Читать книгу Stumme Zeugen - Katrin Fölck - Страница 2

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Viel Zeit, munter zu werden, bleibt mir nicht. Es ist Sonntag, zwei Uhr in der Nacht, als mich die sonore Stimme meines Chefs Jim Mitchells weckt.

„Wir haben hier eine Tote in Oakton, Marbury Road/ Weber Place.“, erklärt er mir ohne Umschweife seinen Anruf. „Soll ich jemanden von den Jungs bei dir vorbeischicken?“

„Das find ich schon.“, antworte ich mit einem unangenehmen Kratzen in der Stimme und räuspere mich.

Er warnt mich vor: „…nur, damit du dich schon darauf einstellen kannst: Es ist alles genau so wie bei der Letzten vor drei Wochen.“

„Scheiße!“, höre ich mich sagen und so fühle ich mich auch.

Wieder einmal habe ich nicht schlafen können und mit Whiskey nachgeholfen. Letztlich hatte fast die halbe Flasche dran glauben müssen. Das rächte sich jetzt. Doch das musste mein Gegenüber ja nicht gleich hören. Daher sage ich schnell: „Bin auf dem Weg.“

„Alles klar.“, erwidert Jim und legt auf.

Ich versuche erst einmal klar zu werden und die Gespenster der Nacht zu vertreiben und lasse mir minutenlang kaltes Wasser über Gesicht und Arme laufen. Dennoch, die verräterischen Spuren meines Absturzes lassen sich dadurch nicht beseitigen, wie mir der Spiegel anzeigt. Wäre es Tag, könnte ich versuchen, diese mit einer Sonnenbrille zu verbergen. Aber jetzt, in der Nacht? Dennoch, wenn ich Glück hätte, wäre vielleicht gerade sie meine Verbündete und meine blutunterlaufenen roten Augen und die dunklen Ringe darunter gingen in der Dunkelheit unter. Außerdem würde das, was dort geschehen war, die Aufmerksamkeit der Leute nicht ohnehin auf sich lenken? Ich verschwende keinen weiteren Gedanken mehr an mein Äußeres, schnappe mir meine Jacke und die Autoschlüssel und fahre los. Ich fahre auf den Lee Highway. Hier werde ich von einem Streifenwagen überholt, der in die Jermantown Road einbiegt. Da ich vermute, dass er das gleiche Ziel hat wie ich, tue ich es ihm nach und hänge mich an ihn dran. Weiter geht es auf die Hunter Mill Road, schließlich links in die Marbury Road. Und tatsächlich, er führt mich geradewegs ans Ziel, was die aufgeregt flackernden Lichter der unzähligen Polizeiwagen, die bereits vor Ort sind, beweisen.

„Hey, Al,“ grüßt mich einer unserer Männer im Vorbeigehen und weist mir die Richtung: „Sie liegt da hinten, auf dem Platz.“

Das weiträumig gezogene Absperrband und jede Menge Polizisten sollen die Schaulustigen und Neugierigen der Umgebung, die sich trotz nachtschlafener Zeit eingefunden haben, davon abhalten, dem Tatort zu nahe zu kommen. Auch ich werde gestoppt.

„Clifton Parker. Detektiv.“, weise ich mich gegenüber einem der Officer aus und werde durchgelassen.

Ich gehe an einem der Rettungswagen vorbei und sehe Riley Leech, den Jüngsten unserer Einheit, der sich gerade übergibt. Neben ihm steht Robert Manson. Im Wagen sitzt ein Mann, der medizinisch betreut wird. Ich wende mich ab und gehe weiter. Dann entdecke ich Jim inmitten eines Pulks an Polizisten. Leute der Spurensicherung und der Forensik machen ihre Arbeit. Ab und an leuchtet ein Blitz auf, wenn die Kamera des Fotografen auslöst.

Jim entdeckt mich und winkt mir zu: „Clifton, wie hast du das denn gemacht, so schnell hier zu sein?“

Ich weiß, dass er keine Antwort auf seine Frage erwartet. Dennoch, es waren mindestens zwanzig Minuten vergangen, seit seinem Anruf bei mir. Dass ich gleich in meinen Sachen auf der Couch gepennt habe, weiß er zum Glück nicht und sieht es wegen der Jacke, die ich trage, auch nicht. Ich hoffe nur, dass er nichts von meiner Fahne mitbekommt. Zum Glück habe ich noch eine Packung Pfefferminz in der Jacke, von denen ich eines zerkaue und den Rest der Packung wieder in meiner Jackentasche verschwinden lasse. Für später.

„Jim.“ Ich reiche ihm die Hand. Mein Blick fällt auf die Tote. Ich brauche nicht lange, mir ein Urteil zu bilden. Er hatte Recht. Alles ist genauso wie beim letzten Mal.

Stumme Zeugen

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