Читать книгу Die Chiòcciola-Trilogie - Kiara Borini - Страница 12
Picknick & Mehr
Оглавление„Sind Eier jetzt etwa vegetarisch? Wohl eher nicht.”
Dennis konnte mitunter sehr direkt sein. Wenigstens hielt er sich mit Kommentaren über das geplante Picknick mit Rìccio zurück. Wahrscheinlich ahnte er, wie angespannt ich war. Picknick. So etwas macht man mit Kindern, oder, wenn man verliebt ist. War ich verliebt? Sicher nicht! In ein Alien? Ganz entschieden: ‘nein’!
Schnell strich ich die tiefe Furche, die sein Zeigefinger beim Probieren im Eiersalat zurückgelassen hatte, wieder glatt.
„Ist aber saulecker, dein Salat.”
Eiersalat gehörte für mich einfach zum Picknick dazu. Zumindest in der Theorie. Denn obwohl Pa auf einer seiner Reisen nach England diesen wunderschönen geflochtenen Picknick-Koffer mitgebracht hatte, so konnte ich mich nicht erinnern, dass wir ihn jemals auch aktiv eingesetzt hatten. Zumindest, wenn man von den Veranstaltungen absah, bei denen meine beiden Lieblingspuppen und der Teddy im Kinderzimmer auf der ausgebreiteten Decke saßen und imaginäre Speisen von dem schönen, wie Porzellan aussehenden, beigen Geschirr aßen.
Heute also sollte es endlich mal ein richtiges Picknick werden. Ich hatte jede Aufregung darüber bisher mit einer unbändigen Aktivität im Zaum gehalten. Ma war gleich nach dem Frühstück aufgebrochen und hatte mich mit hinunter ins kleine Einkaufszentrum in der Kleinstadt genommen, zu der unser Dorf verwaltungstechnisch gehörte. Dort hatte ich alles eingepackt was mir an heimischen Früchten und Delikatessen für ein Picknick tauglich erschien. So beladen musste ich wenigstens nur noch den Weg zurück laufen.
Inzwischen türmten sich neben der Dose mit dem Eiersalat, eine weitere mit Kartoffelsalat mit Apfelstückchen und Spreewälder Gurken, ein Obstsalat mit Melonenstücken, Erdbeeren, Äpfeln und Weintrauben, und ein Nudelsalat mit Ananasstücken und Pinienkernen vor mir auf. Das Glas mit der vegetarischen Mayonnaise war damit auch leer.
Ich hatte noch eine Packung mit Haferkeksen im Keller gefunden und ein großes Glas mit Fruchtjoghurt. Zusammen mit einer Flasche Traubensaft und einer Flasche Mineralwasser verstaute ich alles in meinem Rucksack und war fast fertig.
Jetzt fing die Aufregung an, von mir Besitz zu ergreifen. Nachdem ich die letzte Schüssel und das letzte Messer in der Spülmaschine verstaut hatte, fiel mir ein, dass ich mich ja gar nicht zurechtgemacht hatte. Ich sah aus wie ein Haumütterchen mit meiner Schürze. Rasch band ich sie ab, hängte sie mehr schlecht als recht auf den Haken und spurtete nach oben Richtung Bad.
Wie schminkt man sich für ein Picknick? Ich wollte ja auch nicht zu aufgebrezelt wirken. Irgendwie sommerlich frisch. Mein Spiegelbild wirkte gar nicht so. Und dann war da noch dieser fiese Pickel. Also etwas Concealer, Puder, ein helles unauffälliges Rouge und den Lippenstift in ‘Nude’ oder nur Lip-Gloss? Ich entschied mich für lediglich verführerischen Glanz. War das überzeugend? Und wollte ich Rìccio überzeugen? Und wenn ja, wozu überhaupt? Meine Knie wurden zittrig. War das jetzt wirklich Annika aus dem 21. Jahrhundert, die da so erbärmlich vor dem Spiegel stand? ‘Reiß dich zusammen, Annika!’ - Auf meine innere Stimme ist meistens Verlass.
Dann tobte ich die Treppe runter, gerade rechtzeitig, um die Gedankenklingel wahrzunehmen.
#
Rìccio stand vor der Tür und hatte einen unscheinbaren kleinen Stoffbeutel in der Hand. Sicherlich die Tuben, dachte ich mir.
‘Ich hoffe, ich bin nicht zu spät?’
„Nein, gerade richtig”, antwortete ich schnell.
Dennis kam gerade die Treppe herunter und sah uns beide mit gesteigertem Interesse an.
„Dein Bruder findet, dass du gut aussiehst”, sprach Rìccio Dennis’ Gedanken aus.
