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2. Alarmstufe rot Kent

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Noch nie hatte Ebola eine dicht besiedelte Region getroffen. Das änderte sich, als das Ebola-Virus nach Guinea kam.

Abgesehen davon, dass Guinea im Süden an Liberia grenzt, umschließt es im Nordosten und Nordwesten wie ein Schirm Sierra Leone. Die ersten Ebola-Fälle waren im Südosten von Guinea aufgetreten. Dann erhielten wir Nachricht von bestätigten Fällen in der Hauptstadt Conakry an der Westküste des Landes und von Verdachtsfällen im Norden. In kurzer Zeit hatte das Virus einen riesigen geografischen Sprung vom Südosten Guineas zur Westküste gemacht und möglicherweise in die nördlichen Regionen des Landes.

Bis dahin waren alle Ebola-Ausbrüche in ländlichen Dörfern erfolgt. In Conakry mit seinen mehr als 1,6 Millionen Menschen war das Virus zum ersten Mal in einer dicht besiedelten Stadt aufgetreten.

In dieser Zeit erschien der Erreger auch zum ersten Mal in Liberia, in der nördlich gelegenen Stadt Foya, die dicht an der Grenze sowohl zu Guinea als auch zu Sierra Leone liegt.

Eine Patientin mit dem Virus verließ Foya und kam mit dem Taxi nach Monrovia. Die Schwester dieser Frau hatte sich in Guinea mit der Krankheit infiziert, und sie hatte ihre Schwester nach Liberia gebracht, damit sie dort behandelt würde. Die Schwester starb an der Grenze, aber die Frau reiste mit dem Taxi und vier anderen Passagieren weiter nach Monrovia. Ihr Mann lebte in Firestone, einem Distrikt in der Nähe des Flughafens Roberts International Airport, der von ELWA aus etwa vierzig Minuten Autofahrt in südwestlicher Richtung liegt. Als es der Frau schlechter ging, fuhr sie mit einem Motorradtaxi zum Krankenhaus in Firestone.

Die Frau wurde schließlich unter Quarantäne gesetzt und starb später, wie auch ihr kleines Kind und – wie ich glaube – ihr Mann. Als wir in einer Besprechung erfuhren, dass sie Ebola hatte und es möglicherweise achtzig Personen gab, mit denen sie in Berührung gekommen war, wusste ich, dass die Krankheit heftig ausbrechen würde.

Wir beschlossen, die Ehepartner und Kinder der Missionsärzte zu evakuieren, sobald die Situation sich verschlechterte, weil sie zu nahen Kontakt hatten.

Als ich die Sitzung verließ, dachte ich an Marion, unsere Haushälterin. Sie ging jeden Tag in unserem Haus ein und aus. Und ich musste an diese achtzig Personen im Umkreis von Monrovia denken, die dem Virus ausgesetzt gewesen waren. In welchem Teil der Stadt ist Marion gewesen? Mit wem ist sie in Berührung gekommen? Besteht die Gefahr, dass sie sich infiziert? Hat sie sich vielleicht bereits mit dem Virus infiziert?

Am 31. März gaben wir dem Vertreter von Samaritan’s Purse die Namen, Geburtsdaten, Ausweisnummern und Reiseziele unserer Angehörigen, nur für den Fall, dass sie eilig außer Landes gebracht werden mussten.

Am selben Tag berichtete der letzte Patient, den ich untersuchte, er habe seit zwei Tagen Fieber, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Schüttelfrost – klassische Symptome für Malaria. Ich schickte ihn ins Labor, um einen Malaria-Test machen zu lassen, und teilte ihm mit, ich würde seine Karte in die Notaufnahme bringen und er solle vom Labor aus dorthin gehen, weil die Praxis gleich schließen würde. In der Notaufnahme würden sie seine Untersuchungsergebnisse ansehen und ihm die Medikamente geben, die er brauchte. Dann ging ich zu einer Besprechung über Ebola, die für sechs Uhr angesetzt war.

Während der Sitzung, in der wir die aktuellen Informationen erhielten, wanderten meine Gedanken immer wieder zu meinem letzten Patienten zurück. Ich habe ihn nicht gefragt, was er beruflich macht, wurde mir bewusst. Was ist, wenn er der Motorradtaxifahrer ist?

Ich verließ die Besprechung und ging zur Notaufnahme. Dort fragte ich den diensthabenden Arzt: „Habt ihr den Typen aus der Praxis gesehen, den ich zum Labor geschickt habe?“

„Nein“, antwortete er. „Den haben wir nicht gesehen.“

Auf dem Schreibtisch lag ein Stapel Krankenakten, und ich blätterte darin, bis ich die meines Patienten gefunden hatte. Sie enthielt weder Laborergebnisse noch Notizen des Arztes in der Notaufnahme. Noch einmal fragte ich, ob der Mann dagewesen sei.

„Nein. Sie haben die Akte hergebracht, aber er ist nicht hier eingetroffen.“

Ich ging ins Labor und fragte, wer dem Patienten das Blut abgenommen hatte. Niemand schien es zu wissen. Wir durchsuchten zwei Kästen mit kleinen Zetteln, auf denen alle Untersuchungsergebnisse des Tages standen. Keiner von ihnen trug den Namen des Mannes.

Ich ging wieder zu der Krankenakte zurück und wählte dann die Telefonnummer, die der Mann uns genannt hatte. Eine Verbindung konnte nicht hergestellt werden, so als gäbe es keinen Anschluss unter dieser Nummer.

Was ist, wenn ich gerade den ersten Ebola-Fall im ELWA verpasst habe? Ich habe ihn einfach untersucht. Ich habe keine Handschuhe getragen, und er war ganz verschwitzt.

Eigentlich mache ich mich nicht so schnell verrückt, aber in diesem Augenblick witterte ich überall Gefahr. Ich rief John Fankhauser an und erklärte ihm die Situation. Wir gingen jedes positive und negative Szenario durch, das uns einfiel. Wahrscheinlich hatte der Mann Malaria. Aber sicher wissen konnten wir das nicht. Wer war der Mann? Könnte er einer von den besagten achtzig Personen gewesen sein?

Ich überlegte, an diesem Abend nicht nach Hause zu gehen, nur für den Fall, dass ich mit dem Virus in Berührung gekommen war. John versicherte mir, es sei in Ordnung, bei meiner Familie zu sein, denn die Inkubationszeit beträgt bei Ebola zwei bis einundzwanzig Tage. Ich würde nicht am selben Tag erkranken, und wenn ich keine Symptome hatte, wäre ich auch nicht ansteckend.

Berufen, den Menschen zu dienen

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