beim letzten Mal, als ich hier war, warst du nicht da. Was gibt's Neues?«
»Alles ok, du musst hier nur ein paar Sachen unterschreiben. Ich hatte dir die Schreiben ja schon vorher gemailt.«
»Klar, machen wir gleich. Ist das Studio unten frei.« Daniel sah mich, grinste und sagte: »Ja ist es. Für ca. eine Stunde, dann beginnt der nächste Kurs mit Matthias.«
»Ok, länger brauche ich nicht. Danach komm´ ich dann zu dir.«. Andreas packte mich am Ellenbogen und bugsierte mich in eine Ecke, in der eine schmale Treppe nach unten führte.
»Darf ich fragen, was das Gerade war?« »Klar.« Er grinste, sagte aber nichts.
»Ok. Was war das eben?«
»Der Laden gehört mir. Daniel ist ein guter Stellvertreter und Geschäftsführer, aber es gibt Unterschriften, die ich als Chef nun mal selber leisten muss.«
Abrupt blieb ich auf der Treppe stehen und drehte mich zu ihm um. »Das Studio gehört dir?«
»Ja und jetzt frag nicht, wie ich mir das leisten kann. Ich will nicht über die Arbeit reden. Jetzt nicht.« Er wirkte gereizt.
»Ok. Und was machen wir jetzt hier?«
»Du wirst dich ein bisschen abreagieren, indem du ein bisschen auf mich einschlägst.«
»Was?!«, ich stotterte.
»Wir machen ein Boxtraining.«
»Ähm ...« Ich hob abwehrend die Hände in die Luft. »Ich schlag nicht auf dich ein.«
»Keine Angst, du wirst mir schon nicht wehtun.«
Ich erkannte den Spott in seiner Stimme. »Weil ich ein Mädchen bin?«
»Nicht nur deswegen.« Er grinste.
»Ok, dann lass uns loslegen«, sagte ich entschlossen. Jetzt wollte ich ihm wirklich weh tun. Irgendwie. Andreas ging zu einem Schrank in der hintersten Ecke und zog ein paar Boxhandschuhe hervor. Er kam zu mir zurück und zog mir die Handschuhe an. Es war ein unangenehmes Gefühl, die Hände die ganze Zeit über zu Fäusten geballt zu haben. Andreas stand mir gegenüber, zeigte mir, wie ich die Hände und Arme zu halten habe. »Normalerweise würde ich dir jetzt sagen, dass deine Deckung oberste Priorität hat, aber darum geht es heute nicht. Du sollst heute einfach draufschlagen. Am besten denkst du an deinen Mann.«
»Wie bitte?«
»Du bist doch sauer auf ihn, oder?« Ich nickte. »Gut, dann sei wütend und lege diese Wut in deine Schläge.« Er hob die Hände. »Schlag abwechselt in meine Hände. So stark du kannst.« Ich straffte die Schultern. Mein erster Schlag ging aber ins Leere. Ich traf nicht mal ansatzweise in die Hand, die ich treffen wollte. »Ok«, sagte Andreas. »Vielleicht sollten wir erstmal schauen, dass du dein Ziel auch triffst.« Er lachte und zog einen Boxsack aus der Ecke, der an einer Kette an einer Schiene hing, die an der Decke befestigt war. Aus einem weiteren Schrank holte er Tape Band hervor und klebte ein großes X auf dem Sack. »So«, sagte er. »Versuch das Kreuz zu treffen. Sagen wir je fünf Mal.« Ich starrte ihn an. »Fünf Mal mit der rechten und fünf Mal mit der linken Hand«, fügte Andreas hinzu.
»Ach so.«. Ich lächelte. Die ersten drei Schläge verfehlten ihr Ziel. Andreas stellte sich hinter mich. »Warte mal.« Er umfasste meine Handgelenke und führte meine Hände zum nächsten Schlag. Ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren. Daneben inhalierte ich sein Aftershave. Wow. Mir wurde ein bisschen schwindelig. Ich schüttelte mich kurz, lockerte meine Schultern und konzentrierte mich. Ich traf das Ziel. »Gut gemacht«, flüsterte mir Andreas ins Ohr. Die restlichen beiden Schläge führte ich alleine aus und ich traf wieder mein Ziel. Zwar nicht genau mittig, aber ich traf. Ich hob die Hände in die Luft und sprang auf und ab. Ähnlich wie Sylvester Stallone im Film Rocky. Ich war glücklich. Andreas holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. »So, und jetzt versuche, mich zu treffen und denk daran, sei wütend.«
Ich schlug zu. Andreas hatte nicht mit einem Treffer gerechnet, denn er schwankte leicht zurück, als ich ihn mit der mir zur Verfügung stehenden Kraft wirklich traf. Er schüttelte die Hand aus.
»Aua«, sagte er.
»Doch nicht nur ein Mädchen, was?«, sagte ich völlig außer Atem.