Ich blickte beide abwechseln an.
‘Oh, das war jetzt keine Sache, die ihr laut aussprecht, oder? Tut mir leid.’
Schnell schnappte ich mir meinen Rucksack und nahm den Picknick-Koffer in die Hand.
„Lass uns gehen, ehe noch mehr nichtöffentliche Gedanken ausgesprochen werden.”
So richtig wusste ich eigentlich gar nicht, wohin wir gehen sollten. Ich hatte zwar eine vage Idee. Da war eine Lichtung in den Alpen. Wir hatten den Ort mal auf einer Radtour entdeckt und er war mir spontan sympathisch gewesen. Nur wie weit er wirklich war und ob man ihn zu Fuß wirklich gut erreichen konnte, wusste ich nicht wirklich.
Und der Name „Alpen” sollte nicht zu große Erwartungen wecken. Brandenburg ist nicht nur öde, sondern auch überwiegend flach. Wenn sich da mal ein Hügelchen erhebt, dann wird es gleich vollmundig zu den „Alpen” erhoben. Immerhin musste man beim Fahrradfahren ein paar Gänge zurückschalten. Immerhin!
Wir gingen also Richtung Havel und dann am Strandbad vorbei. Der Weg führte zunächst parallel zur Havel, dann bog er ins Landesinnere hinein, um Wohnwagen Platz zu machen, deren Stellplatz direkt an der Havel war.
Der Weg wurde erst wieder interessanter, als er durch ein kleines Wäldchen führte. Rìccio lauschte den offensichtlich ungewohnten Geräuschen sehr interessiert.
Wir kamen zu einer kleinen Lichtung mit einem tiefer gelegenen See, der von einem kleinen Seitenarm der Havel gespeist wurde, welcher in einem kleinen Wasserfall in den See plätscherte. Nicht wirklich spektakulär, aber doch ganz nett. Rìccio schien es jedenfalls zu gefallen.
Noch aber waren wir nicht am Ziel. Aber wenn mich meine Orientierung nicht völlig im Stich ließ, waren wir zumindest nicht in die falsche Richtung gegangen. Der Weg führte weiter aufwärts, was bei einem Ziel das in den „Alpen” liegt, sicher nicht das Falscheste sein konnte. Allerdings wurde mein Rucksack mit der Zeit immer schwerer. Rìccio nahm mir schweigend den Picknick-Koffer aus der Hand und wir marschierten stumm nebeneinander weiter. Anders als neulich, als ich mit Chiòcciola auf dem Weg zum Strandbad war, war ich heute mit meinen Gedanken allein. Es gab kein gemeinsames Gedankengeflecht und ich wusste auf einmal gar nicht, ob es mir lieber war, meine Gedanken für mich zu behalten oder ob ich diese Erfahrung, wie sie mit Chiòcciola gewesen war, vermisste. Also trotteten wir schweigend weiter über Äste und Wurzeln. Manchmal konnten wir zwischen den Bäumen die Havel sehen.
Irgendwann hatten wir den Kamm erreicht und der Wald um uns lichtete sich. Wir betraten die Lichtung, die mit einer Wiese bewachsen war. Als wir aus dem Wald heraustraten, sahen wir, dass die Wiese leicht abfiel und den Blick auf die etwa 50 bis 100 Meter unter uns fließende Havel freigab.
‘Hier ist es sehr schön!’
Also breitete ich die mitgebrachte Decke aus und setzte mich. Rìccio setzte sich neben mich und blickte auf die Havel. In der Tat, der Blick war so beeindruckend, wie ich ihn in Erinnerung gehabt hatte.
‘Der Weg hat sich gelohnt.’
Es klappte also doch mit dem Gedankenübertragen. Warum war dann der Weg hier hoch so stumm verlaufen? Hatte ich etwas falsch gemacht?
Ich öffnete den Koffer und holte für jeden von uns Teller, Glas und Besteck hervor, das ich auf die Decke vor uns legte. Dann griff ich in meinen Rucksack und zauberte die Dosen hervor. Die Salate hatten den Aufstieg gut überstanden. Aus Saft und Mineralwasser füllte ich die Gläser mit einer Traubensaftschorle, die entfernt nach Rotwein aussah. Es war ähnlich festlich geworden, wie ich es mir gewünscht hatte.
„Darf ich dir etwas von den Salaten auftun? Ich habe Obstsalat und Kartoffelsalat, die sind vegetarisch. Der Eiersalat nur bedingt, je nach Definition. Dafür sind der Nudelsalat und die Kekse wieder vegetarisch. Dann habe ich in meinem Rucksack noch ein ‘MilkyWay’, zum Zeichen unserer galaktischen Verbundenheit.”
