Читать книгу Magische Orte in der Lüneburger Heide - Kirsten Fock - Страница 14
ОглавлениеDer Grundlose See mit Moor
Nördlich von Walsrode zwischen Dreikronen und Ebbingen liegt das Grundlose Moor mit seinem See. Von Walsrode kommend weist hinter Dreikronen ein Wegweiser zum Grundlosen See. Der Weg führt zu einem Parkplatz mit Hinweisschild. Wir gehen den gut befestigten Weg am Schlagbaum vorbei. Links und rechts ist der Weg von Wald gesäumt. Nichts lässt zunächst da drinnen einen See vermuten.
Dem aufmerksamen Betrachter entgeht bei der kleinen Waldwanderung nicht der Unterschied zwischen Wald und Wald. Der Wald rechts gehört bereits zum Naturschutzgebiet. Die linke Seite wird forstlich bewirtschaftet. Rechts mischen sich Leben und Tod. Pilze wachsen aus toten Bäumen. Äste und umgestürzte Bäume liegen kreuz und quer. Dichtes Gestrüpp versperrt den Blick. Bäume unterschiedlichen Alters stehen bunt durcheinander. Links wirkt es eher aufgeräumt. Kaum Holz am Boden und die etwa gleichaltrigen Bäume stehen in übersichtlichen Reihen. Auf dem vor Jahren abgeholzten Stück sind junge Bäume aufgelaufen. Der Wald macht den Eindruck eines Ackers, nur mit anderen zeitlichen und pflanzlichen Dimensionen. Natürlich stammen diese Anpflanzungen noch aus dem 20. Jahrhundert, in dem hier Monokulturen aus Kiefern oder Fichten angepflanzt wurden. Auch war die Ernte mittels vollständigem Kahlschlag bisher üblich. Inzwischen hat es einen Bewusstseinswandel gegeben. Mit der Unterstützung durch die Forstämter hat eine Veränderung eingesetzt. Es werden Mischwälder mit Buchen, Eichen und Linden zwischen den Nadelbäumen angepflanzt. Auch bleiben größere Bäume stehen. An den Rändern werden typische Sträucher wie Ginster, Hasel und Kirschen eingegraben, um so etwas wie einen natürlichen niedrigeren Abschluss an den Wegen und Straßen zu bilden. Vielen Tieren und Insekten bietet diese Heckenpflanzung neuen Lebensraum. Zurück zum Moor. Das Grundlose Moor ist seit Anfang der 1990er unter Naturschutz gestellt. Umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen wurden durchgeführt.
Als erstes wurden die Entwässerungsgräben wieder verschlossen um den Wasserstand zu erhöhen. Ende 2017 wurden im Bereich des Naturschutzgebietes sehr viele große Bäume abgeholzt. Im ersten Moment fand ich das etwas befremdlich. Aber es ist als weiterer Schritt der Renaturierung eine notwendige Maßnahme. Auf dem Moor wachsen keine Bäume. Hier wachsen nur deshalb Bäume, weil der Wasserstand noch immer zu niedrig ist. Um weiterhin den Wasserstand zu erhöhen müssen leider die Bäume weichen. Ein Hochmoor wie das Grundlose Moor wird nur durch Regenwasser gespeist. Dort gibt es keine Quellen. Im heißen Sommer 2018 hat der See etwa einen halben Meter an Wasserstand eingebüßt. Vor ein paar Tagen im Januar 2019 besuchte ich den See wiedereinmal. Das Wasser ist etwa 20 cm höher, aber es fehlen trotz des Regens der letzten Monate noch mindestens 30 cm zum Wasserstand im Winter in den Vorjahren. Wären die großen Bäume stehen geblieben, wäre nach meiner Meinung noch deutlich weniger Wasser im See. So bleibt nur die Hoffnung auf mehr Regen in den nächsten Monaten, damit sich der Wasserstand wieder erholen kann. Torf wurde hier schon länger nicht mehr abgebaut, aber die alten Torfstiche rund um den See sind noch gut zu erkennen. Das wird wohl trotz aller Maßnahmen noch tausend Jahre so sein. Moor wächst langsam, sehr langsam. Zwischen den Torfstichen sieht man wie hoch das Moor ursprünglich gewesen sein muss. Diese „Stege“ dienten früher zum Lagern und Abtransportieren des Torfes. Heute ist das Betreten verboten, da sich wieder seltene Pflanzen wie der Sonnentau dort angesiedelt haben. Allerdings Nutzen auch die Bäume die „Stege“ um dort zu wachsen. Und der Mensch wird eingreifen müssen, um das Moor Moor sein zu lassen. Bald erreichen wir eine Wegkreuzung wieder mit großer Hinweistafel und Findlingen. Statt nun rechts den kurzen Weg zu wählen, lautet meine Empfehlung weiter geradeaus durch den Wald Richtung Fulde zu gehen. So liegt der See stets rechterhand, dafür sieht man ihn allerdings erst später. Nach einigen hundert Metern durch den Wald kommen wir wieder an eine Weggabelung mit dicken Steinen. Diesmal wenden wir uns dann rechts endlich dem Weg zum See zu.
