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KAPITEL 6
ОглавлениеZu Hause angekommen ging ich sofort unter die Dusche. Als ich fertig war, zog ich mir meinen Pyjama an und ging runter in die Küche. Andreas telefonierte. »Ok, dann bestell´ ich was zu essen und wir sehen uns morgen. Ja, ihr geht's gut. Mach dir keine Sorgen. Ja, ich habe sie ablenken können. Bis morgen.« Dann legte er auf.
»Kerstin?«, fragte ich.
»Ja, ein Kollege ist krank geworden, sie muss die Nachtschicht übernehmen. Das heißt, dass sie uns nix zu Essen mitbringt. Wir bestellen daher. Ich bin ein miserabler Koch.«
»Ich könnte was kochen«, bemerkte ich.
»Könntest du, wenn Kerstin kochen könnte und irgendwelche Zutaten im Haus hätte.« Er grinste. Andreas hielt zwei Speisekarten hoch. »Italienisch oder chinesisch?«
»Italienisch.«
»Irgendwas Bestimmtes?«
Ich zuckte die Schultern und setzte mich auf den Hocker. »Überrasch mich.« Ich grinste.
Andreas verstand die Anspielung ebenfalls.
»Gibt es irgendetwas, dass du nicht magst?«
»Nö, ich esse eigentlich alles.«
»Gut zu wissen.« Andreas schnappte sich sein Handy und bestellte wild drauf los. Als das Essen geliefert wurde, war von allem etwas dabei. Salat, Pizza, Nudeln. Eine bunte Mischung.
»Meinst du nicht, das ist etwas viel?«, fragte ich, nachdem er sämtliche Kartons und Schachteln auf dem Tisch ausgebreitet hatte.
»Nö, Kerstin muss ja auch was essen, wenn sie nach Hause kommt.«
»Ah, verstehe. Pizza zum Frühstück.« Ich kicherte und rümpfte angewidert die Nase.
»Es ist schön dich Lachen zu sehen«, stellte Andreas fest. »Tust du viel zu wenig. In letzter Zeit ... Du warst bestimmt mal eine sehr glückliche Frau.«
»War ich, ja. Denke ich. Aber das ist lange her«, gab ich zu. Ich merkte, dass es Andreas zunehmend unangenehmer wurde. »Komm, wir essen im Wohnzimmer vor dem Fernseher.«, schlug ich vor. Als wir mit Essen fertig waren, lagen wir ausgestreckt auf der Couch. Beide hatten wir die Füße auf den Wohnzimmertisch gelegt und hielten uns die vollen Bäuche. Andreas trug eine hellgraue Jogginghose und ein schwarzes enganliegendes T-Shirt, welches seine Muskeln gut zur Geltung brachte. Wir sahen uns Rocky an. Bei der Szene, in der Sylvester Stallone nach erfolgreicher Besteigung der Treppenstufen die Arme hochriss und jubelte, prustete Andreas fast seine Cola gegen den Fernseher. »Haha!!! So hast du auch ausgesehen.«
Ich knuffte ihn in die Schulter. »Blödmann«, zischte ich.
»Aua!!!« Er warf mir einem finsteren Blick zu und rieb sich den Arm. »Stimmt doch. Du warst glücklich, als du endlich einen Treffer landen konntest. Und?«, fügte er hinzu, »Hat mein Ablenkungsmanöver funktioniert?«
»Hat es und dafür danke ich dir. Das habe ich wirklich gebraucht.« Er zog fragend die Augenbrauen hoch. »Nicht dich zu schlagen«, lachte ich. »Die Ablenkung.«
»Wenn du willst, können wir das gerne wiederholen oder irgendetwas anderes. Ich richte mich ganz nach dir.« »Musst du dich nicht um dein Studio kümmern? Oder um irgendetwas anderes? Was machst du normalerweise, wenn du hier bist.«
»Ich bin im Studio und gebe einen hervorragenden Chef ab.« Ich grinste. »Du weißt, dass Mark das nicht gesagt hat, oder?«
»Klar. Dafür bin ich ja auch zu wenig da. Daniel kümmert sich um die meisten Geschäfte.«
»Andreas?«
»Hm?«
»Kann ich dich was fragen?«
»Tust du das nicht sowieso?«
»Ach hör´ auf. So neugierig bin ich auch wieder nicht.«
»Ach nein?« Andreas straffte die Schultern. »Ok. Du fragst mich was und dann darf ich dir auch eine Frage stellen.« Ich zögerte. »Gut.«
»Wie kommt es, dass du ein eigenes Fitnessstudio besitzt, obwohl du in Spanien arbeitest?«
»Ich arbeite seit fast 10 Jahren in Spanien. Ich trainiere als Personaltrainer Stars und Sternchen, wie es so schön heißt. Ich kann meine Preise selbst festlegen und da die VIPs ordentlich für eine gute Figur bezahlen, verdiene ich genug Geld. Damit habe ich mir in kürzester Zeit ein eigenes Appartement und Kerstin dieses Haus gekauft. Da ich jedoch in Spanien bis auf ein paar Lebenserhaltungskosten kein Geld ausgeben muss, wollte ich für meine Zukunft vorsorgen. Ich kann ja nicht ewig als Personaltrainer arbeiten. Also habe ich mir vor acht Jahren eine alte Lagerhalle gekauft, ein paar Geräte angeschafft und Daniel eingestellt. Daniel und ich kennen uns noch aus Unizeiten. Und nach einem Jahr mussten wir uns schon erweitern. Und das ist für mich nur ein kleines Zubrot, wenn du so willst. Sämtliche Einnahmen aus dem Fitnessstudio kommen auf ein Sparbuch für ›schlechte Zeiten‹«. Ich hörte ihm gespannt zu. Ich wollte einfach alles wissen. Als ich zur nächsten Frage ansetzen wollte, legte er mir einen Finger auf die Lippen.