‘Ich probiere sie alle. Der Reihe nach. Danke.’
So saßen wir da und mümmelten uns schweigend durch die Salate. Währenddessen konnte ich meine Augen nicht von Rìccio lassen. Besonders seine braunen Augen übten eine magische Anziehung auf mich aus. Dass mich seine braunen Locken aus der Reserve locken konnten, wusste ich ja bereits.
Der Fruchtsalat schien Rìccios Favorit zu sein. Ich hatte kaum ein paar Bissen davon abbekommen. Auch der Nudelsalat schien ihm zu schmecken. Den Kartoffelsalat teilten wir uns recht fair. Vom Eiersalat bekam ich mehr ab. Hier schien sein Appetit eher begrenzt, aber er ließ ihn nicht auf dem Teller übrig und weinte auch nicht. Ich schwankte zwischen einer Mischung aus beruhigt und stolz.
Wir hatten gegessen und getrunken. Das, was ich zubereitet hatte, war nicht zu üppig gewesen, aber, zumindest aus meiner Sicht, doch ausreichend. Vor uns lagen noch die nicht ausgepackten Kekse und der Schokoriegel.
Wie sollte es nun weitergehen. Bisher hatten wir eher schweigend gegessen und ich vermisste die Gedanken-Gespräche, die ich mit Chiòcciola hatte. Dabei konnte ich die Augen nicht von Rìccio lassen. Noch nie hatte mich ein Freund von Dennis auch nur annähernd so fasziniert. Dabei war an ihm nicht wirklich etwas Besonderes. Seine Augen waren schön, und das Gesicht war - mir fehlten die Worte. Schön? Symmetrisch? Interessant? Nett anzusehen? Wie beschreibt man einen Jungen, den man mag. Mädchen sind im Idealfall ‘schön’. Manchmal auch ‘extrem schön’. Und Jungen? Sportlich, stark - OK. Aber im Gesicht? Ist das Gesicht bei einem Jungen auch ‘schön’? Ich meine im Idealfall.
Dann zuckte ich zusammen. Was war davon in meinem Gedankenflur gelandet. Und überhaupt, wie lange haben wir hier schon so still nebeneinander gesessen.
Das ist doch mega-peinlich! Ich hatte immer noch nicht gelernt, damit umzugehen, dass sich mein Gegenüber meiner Gedanken bedienen konnte. Aber, wenn sowieso alles offen ist, gibt es dann noch Peinlichkeit? Sicher! Denn ich konnte es ja im Gegenzug nicht! Rìccio war mir ein Rätsel. Aber eins, das mir gefiel! Mist, schon wieder!
Rìccio blickte mich an. Keine Worte, keine Gedanken. Ich hielt das nicht mehr aus. Natürlich finde ich es toll, dass Mädchen im 21. Jahrhundert all das machen dürfen, was Jungen machen dürfen. Toll! Aber das heißt doch nicht, dass wir es auch unbedingt machen müssen, oder? Ich meine, habe ich die Hektik mit dem Rouge und so völlig umsonst gehabt? Findet der mich nicht wenigstens ein bisschen attraktiv? So zumindest der Höflichkeit halber? Will ich das überhaupt? Aus Höflichkeit angebaggert werden? Nee, wirklich nicht! Ganz entschieden ‘Nein’!
Aber so ganz ohne Reaktion komme ich mir auch irgendwie hilflos vor! Und dann der Schreck: Schon wieder zu laut gedacht?
Rìccio lässt sich keine Reaktion anmerken.
‘KÜSS.MICH.JETZT’
Ich bemühte mich redlich, ihm meine Gedanken schmackhaft zu machen. Keine Reaktion.
Was soll ich nur machen? Bauchtanz? Oder vielleicht doch die Initiative ergreifen? Komm, Annika, wir sind im 21. Jahrhundert! Rouge und Schmollmund sind so etwas von Sechziger. Ergreif die Initiative! Wieder meine Stimme. Kann er die etwa auch hören? Wir reden schließlich von einer inneren Stimme! Oh Gott, wenn jetzt ein Psychiater anwesend wäre.
#
Ich beuge mich vor, lege meinen Arm um seine Schulter, drehe ihn ein wenig in meine Richtung und lege meine Lippen auf seine. Langsam öffnet sich sein Mund.