Er sah auf die Uhr. »Wir haben noch 20 Minuten. Machen wir weiter.« Ich schlug immer wieder auf Andreas Hände ein. Als wir fertig waren, war ich total verschwitzt und kaputt. Völlig ermattet, zog Andreas mir die Handschuhe aus. »Ich muss jetzt noch ein paar Papiere unterschreiben und dann können wir wieder nach Hause fahren. Willst du hier duschen?«
»Ich habe nichts zum Wechseln dabei. Duschen wäre daher sinnlos.«
»Ok.«
Langsam schob mich Andreas die Treppe rauf. Ich war völlig fertig und meine Beine wackelten ein wenig, als wir die Stufen hinaufstiegen. Andreas setzte mich auf einen Hocker an der Bar. Er winkte den Barkeeper ran und begrüßte ihn mit einem Handschlag. »Mark, das ist Franziska. Alles, was sie möchte, geht auf mich.« Er lächelte und drückte mir den Arm. »Bin gleich wieder da.«
Mark sah mich an. »Was möchten Sie trinken?«
»Ich habe keine Ahnung. Was trinkt man denn so? Nach dem Training meine ich.«
»Proteine«, sagte Mark bestimmt. »Ich mach´ Ihnen einen Shake.« Zwei Minuten später stand vor mir ein Proteinshake, der mit einem Strohhalm und einem Schirmchen verziert war. Ich trank einen Schluck. »Mmh, lecker. Danke. Darf ich Sie was fragen?« »Klar«, Mark nickte. »Wie lange arbeitet Sie schon für Andreas?«
»Seit ungefähr 7 Jahren. Allerdings kann man das eigentlich nicht so sagen, denn er ist selten hier.«
»Verstehe.« Ich nippte nochmal an meinem Shake.
»Darf ich Sie auch was fragen?«
»Wenn Sie das mit dem Sie sein lassen, selbstverständlich«, ich lächelte.
»Gut. Also, woher kennst du Andreas?«
»Er ist der Bruder einer Freundin und eigentlich kenn´ ich ihn erst seit gestern. Daher wäre kennen zu viel gesagt.«
»Ach so«, Mark zuckte die Achseln. »Ich dachte nur ...« Er zögerte.
»Was?«, wollte ich wissen.
»Du bist die erste Frau, die er mit hier hinbringt. Noch nicht einmal seine Schwester war hier. Deswegen dachte ich, du wärst seine Freundin.«
Ich verschluckte mich an meinem Drink, an dem ich gerade nippte. »Oh nein. Männer brauche ich zurzeit nicht in meinem Leben. Zumindest nicht auf die Art. Andreas wollte mich ablenken und daher hat er mich hierhin geschleppt. Ich habe noch nicht einmal Klamotten für hier.« Meine Hände zeigten auf die Sachen, die ich anhatte. »Die Sachen sind von Andreas«, erklärte ich ihm.
»Und sie stehen dir ausgesprochen gut und haben ihren Zweck erfüllt.« Andreas tauchte hinter mir auf und legte mir besitzergreifend eine Hand auf die Schuldner. »Hat Mark dich etwa belästigt.«
»Nö, er hat mir nur gesagt, was für einen hervorragenden Chef du abgibst.«
Andreas zog die Augenbrauen hoch. »Ach ja?«, fragte er erstaunt. Mark antwortete nicht, zog sich stattdessen in eine Ecke zurück und begann die Theke zu wischen.
»Bist du fertig?«, fragte mich Andreas. Ich nickte, leerte mein Glas und rutschte von meinem Hocker. Andreas hielt mir seinen Arm hin und ich hakte mich bei ihm unter. »Ist der Papierkram erledigt?«, fragte ich ihn.
»Ja, ich muss das ganze Zeug ja nur noch unterschreiben. Daniel schickt mir sowas immer per Email, dann les´ ich das vorab.« Wir gingen zum Wagen. Ganz der Gentleman hielt Andreas mir die Beifahrertür auf und ich stieg ein. Als wir losfuhren, musterte mich Andreas von der Seite. »Du warst aber sehr wütend auf deinen Mann.« Das war keine Frage.
»Nicht nur auf ihn«, murmelte ich leise.
»Auf wen denn noch? Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst«, fügte er hastig hinzu.
»Ich muss nicht, aber ich sollte. Ich bin auch sauer auf mich.« Er sah mich verwirrt an.
»Wieso?«, wollte er wissen. »Na ja, ich habe das Gefühl, dass ich alles kaputt gemacht habe. Nicht nur jetzt, sondern schon vor Jahren. Ich weiß ja nicht, wie viel du weißt. Ich war damals hin- und hergerissen zwischen dem Mann den ich liebte und dem Mann, der mich liebte.«
»War das nicht der gleiche Mann?« Andreas blickte mich verwundert an.
»Ich weiß es nicht.«
»Das versteh ich nicht.«
Ich musste lachen. »Ich auch nicht«, gab ich zurück.
»Du warst glücklich mit ihm.«, stellte Andreas fest. »Ja.« Mehr sagte ich nicht.
»Und warum bist du dann zu deinem Mann zurück?«
»Wegen meiner Ehe und meinen Kindern. Ich dachte, ich könnte das wieder auf die Reihe kriegen. Ich habe mich wohl geirrt. Mein Mann - Björn - hat sich von mir entfernt, hat mir aber gleichzeitig ›verboten‹«, ich machte mit meinen Fingern Anführungszeichen in die Luft, »das Haus zu verlassen.«
»Er hat dich also eingesperrt?«
»Nein ... Ja«, gab ich beschämend zu.
»Er hat dir deine Freiheit genommen, weil du einen Fehler gemacht hast?« »Einen über Monate, ja.«.
»Aha ...« Mehr sagte Andreas nicht. Den Rest der Fahrt schwiegen wir.