»Denk an unseren Deal. Eine Frage du, dann eine Frage ich.«
Ich straffte die Schultern und wappnete mich für die Fragen aller Fragen. »Ok, was willst du denn wissen?«
»Hm ... Mal überlegen.« Meine Beine wippten ungeduldig auf und ab. »Na gut«, sagte er. Andreas drehte sich auf der Couch in meine Richtung und schlang ein Bein unter das andere, um mir in die Augen sehen zu können. »Vermisst du deinen Mann?«
»Was?« Ich starrte in ungläubig an. Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Ich nickte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Ich vermisse meine Familie, meine Kinder.« Mir traten Tränen in die Augen. »Und ja, in gewisser Weise vermisse ich meinen Mann. Vermisse den Mann, in den ich mich vor Jahren verliebt habe, aber ich befürchte, den gibt es nicht mehr. Genauso wenig wie die Frau, die ich damals war. Die ist auch weg.«
Andreas nickte. »Du bist dran.«
»Hast du eine Freundin?«
»Oh Gott, nein.« Ich sah ihn an. »Versteh mich nicht falsch. Ich habe durch meinen Job und das Studio hier, einfach keine Zeit für eine Freundin. Ich wünschte, es wäre anders. Aber dieses Leben habe ich mir so ausgesucht, also muss ich auch mit sämtlichen Konsequenzen leben.«
»Das ist schade«, gab ich zu bedenken.
»Das kannst du doch gar nicht beurteilen. Du kennst mich doch gar nicht.«
»Ich dachte, wir würden dies mit unserem Frage-Antwort-Spiel ändern.« Er lachte. Er wirkte so jung, wenn er lachte. Klar, er war jung - gerade 30 und schon so erfolgreich.
»Jetzt ich. Wie kam es genau zu deiner Narbe?« Diese Frage traf mich wie ein Schlag. Ich hatte zwar damit gerechnet, aber jetzt, nachdem er sie ausgesprochen hatte, fühlte ich mich unwohl. Ich räusperte mich. An die damalige Nacht zu denken, tat mir weh. Ich hatte in dieser Nacht zwei Menschen verletzt und verloren, die mir beide sehr viel bedeutet haben. »Andreas ...«
Er sah mich an. »Du musst nicht drüber reden, wenn du nicht willst. Kerstin hat mir ein bisschen was erzählt, aber ich würde gerne wissen, wie es soweit kommen konnte. Er hat dich doch geliebt, oder nicht?«
»Doch hat er und das war, glaube ich, das Problem.«
Er sah mich fragend an und nahm meine Hand. Behutsam streichelte er mir mit dem Daumen über die Fingerknöchel.
»Er hat mich mehr geliebt, als ich ihn. Ich habe egoistisch gehandelt und meine eigenen Bedürfnisse vor die meiner Familie gestellt. Ich habe nur an mich gedacht. Er wollte mich nicht teilen und daher hat er mich verletzt.« Ich hob mit der freien Hand mein Shirt hoch, gerade soweit, dass man die Narbe sehen konnte. Andreas näherte sich mit seiner Hand. Als ich merkte, dass er mich berühren wollte, hielt ich inne. »Nicht ... Bitte nicht.«
»Schon ok. Ich wollte nicht ...« Andreas ließ meine Hand los und senkte die andere. Er wich zurück.
Eine Frage hatte ich noch. »Gibst es im Studio auch Selbstverteidigungskurse? Ich glaube, das würde mir mehr helfen, als wenn ich wild auf einen Sack einschlage. Wenn ich mich verteidigen könnte. Oder zumindest so tun kann als ob.«
Andreas schüttelte den Kopf. »Nein, die bieten wir nicht an. Aber ich kann mit Daniel reden. Er kann Taekwondo, Krav Maga und Aikido. Vielleicht kann er dir mal einiges zeigen.« Ich nickte. »Lass uns weiter Fernsehen.« Irgendwann war ich so müde. Mir fielen mehrfach die Augen zu und ich schlief ein.