Und dann fängt alles an, unwirklich zu werden. Es ist so, wie ich es mir vorgestellt habe. Wie ein Kuss wohl schmeckt, wenn man das immer nur im Kino und Fernsehen gesehen hat, aber bisher noch keine Gelegenheit war, es in der Praxis auszuprobieren. Es war riesig! Toll! Und dann: Ich weiß, dass man beim Küssen nicht die Augen öffnet. Mein Wissen ist zwar durchaus eher theoretisch, aber das weiß ich! Ich weiß nicht, warum ich es dennoch getan habe. Und trotzdem habe ich es gemacht. Was ich dann sehe, hat mich völlig umgehauen.
Es flimmert vor meinen Augen. Nein nicht dass sich die Welt dreht oder rosarote Plüschschweinchen den Himmel bevölkern. Nein, Rìccio flackert. Mal sehe ich Rìccio, dann Chiòcciola, dann wieder Rìccio. Panik ergreift mich und dann ist der Kuss leider auch schon zu Ende. Viel zu früh und viel zu abrupt!
Ich reibe meine Augen und neben mir sitzt: Rìccio
‘Es tut mir Leid, das hätte nicht passieren sollen.’
War das jetzt also wirklich passiert, oder träume ich das alles. ‘Hätte nicht passieren sollen’, ist aber auch genau das, was ich als Rückmeldung jetzt brauchte. Und dann sage ich das Intelligenteste, was mir in dieser Situation eben einfällt:
„Schon gut.”
#
Mir ist schlecht. War das alles? Der erste Kuss, so sagt man, bleibt Frauen ein Leben lang im Gedächtnis. Das glaube ich seit heute gern! Ich muss mich aber auch immer übernehmen. Der erste Kuss, und dann gleich ein Alien vom anderen Ende der Milchstraße. Und nun muss ich auch noch versuchen, die Situation zu retten, statt getröstet zu werden. Ich sitze auf der Decke und mir fällt nichts richtig Cooles ein, um die Situation zu retten. Rìccio sagt nichts und schickt keine Gedanken rüber. Dann die Idee...
„Sag mal, wo wolltet ihr eigentlich hin, als euer Weltraumwohnmobil plötzlich die Grätsche gemacht hat?”
Pause.
‘Ich musste erst einmal überlegen, was du fragen wolltest. Aber gut, ich werde es dir erzählen.
Wir waren auf einer Urlaubsfahrt. Es ging leider nur an die Spitze eures Arms unserer Galaxie. Von euch aus sind es noch gut 5.000 Lichtjahre. Von dort aus kann man dann direkt auf die Magellanschen Wolken blicken.’
„Was für Wolken?”
‘Das sind zwei Zwerggalaxien in der Nähe von unserer Milchstraße. Wir waren leider noch nicht da, anders als die meisten von unseren Klassenkameraden.’
„Ich bin ja schon geplättet, dass ihr so in unserer Milchstraße herumreist, mit nichts weiter als einem Weltraum-Bio-Haus und irgendeinem Frucht-Smoothie. Und das geht auch außerhalb unserer Milchstraße?”
‘Natürlich! Nur unsere Eltern haben nicht so viel Zeit. Sie haben leider einen Beruf, der ihnen kaum Urlaub gestattet. Da müssen die Ziele eben dichter sein. Anders als unsere Klassenkameraden, die jedes Jahr wegfahren. Aber wenigstens aus der Nähe ansehen wollten wir die Magellanschen Wolken uns schon einmal. Das ist schließlich Thema im nächsten Jahr.’
„Das mit dem viel beschäftigten Vater, dafür habe ich glatt Verständnis. Pa hat auch nie für etwas Zeit.
Du hast doch auch noch etwas von eurer Nahrung mitgebracht. Lass uns die doch noch probieren.”
Eigentlich wollte ich nur diese peinliche Situation hinter mich bringen und mit dem Picknick, zu dem ich so gar keine rechte Lust mehr hatte, irgendwie fortfahren. So richtiges Interesse an dem Inhalt von Rìccios Tuben hatte ich ehrlich gesagt nicht mehr. Aliens schienen mir im Moment gar nicht mehr so attraktiv, wie noch vor wenigen Minuten.
Rìccio öffnete seinen kleinen Stoffbeutel und holte vier Tuben hervor. Drei recht große, eine war bereits fast leer gedrückt und es schien nur noch ein winziger Rest enthalten zu sein. Er schraubte den Verschluss von der ersten Tube ab und drückte eine kurze Wurst auf meinen Löffel.
‘Das essen wir besonders gern zum Frühstück. Es sind alle Aminosäuren und Spurenelemente, die wir zum Leben brauchen, enthalten und weckt die Lebensgeister.’
