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KAPITEL 4

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Ich wurde wach, als ich merkte, dass sich mein Körper in die Mitte des Bettes zu neigen schien. Ich verspürte, dass die Matratze nach unten gedrückt wurde und als ich die Augen aufschlug, um nachzusehen, lag ich auch schon auf einem jungen Mann. »Hoppla, wo kommst du denn her?« Er sah mich an.

Völlig entsetzt versuchte ich, mich aufzurappeln, was bei der nach unten gedrückten Matratze nicht ganz so einfach war, und ich stolperte mit samt Decke aus dem Bett. Ich war total perplex und konnte keinen Ton von mir geben. Er war sichtlich amüsiert. »Nicht so stürmisch, junge Frau«. Er klang sogar sehr amüsiert. »Ich glaube, ich schlaf´ dann mal im Wohnzimmer auf der Couch. Wir sehen uns dann morgen früh« Ich nickte, sagte jedoch nichts. Ich zog mich stumm in eine Ecke zurück. Die Bettdecke hatte ich mir schützend umgeschlagen und bis zum Kinn hochgezogen.

Als der junge Mann sich erhob, sah ich, dass dieser nur mit einer hellen Pyjamahose bekleidet war. Der Oberkörper war unbekleidet. Als er durch das Zimmer ging, um sich ein T-Shirt anzuziehen, konnte ich mir seinen Körper genauer betrachten. Er war sehr groß; ich schätzte ihn auf mindestens 1,90 m. Sein Oberkörper war sehr muskulös, aber nicht Bodybuilder-Style, sondern an den richtigen Stellen betont. Er war wirklich gut durchtrainiert. Seine Bauchmuskeln waren sehr ausgeprägt, so dass nicht nur ein Sixpack zum Vorschein kam, sondern auch ein Muskeldreieck, welches in seiner Pyjamahose verschwand. Er hatte blonde zerzauste Haare. Als er feststellte, dass ich ihn musterte, wurde er rot. Zumindest dachte ich das, denn schließlich lag das Zimmer im Halbdunkeln und ich konnte nicht wirklich viel erkennen. »Gute Nacht«, sagte er zum Abschied und schloss die Tür hinter sich. Irgendwoher kannte ich ihn. Im Augenblick wusste ich aber nicht, woher.

Als ich am nächsten Morgen nach einer für mich doch recht unruhigen Nacht aufwachte, musste ich mich erst einmal orientieren. Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich war. Und dann fiel es mir ein, der Streit mit Björn, mein Auszug, meine Fahrt zur Werkstatt und dann zu Kerstin und die Begegnung der letzten Nacht. Als ich mich daran erinnerte, lief ich feuerrot an. Im Nachhinein betrachtet war die ganze Sache total peinlich. Für ihn als auch für mich. Ich konnte jedoch nicht die ganze Zeit im Gästezimmer hocken und mich verstecken, also ging ich unter die Dusche, machte mich fertig und zog mir eine Jeans und einen ausgeleierten Pulli an. Als ich fertig war, betrachtete ich mich noch kurz im Spiegel, was ich sofort bereute, denn die Ringe unter meinen Augen waren nach wie vor deutlich zu erkennen. Ich straffte trotzdem die Schultern und ging die Treppe hinunter.

An der untersten Treppenstufe angekommen, hörte ich Stimmen aus der Küche. Kerstin klang aufgebracht. »Ich versteh´ nicht, warum du einfach so vorbeikommst. Du hättest ja wenigstens anrufen können.«

»Ich wollte dich überraschen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich stattdessen überrascht werden würde«, hörte ich den jungen Mann von letzter Nacht sagen. Jetzt fiel mir auch ein, woher ich ihn kannte oder zumindest, wo ich ihn das erste Mal gesehen hatte. Er war der Mann auf dem Foto von Kerstins Schreibtisch.

Kerstin schimpfte weiter. »Ach hör` auf. Sie hat genug durchgemacht. Sie braucht jetzt Ruhe, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen und keinen Mann, der sich auf sie stürzt.«

»Moment mal! Sie ist auf mich gestürzt. Aber muss sie denn im Gästezimmer schlafen?« Der Mann klang beleidigt.

