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b) Das Idealbild eines benediktinischen Klosters: Der Klosterplan von Sankt Gallen

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Kloster nach normativen Vorgaben

Die praktische Umsetzung all dieser auf die Fürsorge bezogenen Vorschriften verlangte mehr als nur religiöse Überzeugung und guten Willen. Neben baulichen Voraussetzungen, die eine Aufnahme von Gästen unterschiedlicher Art und eine separate Betreuung erkrankter Mitbrüder ermöglichten, bedurfte es pflegerisch erfahrener und arzneimittelkundiger Mitglieder der Gemeinschaft. Wie diesen Forderungen in den ersten benediktinischen Klöstern im Alltag nachgekommen werden konnte, lässt sich in Ermangelung entsprechender Zeugnisse nicht beantworten. Erst im Zusammenhang mit der Unterstützung Karls des Großen für die Reformbestrebungen des Benedikt von Aniane (um 750 – 821), die eine weitere Verweltlichung des Benediktinerordens abzuwenden versuchten, wird sichtbar, wie sich die benediktinischen Klöster in ihrer baulichen Anlage nach den normativen Vorgaben ausrichteten. Den Idealplan eines benediktinischen Klosters zeigt der um das Jahr 820 im Kloster der Bodenseeinsel Reichenau entstandene so genannte Klosterplan von Sankt Gallen. Am augenfälligsten erscheint zunächst die große Klosterkirche, die im Westen von zwei runden Türmen flankiert wird. Im Westen befand sich der Vorratskeller, im Südwesten die Küche. Im direkten Anschluss an den Ort der Speisenzubereitung lag das so genannte Refektorium, der Speisesaal. Vor dem Betreten des Refektoriums reinigten die Brüder ihre Hände im nahen Brunnenhaus. Östlich des Kreuzgangs fand sich das Dormitorium, der Schlafsaal der Brüder. An dessen südöstlicher Ecke war ein gemeinschaftlicher Abort eingerichtet, der über eine natürliche Wasserspülung verfügte. Der Schlafsaal lag im Obergeschoss des Gebäudes. Durch diese Aufteilung sollte vermieden werden, dass sich in dem Raum zu viel Feuchtigkeit aus dem Boden verbreitete, die der Gesundheit abträglich war. Zugleich wurde die Möglichkeit der Luftzufuhr im Dormitorium verbessert. Im Untergeschoss des Schlafsaales befanden sich häufig eine Sakristei und ein so genannter Kapitel-Saal, in dem bei den Zusammenkünften der Gemeinschaft zu festgelegten Zeiten die Regel zur Einprägsamkeit wieder und wieder verlesen wurde. All diese Räumlichkeiten bildeten den Kern der Klosteranlage, die Klausur, deren Betreten den Mitgliedern der Mönchsgemeinschaft vorbehalten war.

Um diesen Kernbereich herum gruppierten sich eine Anzahl weiterer Gebäude. Neben den Wirtschaftshäusern waren dies vor allem Hospitalanlagen im Osten und Westen. Der Sankt Gallener Plan erlaubt dabei eine Unterscheidung dreier in ihrem Zuschnitt unterschiedlicher Einrichtungen. Im Südwesten befand sich das so genannte Hospitale Pauperum, in dem Arme, Pilger und sonstige Bedürftige versorgt wurden. Im Nordwesten lag das den wohlhabenderen Gästen vorbehaltene Hospitium. Hier bezogen die zu Pferde Angekommenen Quartier. Der Besitz eines Reittiers setzt diese Gruppe der Gäste deutlich von den Mittellosen ab. Schließlich findet sich das entsprechend des 36. Kapitels der Benediktsregel den kranken Mitbrüdern vorbehaltene so genannte Infirmarium im Osten des Klausurbereichs. An das Infirmarium angeschlossen waren häufig eine eigens für die Kranken bestimmte Küche mit einem Speisesaal, eine eigene Kapelle sowie Bade- und Aderlasseinrichtungen. Daneben fanden sich eine Unterkunft für den Arzt und eine Apotheke. Die Lagebezeichnungen änderten sich entsprechend in die entgegengesetzte Richtung, wenn der Kreuzgang anders als im Sankt Gallener Klosterplan im Norden der Kirche angelegt war. In diesem Fall läge das Hospitale Pauperum also im Nordwesten. Mehr als die Hälfte aller mittelalterlichen europäischen Klöster folgte diesem durch die Benediktsregel vorgegebenen Anlageschema. Als Idealplan eines Klosters geht die Sankt Gallener Grundrisszeichnung jedoch über die grobe Anlagedarstellung hinaus. Sie zeigt im Detail Zimmer für reisende Mönche am nördlichen Seitenschiff und Unterkünfte für kranke Novizen im östlich gelegenen Noviziat. Ferner existierten bisweilen Unterbringungsmöglichkeiten für Schwerkranke in der Nähe des klösterlichen Kräutergartens im Nordosten, die auf dem Plan nicht dargestellt werden. Mitunter gab es auch ein eigenes Haus zur Versorgung kranker Laienbrüder im Westen einer benediktinischen Klosteranlage. In einiger Entfernung von den gemeinschaftlichen Einrichtungen befand sich ein Gebäude zur Beherbergung Leprakranker.

Krankheit und Heilkunde im Mittelalter

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