Читать книгу Stumme Zeugen - Katrin Fölck - Страница 4
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Als ich zurück zu meiner Wohnung fahre, ist es längst hell. Mein Magen grummelt. In Anbetracht dessen und mit dem Wissen darüber, dass mein Kühlschrank nichts Essbares mehr hergibt, beschließe ich, mir als erstes mit einem ausgiebigen Frühstück etwas Gutes zu tun. Ich habe die Wahl zwischen „Burger King“ und „Mc Donalds“. Mein Lieblingsfrühstückslokal „First Watch“ öffnet erst um sieben Uhr.
Während des Essens versuche ich nicht an den Fall zu denken. Doch kaum zurück im Auto kreisen meine Gedanken längst wieder um die beiden außergewöhnlichen Morde. Bis jetzt waren wir davon ausgegangen, dass der Mordfall an Haley Carson vor drei Wochen eine Beziehungstat war. Dies war einzig und allein dem Fakt geschuldet, welchen uns die Statistik immer wieder aufzeigte: Fünfzig Prozent der Täter waren im engsten Umfeld der Opfer zu finden. Meist waren es deren Ehemänner, Freunde oder Geliebte.
Zuhause angekommen, schlage ich meine Aufzeichnung, die ich zum Mordfall Carson angefertigt habe, noch einmal auf und überfliege meine Niederschrift. Vielleicht hatten wir ja irgendetwas übersehen…
Als wir Haley Carson fanden, waren wir davon ausgegangen, dass ihre Verletzungen im Bauchraum von einem Wildtier stammten, die ihr sozusagen post mortem zugefügt wurden. Die Untersuchungen der Gerichtsmedizin ergaben jedoch, dass Haley zum Todeszeitpunkt schwanger war und ihr der Embryo herausgeschnitten wurde.
Bei der späteren Befragung ihres Ehemannes erfuhren wir dann, dass sie bereits im siebenten Monat, er jedoch nicht der Erzeuger des Kindes war. William Carson hatte sich nach der zweiten Scheidung sterilisieren lassen, da er bereits drei Kinder aus seinen vorherigen Ehen hatte und keine weiteren Kinder mehr wollte. Damit war nicht nur uns klar, dass Haley Carson ein außereheliches Verhältnis zu einem anderen Mann geführt haben musste. Ihr Ehemann hatte uns gegenüber geäußert, dass er seiner Frau zwar ihre Untreue, nicht jedoch die Zeugung eines Kindes mit einem Anderen verzeihen könne. Um ihre Ehe zu retten, kam für ihn nur eine Abtreibung infrage, was seine Frau rigoros abgelehnt hatte. Dadurch hatte Haley nicht nur ihre Ehe, sondern vor allem sein Leben zerstört. Er hatte ein Motiv, seine Frau zu töten und das unliebsame Ungeborene gleich mit. Das stand außer Frage. Wäre da nicht ihr Geliebter: Luke Palmer.
Bei seiner Vernehmung äußerte er, dass er, als er mit der Schwangerschaft konfrontiert wurde, die Liaison mit Haley sofort beendet habe. Auch er wollte, dass sie abtreibt. Er bot ihr Geld für ihr Schweigen. Haley jedoch wollte das Kind. Sie lauerte ihm in der Folge mehrfach auf, um ihn umzustimmen. Sie hoffte nach wie vor auf eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Er jedoch hatte nie vor, sich von seiner Frau zu trennen. Aus Angst, seine Ehefrau würde von seinem Verhältnis und dem dabei entstandenen Kind erfahren, hatte auch er einen Grund, seine ehemalige Geliebte für immer zum Schweigen zu bringen…
Beide Männer hatten ein Motiv. Beide konnten die Tat begangen haben. Wir glaubten zu diesem Zeitpunkt wirklich noch, es wäre nur eine Frage der Zeit, dass einer der Männer den Mord an Haley gestehen würde…
Doch das hatte sich heute schlagartig mit dem Auffinden des neuen Opfers mit den gleichen Merkmalen zerschlagen und machte unsere ganze Arbeit der letzten Wochen zunichte. Was hieß, alles wieder auf Anfang.
Ich schließe die Aktensammlung und lasse sie in hohem Bogen auf den Couchtisch fallen. Ins Präsidium zu fahren, würde keinen Sinn machen. Hätte man inzwischen etwas über die Tote in Erfahrung gebracht, hätte man mich längst informiert. Also beherzige ich Jims Rat und nutze die mir noch verbleibende Zeit, um mich mal wieder auszupowern. Zum Glück befindet sich das Fitnessstudio gleich bei mir um die Ecke. Das würde mir helfen, den Kopf freizubekommen.