Kurz nach der Abzweigung sehen wir auf der linken Seite einen kleinen moorigen Tümpel aus dem recht bizarr tote Bäume ragen. Zu jeder Jahreszeit macht er durch sein leuchtend frisches Grün auf sich aufmerksam. Natürlich ist dies noch nicht der Grundlose See. Wir gehen weiter auf dem gut ausgebauten Weg. Fühlt in die Füße: Der Boden schwingt ganz leicht bei jedem Schritt. Moor eben. Mit etwas Glück sonnt sich vielleicht gerade eine Blindschleiche auf dem Weg. Das ist dort im Sommer durchaus keine Seltenheit. Kleine Ratespiele am Wegesrand vermitteln Wissenswertes über das Moor und seine Bewohner. Noch gehen wir weiter durch Wald, aber links liegen bereits alte Torfstiche wie Perlen auf der Schnur. Der Weg wird von typischen kleinen Sträuchern gesäumt. Heidekraut, Blaubeeren, aber die heimischen, nicht die aus Amerika stammenden großen, sondern echte norddeutsche Bickbeeren. So werden sie hier genannt. Natürlich auch Preiselbeeren und Binsen finden hier eine Heimat. Wir gelangen an eine Aussichtsplattform, die einen ersten weiten Blick über den See ermöglicht. Vor der Renaturierung grenzte das offene Wasser an dieser Stelle noch bis dicht an den Weg. Inzwischen hat sich die Pflanzenwelt ein Stück des Sees zurückerobert. Von der Aussichtsplattform haben wir einen reizvollen Blick auf das in der Uferzone wachsende Wollgras. Im Sommer ist es mit seinen weißen Püscheln wunderhübsch. Ein Blick über den See von dort oben lohnt sich aber zu jeder Jahreszeit. Ein Kuriosum: Die Plattform stand erst einige Wochen dort als sie von irgendwem angesägt wurde. Diejenigen dachten wohl, es sollte ein Hochsitz für die Entenjagd sein. Nun verstärkt Metall die angesägten Balken. Im Naturschutzgebiet ist Jagen per se verboten.
Wir wandern auf dem Weg weiter. Hin und wieder laden Bänke zum Ausruhen ein und bieten unterschiedliche Blicke auf den See. Ruhig liegt er da, den Himmel in wechselndem Farbenspiel spiegelnd. Bald gelangen wir zu einer Holzbrücke, die einen Graben zwischen dem größten Torfstich und dem See quert. Gern nutzen die Enten die Ränder des alten Torfstichs zum Brüten und schwimmen dann unter der Brücke auf den See hinaus.
Die Bäume spiegeln sich im Wasser und bieten nicht nur dem Fotografenauge reizvolle Motive. Jenseits der Brücke kann man bis ans Wasser des Grundlosen Sees herangehen. Taucht man die Hand ins Wasser, so erschließt sich der Name des Sees. Kaum 10 cm unter der Wasseroberfläche ist die Hand nicht mehr zu sehen. Das Wasser ist braun. Es ist eben Moorwasser und daher nicht durchsichtig. Man kann nicht auf den Grund sehen. Der Moorsee hat auch keinen festen Untergrund, wie wir es von anderen Seen kennen. Eine meterdicke Morastschicht liegt am Boden und so kann man nicht mit den Füßen vom Ufer ins Wasser, weil man gleich bis zur Hüfte versinken würde. Grundloses Moor eben.
Berührend ist es im Sommer in der Abenddämmerung die Schwalben bei ihrem Kunstflug über der Wasseroberfläche zu beobachten. In hoher Geschwindigkeit stürzen sie aufs Wasser zu um kurz vor der Oberfläche eine der zahlreichen Mücken zu fangen und sich in einem eleganten Bogen wieder in den Himmel zu schwingen.
Alles ist voll von Leben, groß und klein, sichtbar und versteckt. Still sitzen und lauschen. Dadurch dem Leben wieder näher kommen. Die Hektik des Alltags und den ganzen Verpflichtungen für einen Moment entwischen. Bei sich selbst und seinem eigenen Leben ankommen.
Innehalten.
Anfahrt:
A27 Walsrode West
geradeaus durch Walsrode
Richtung Visselhövede
ca. 1 km nach dem Ort Dreikronen links ist der Grundlose See ausgeschildert