»Dafür sind Gästezimmer nun mal da. Und sie ist mein Gast und sie kann solange bleiben, wie sie will. Dann musst du dir vielleicht was Anderes suchen, wenn du nicht ewig auf der Couch schlafen möchtest«, schnaubte Kerstin.

»Die Couch ist schon in Ordnung, Schwesterchen. Oder ich geh´ ins Büro und nimm das Schlafsofa. Ich bleibe ja nur ein paar Tage. Ich habe jetzt drei Wochen Urlaub und die Zeit wollte ich mit dir verbringen.« Schwesterchen? Ich wusste gar nicht, dass Kerstin einen Bruder hatte. Aber wir haben nie wirklich über ihr Privatleben gesprochen. Es ging eigentlich immer nur um mich.

»Na dann kann ich mich ja richtig glücklich schätzen.« Den Sarkasmus aus Kerstins Stimme war deutlich zu hören.

»Und ob du das kannst«, bestätigte der junge Mann.

Als ich weiter in Richtung Küche ging, roch es bereits herrlich nach Kaffee und frisch gemachten Brötchen. Ich öffnete die Tür. »Guten Morgen«, sagte Kerstin, nachdem sie mich bemerkt hatte. »Hast du gut geschlafen?«

»Nicht besonders«, gab ich zu. »Und das lag nicht nur am Bett. Die Matratze ist sehr weich, aber da gewöhne ich mich schon dran. Und mir ging noch viel durch den Kopf«.

»Ich denke, dass ich dann auch ein Grund für den Schlafmangel bin.« Der junge Mann erhob sich von seinem Hocker und kam auf mich zu. »Hi, ich bin Andreas. Ich bin der kleine Bruder von Kerstin.«

»Ähm ... hallo. Ich bin Franzi«, stotterte ich.

»Kleiner Bruder ist gut«, lachte Kerstin. Andreas und ich schüttelten uns die Hände. Ich errötete. »Möchtest du Kaffee?«, fragte mich Kerstin.

»Ja, bitte.«

»Etwas frühstücken?«

»Ne, lass mal. Ich glaube, ich krieg eh nichts runter.«

»Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages«, sagte Andreas und grinste, als er genüsslich in sein Brötchen biss.

»Das sagt der Fitnesscoach«, spottete Kerstin. »So, Bruderherz. Willst du meinem Gast nicht mal erzählen, warum du die Nacht zu ihr ins Bett gestiegen bist?«

Andreas´ Gesicht glühte förmlich. Ähnlich wie meins, nur ein paar Minuten früher. »Ach ja, entschuldige noch mal dafür. Üblicherweise steige ich nicht einfach so zu Frauen ins Bett. Vor allem nicht, wenn ich die Frauen nicht kenne. Ich wohne und arbeite eigentlich in Spanien und komme nur selten nach Hause. Wenn ich dann hier bin, kann ich bei meiner Schwester im Gästezimmer schlafen. Dann brauche ich hier nicht auch noch eine zweite Wohnung. Normalerweise kündige ich mich auch an, aber ich habe mir gerade spontan Urlaub genommen und da dachte ich mir, ich überrasche sie. Ich konnte ja nicht ahnen, dass das Gästezimmer bereits belegt ist. Und du hast Recht, die Matratze ist wirklich sehr weich. Sonst wärst du ja bestimmt nicht auf mich gerollt.« Er grinste und meine Gesichtsfarbe passte sich seiner an.

Andreas und ich unterhielten uns lange und verstanden uns prächtig. Ich wollte wissen, wie man auf die Idee kommt, Fitnesscoach in Spanien zu werden. Er erklärte mir, dass es gar nicht sein Plan gewesen sei. Er wollte nur raus aus der Stadt und ist dann nach Spanien gegangen. Dort hat er sich ein Fitnessstudio gesucht, um zu trainieren. Er wurde von einem dortigen Coach angesprochen und so nahmen die Dinge seinen Lauf. Warum er allerdings die Stadt verlassen wollte oder musste, erzählte er mir allerdings nicht und ich fragte auch nicht.

Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass wir nicht mitbekamen, dass Kerstin die Küche zwischenzeitlich verlassen hatte. Plötzlich stand sie wieder im Türrahmen. »So ihr zwei, ich geh´ dann jetzt zur Arbeit. Andreas kannst du dich bitte ein bisschen um Franzi kümmern. Sie muss auf andere Gedanken kommen.«

»Andere Gedanken? Das krieg ich hin.« Er grinste.

»Tut nichts, was ich nicht auch tun würde«, zwinkerte sie uns zu und schon war sie aus der Tür.

Andreas sah mich prüfend an. »Was ist?«, fragte ich. »Nichts. Ich überleg´ nur gerade, wie ich dich auf andere Gedanken bringe.« Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht.

»Das ist wirklich lieb, aber du brauchst hier nicht den Babysitter für mich zu spielen.«

»Babysitter? Ich glaub´ aus dem Alter sind wir beide raus, oder meinst du nicht auch?«

Ich lachte. »Ok, was schlägst du vor?«

»Du willst also auf andere Gedanken kommen. Mmh ... Bist du wütend auf irgendjemanden?«

»Sekunde. Deine Schwester möchte, dass ich auf andere Gedanken komme. Außerdem, was ist das denn für eine Frage? Wieso wütend?« Ich dachte an den Streit mit Björn zurück. »Eigentlich schon, irgendwie«.

Andreas sah jetzt entschlossen aus. »Gut, dann zieh´ dir mal was Sportliches an, wir gehen uns ein wenig abreagieren.«

»Ich habe nix Sportliches. Du musst wissen, dass ich in ganz kurzer Zeit meine Tasche gepackt habe. Ich habe mir einfach irgendwas gegriffen. Ich glaub´ noch nicht mal, dass ich überhaupt etwas zum Anziehen habe, womit ich vor die Tür gehen kann. Außer meinen Turnschuhen vielleicht.«

Er kratzte sich mit der Hand über sein Kinn. »Das reicht erstmal, mit dem Rest könnte ich dir vielleicht sogar aushelfen. Kommt mit.« Er stand auf, nahm meine Hand und zog mich die Treppe hoch, hinauf ins Gästezimmer. Er öffnete den Kleiderschrank und fand meine ganzen Sachen vor. Er schmunzelte. Er öffnete die unterste Schublade und murmelte: »Ich habe hier noch Sachen, die mir nicht mehr passen, da müsste irgendwas für dich dabei sein.«

»Ähm ... Meinst du nicht, dass das alles trotzdem etwas zu groß sein könnte?«, bemerkte ich verlegen. Ich selbst bezweifelte das sehr. Der Gedanke, Andreas´ Sachen anzuziehen, behagte mir gar nicht. Ich habe in all den Jahren noch nicht einmal ein T-Shirt von Björn angezogen. Das wollte ich nie. Prompt holte er eine Trainingshose mit Gummizug und ein ärmelloses Shirt bevor. Er hielt mir die Sachen hin.

»Hier, zieh´ das mal an.«

Ich zuckte die Schultern und ging mit den Sachen ins Bad. Als ich mich umgezogen hatte und wieder ins Zimmer kam, stand Andreas im Türrahmen, musterte mich von oben bis unten und lachte laut auf. Ich sah an mir runter. »Na komm´, so schlimm sehe ich auch wieder nicht aus«, schmollte ich.

Er grinste, kam auf mich zu, packte mich an der Hüfte und drehte mich schwungvoll um. Dann ging er ins Bad und kam mit einer Nagelschere zurück. Er sank vor mir auf die Knie und nahm ein Hosenbein in die Hand und schnitt den überstehenden Stoff ab. Das gleiche machte er auch mit dem anderen Hosenbein. Ich protestierte. »Du kannst doch nicht einfach die Hose zerschneiden!«

»Wieso nicht? Ist doch meine Hose und so wie du jetzt aussieht, kann ich dich nicht mitnehmen.«