Blöde Lebensgeister! Der Geschmack, der sich auf meiner Zunge breit machte war breiig und sauer. Und je mehr ich versuchte, das Zeug runterzuschlucken, desto mehr schien es zu schäumen. Irgendwann half nur noch der rettende Griff zur Saftschorle. Im Fernsehen hatte ich bei einer Kochsendung mal einen Satz gehört, der jetzt ungemein hilfreich war.
„Irgendwie interessant und sicher auch sehr nahrhaft.”
‘Ja, das Frühstück ist unsere wichtigste Mahlzeit. Ich liebe dieses säuerliche Prickeln auf der Zunge.’
Was antwortet man da? Ich versuchte interessiert zu klingen. „Was gibt es denn so zum Mittagessen?”
‘Mittagessen ist bei uns meist die Nahrung, die Ballaststoffe bereitstellt. Hier, das ist eine ganz typische Variante unseres Mittagessens, etwas, das wir auch in der Schule häufig bekommen.’
Er drückte mir eine weitere Wurst auf den Löffel. War die etwa noch länger?
Erst war sie recht mild, dann aber entdeckte meine Zunge die kleinen Klümpchen. Sie knirschten, wenn sie zwischen die Zähne kamen. Und sie scheuerten irgendwie im Rachen beim Versuch sie zu schlucken. Also schien auch diese Variante im Mund immer mehr zu werden.
„Sehr ergiebig”, presste ich zwischen den Zähnen hervor, um nicht zu viel von der breiigen Masse beim Versuch zu sprechen auf die Decke zu sprühen. Vielleicht hätte es ja sogar Löcher gegeben.
‘Ja, unser Mittagessen sättigt für viele Stunden.’
Gute Vorlage: „Ja, das glaube ich gern. Ich bin gespannt auf das Abendessen.” Was bin ich doch für ein ausgekochtes Schlitzohr! Nur noch eine Tube und ein kleiner Rest von der vierten!
Wortlos reichte Rìccio mir einen neuen Streifen auf meinem Löffel. - Es war, ganz entschieden anders! Sauer, sehr - sehr sauer mit einer Spur fieser Bitterstoffe. Ich habe immer Leute mit Sodbrennen bedauert, denen beim Aufstoßen der Magensaft in den Mund schwappt. Das wäre jetzt im direkten Vergleich das Dessert gewesen, dieses jedoch war der Hauptgang! Beim besten Willen, das konnte ich nicht schlucken. Alles in mir rebellierte und das so intensiv, dass ich aufsprang und mich in die Büsche schlug.
Ich ging so weit, dass Rìccio mich nicht mehr sehen konnte und dann noch ein paar Schritte weiter. Wenn es kommt, dann richtig und vorne und hinten. Es war sicherlich zum Teil diese schleimige Nahrung, aber bestimmt auch dieser mega-peinliche Psycho-Kuss, der sich nun Bahn brach. Ich versuchte alles so zu koordinieren, dass ich hinterher noch wieder unter die Leute gehen konnte, was gar nicht so einfach war.
Als es vorbei war, ging es mir gleich viel besser. Beim Versuch, Abstand von der Schweinerei zu bekommen, ging ich einen Schritt nach hinten und hatte einen großen Dorn im Hintern. Diesen blöden Busch hatte ich zwar gesehen, dann aber völlig vergessen. Auch dass noch. Es tat höllisch weh.
Glücklicher Weise konnte mich meine Klamotten noch so zurecht zumpeln, dass man mir von der Eruption nicht viel anmerkte. Vorsichtig trat ich aus dem Gebüsch zurück auf die Lichtung.
‘Eure Entsorgung von Schlackestoffen ist nur auf den ersten Blick anders als bei uns. Aber wenn man den Planeten mit in die Betrachtung einbezieht, dann zerlegt ihr die Reste ebenfalls in Aminosäuren und verwertet sie wieder.’
So ein Satz hätte auch von Dennis kommen können! Und dann war da ja noch die vierte Tube.
‘Diese Tube ist leider fast leer. Sie enthält die Substanz, die uns fast ausgegangen ist. Normalerweise nehmen wir sie nicht selbst zu uns. Sie ist für unser Haus bestimmt. Aber sie ist auch nicht schädlich für uns. Ich habe nur eine winzige Probe für dich. Wir müssen sehr sparsam damit sein, bis wir Nachschub bekommen haben.’
Uff!
Rìccio hielt mir einen winzigen Klecks auf meinem Löffel entgegen und alles sträubte sich in mir. Was ich dann auf meiner Zunge spürte, kam mir irgendwie bekannt vor. Säuerlich, fruchtig und angenehm im Mund. Mein Hintern brannte furchtbar von diesem blöden Dorn und ich wusste auf einmal, woher mir der Geschmack bekannt vorkam.