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h) Das Ende der Klostermedizin

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Die Konzilsbeschlüsse des 12. und 13. Jahrhunderts setzten dem langen Zeitalter der Klostermedizin ein Ende. Zunächst untersagte 1130 die Synode von Clermont Klerikern das Studium der Medizin. Bekräftigt wurden die Beschränkungen klerikaler Ausübung der Heilkunst noch einmal rund dreißig Jahre später auf dem Konzil von Tours. Die Beschlüsse des vierten Lateranums im Jahre 1215 schließlich bereiteten der Klostermedizin endgültig ihr normatives Ende. Kleriker sollten sich nicht länger der Chirurgie widmen. Die Kirche, so lautete der Tenor der Konzilen, schrickt vor dem Blut zurück. Die Folge dieser Bestimmungen war nicht nur eine allmähliche Verlagerung der heilkundlichen Tätigkeit von den Mönchsärzten in weltliche Hände, sondern eine vorher unbekannte scharfe Trennung zwischen der Chirurgie und der theoretischen, inneren Medizin. Damit waren zugleich zwei ärztliche Professionen entstanden. Die erste, die Chirurgie, entwickelte sich in der Folge zunehmend zu einem Handwerksberuf und verschwand zeitweilig aus dem Lehrplan der Universitäten. Die zweite, gewissermaßen die theoretische Medizin, verblieb an der Universität und wurde künftig durch den akademisch gebildeten Arzt, den physicus, repräsentiert.

Gründe der konziliären Einschränkungen

Für diesen Wandel in der Haltung der höchsten Geistlichkeit gegenüber der Ausübung der Medizin durch Kleriker mögen zwei Gründe verantwortlich gewesen sein: Zum einen befürchtete man, die Geistlichen könnten ihre eigenen Pflichten über das Studium und vor allem die zeitaufwändige Ausübung der Medizin vernachlässigen. In diesem Sinne rückten die geistigen Strömungen des 12. Jahrhunderts die Pflege der Seele deutlich gegenüber der Pflege des Körpers in den Vordergrund. Einer der herausragendsten Exponenten des Mönchtums zur Mitte des 12. Jahrhunderts, der Begründer des Zisterzienserordens Bernhard von Clairvaux, war der Klostermedizin gegenüber alles andere als wohl wollend eingestellt. Er akzeptierte sie in ihrer bestehenden Form bestenfalls als ein zu duldendes Übel. Der zweite Grund, der zugleich mit der Abtrennung der Chirurgie aus dem Kreis medizinischer Betätigung zusammenhängt, basiert auf religiös-ethischen Vorstellungen. So ließ es sich kaum miteinander vereinbaren, dass ein Geistlicher möglicherweise sogar im Abstand nur weniger Stunden sowohl mit Blut in Berührung kam als auch den reinen Leib Christi in Form der Hostie zur Messfeier in Händen hielt. Erschwerend kam hinzu, dass für die wenigen anatomischen Sektionen in aller Regel auf die Leichen von Verbrechern zurückgegriffen werden musste. Und auch, wenn der Arzt den Toten gar nicht selbst berührte, sondern durch einen so genannten Prosektor öffnen ließ, haftete dem Vorgang etwas Verunreinigendes an. Immerhin wurde die Integrität eines Körpers zur Befriedigung wissenschaftlicher Neugier mit unwiderruflichen Konsequenzen für den Zustand bei der Wiederauferstehung zerstört. Deshalb hatte schon Augustinus im 5. Jahrhundert den Nutzen anatomischer Sektionen in Zweifel gezogen.

Verbunden mit dem für Kleriker erlassenen Verbot zur Ausübung der Chirurgie hat sich das noch heute weit verbreitete Missverständnis entwickelt, die Kirche habe anatomische Sektionen während des Mittelalters generell untersagt. Wenngleich die Geistlichkeit aus den oben genannten Gründen auch eine kritische Haltung zu dererlei Eingriffen bezog, hat ein allgemeines Verbot derselben jedoch nie existiert.

Krankheit und Heilkunde im Mittelalter

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