»Wohin überhaupt?«

»Verrat´ ich dir später.« Er lächelte über das ganze Gesicht. Dann stand er auf und ging einen Schritt zurück, um mich zu begutachten. »Mmh ...« Ein kurzes Grummeln entwisch seiner Kehle. »Da muss noch was ab.« Ich schaute herab auf meine Beine. »Finde ich eigentlich nicht.« Im gleichen Moment merkte ich, wie er nicht an der Hose schnitt, sondern am T-Shirt. Andreas stand hinter mir und schnitt ein kleines Loch in das Oberteil. Dann riss er - anscheinend mühelos - das unterste Stück vom T-Shirt ab. Durch den Ruck drehte ich mich automatisch um 180 Grad und blickte ihm direkt ins Gesicht und ich sah zum ersten Mal in seine blauen Augen, die im Sonnenlicht, das durch das Zimmer fiel, zu leuchten begannen. Ich musste mich an ihm abstützen. Der Schwung brachte mich ein wenig aus dem Gleichgewicht. Meine Hände ruhten auf seiner Brust und ich spürte seine harten Muskeln unter meinen Finger, die ich automatisch leicht auseinanderspreizte. »Ups ..., tut mir leid«, stieß ich hervor.

»Kein Problem.« Sein Lächeln wurde noch ein wenig breiter. Mit seinen Händen löste er langsam meine Finger von seinem Körper, ging einen Schritt zurück, ließ meine Hände jedoch nicht los. »So können wir gehen.« Er drehte mich in Richtung Spiegel und ich sah, dass er die Hose bis kurz unters Knie und das T-Shirt bis kurz oberhalb des Hosenbundes gekürzt hatte. Ich erschrak ein wenig, als ich die Arme leicht hob. Man konnte meine Narbe sehen. Die Narbe, die mich an mehrere Fehler aus meiner Vergangenheit erinnerte. Beschämend sah ich zu Boden. »Das Shirt ist viel zu kurz«, flüsterte ich.

»Quatsch, du kannst das tragen. Glaub mir, in Spanien laufen sie alle so rum.«

»Erstens, sind wir nicht in Spanien und zweitens, kann ich mich dann nicht frei bewegen, weil ...« Ich stockte. Ich wollte Andreas noch nicht so viel von mir preisgeben.

»Weil man sonst etwas sieht, dass man nicht sehen soll«, beendete er meinen Satz. Entsetzt sah ich ihn an. »Woher weißt du das?«

»Kerstin und ich telefonieren regelmäßig und sie erzählt mir von ihrer Arbeit. Allerdings verrät sie mir keine Details wie Namen oder so. Aber sie hat mir von deiner Geschichte erzählt. Und heute Morgen beim Frühstück hat sie mir erzählt, dass du dich von deinem Mann getrennt hast und warum und dass sie dir helfen will, weil sie dich mag und da musste ich nur noch eins und eins zusammenzählen.« Ich musste verwirrt geschaut haben, denn Andreas erzählte weiter. »Sie hat mir auch von deiner ersten Begegnung mit ihr erzählt.«

»Verstehe.«

»Also gehen wir jetzt oder schlagen wir weiter Trübsal?«

»Wir gehen.« Entschlossen ergriff ich Andreas´ Hand, die er mir hinhielt und gemeinsam gingen wir die Stufen der Treppe hinunter. Bevor wir das Haus verließen, griff er in meine Manteltasche und zog meinen Autoschlüssel hervor.

»Wir nehmen deinen Wagen, aber ich fahre.«

»Ach ja? Und das bestimmst du einfach so?«

»Na ja, entweder wir nehmen deinen Wagen oder mein Motorrad. Und da ich meinen Fahrstil kenne ...« Er grinste schelmisch.

»Du erwähnst deinen Fahrstil und willst meinen Wagen haben?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht sollten wir doch lieber Trübsal blasen«, neckte ich ihn.

Er zog mich zu meinem Wagen, öffnete es mit der Fernbedienung und hielt mir die Beifahrertür auf. »Ich habe wegen dir meine Klamotten zerschnitten. Es gibt jetzt kein Zurück mehr.« Ich stieg ein und er schloss die Tür. Er umrundete meinen Wagen und auch er stieg ein. »Schnall dich bitte an«, befahl er. Als ich angeschnallt war, fuhr er los.

Franziskas Entscheidung

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