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Prolog

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„Da! Sie kommt, die Dunkelgräfin, sie kommt zurück!“, rief das Mädchen, ehe die Mutter ihm die Hand auf den Mund pressen konnte.

Die anderen waren seinem Blick bereits gefolgt. Einige bekreuzigten sich. Manche liefen weg, zurück in ihre Häuser, zu ihrer Arbeit, von der sie sich davongestohlen hatten, aber die meisten bannte die Neugier.

So standen die Hildburghäuser also am Fuße des Schulerberges, der eigentlich nur ein Hügel war, und starrten auf die dunkel verschleierte Frau. Plötzlich, in der Ferne, war sie aufgetaucht. Zwischen den Bäumen, die keinen Schutz mehr boten und das frische Steingrab umstanden, trat sie hervor. Dabei müsste sie doch darin ruhen – die Dunkelgräfin.

Wer war diese Frau? Sie trug etwas in der Hand, doch was es war, erkannten die Schaulustigen nicht.

Ein kleiner Junge wollte es unbedingt wissen, riss sich von seiner Mutter los und rannte auf die Verschleierte zu. Nicht weit, denn zu ihr hin traute er sich nicht. Andere Kinder eiferten ihm nach, machten ein Spiel daraus, wagten sich immer ein bisschen näher heran und rannten dann schreiend zurück.

Die Erwachsenen ermahnten sie. Immerhin hatte hier kürzlich eine Beerdigung stattgefunden.

Jetzt hob die Frau ihren Blick. Brachten die Wolken den ersten Schnee mit sich oder Regen? Besonders stürmisch wurden sie heute über den Himmel geweht, immer wieder durchbrochen von Sonnenstrahlen. Einer traf das Steingrab.

Näher trat die Frau heran, und ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre grau verschleierten Lippen. Ihr Blick fiel den Hügel hinab auf die Leute, die dort standen.

Insgeheim gebot sie ihnen zu weichen, und tatsächlich, sie entfernten sich – zumindest so weit, dass die Frau auf dem Hügel sich nicht mehr von ihnen beeinträchtigt fühlte.

Langsam hob sie ihren Schleier, senkte den Blick auf den trapezförmigen Stein und drehte den Stiel der weißen Lilie in ihrer Hand, ließ sie tanzen vor ihren Augen.

Eine Träne benetzte die Blüte. Oder beschloss der Himmel zu weinen? Die Trauernde ließ sie fallen und betrachtete sie, nun hinter einem Tränenschleier – die einzige Blume auf dem Grab. Ihr, Marie Thérèse Charlotte von Frankreich, hatte van der Valck, der Dunkelgraf, es offenbar vorbehalten, das Grab damit zu schmücken.

Sie ließ den Schleier vors Gesicht fallen und sah auf. Doch ihr Blick wich nach innen, fort von diesem 1837, in dem sie sich dem Ende ihres sechsten Lebensjahrzehntes näherte.

Tochter von Frankreich

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